Tag Archive for lustig

Romankritik: Darüber reden, von Julian Barnes (1991, engl. Talking It Over) – 6/10 Sterne – mit Video

Drei Personen reden abwechselnd direkt zum Leser und schildern jeweils ihre Sicht eines sich anbahnenden Liebesdreiecks; teils erzählen sie ihre Geschichte fortlaufend, ohne Überlappung. Diese interessante Konstruktion schwächt Julian Barnes durch die Geschwätzigkeit und Blasiertheit der Figur Oliver/Ollie samt Angeber-Fremdwörtern („Gillian’s rebarbatively quotidian motor-car“) und anlasslosem Deutsch oder Französisch mitten im englischen Satz (ich kenne…

Romane mit Pidgin-Englisch

Vergnügliches Pidgin-Englisch liefern u.a. die folgenden Romane und Kurzgeschichten im englischen Original: die frühen Geschichten von V.S. Naipaul, sie spielen ca. 1950 unter eingewanderten Indern auf Trinidad, bekannt v.a. Ein Haus für Herrn Biswas und Der mystische Masseur, in dem eine Frau schnöseliges Neureichen-Pidgin intoniert die Bücher von Naipauls Bruder Shiva und seinem Vater Seepersad…

Romankritik: Blasmusikpop, von Vea Kaiser (2012) – 4/10 Sterne

Die Schnurre beginnt 1959: Das österreichische 400-EW-Dorf St. Peter am Anger auf 1200 Meter Höhe hat noch 1969 keinen Fernsehempfang und staunt erst 1974 über den ersten Fernseher. Allerdings törnt der Roman inhaltlich und sprachlich ab: Vea Kaiser setzt auf Klamauk statt Plausibilität und Realismus hat zunächst eine trocken-lässige Stimme, schreibt markantes, aber nicht deftiges…

Lese-Eindruck Humor-Buch: Sex am Sabbat, Moderne jüdische Witze, von Ilan Weiss (2010)

Amazon-Werbelinks: Sex am Sabbat | Jüdischer Witz Sowas Schlechtes habe ich selten gesehen. Schon das dreiseitige Vorwort kredenzt falsches Deutsch ohne Ende: „Sie“ und „Ihre“ mehrfach groß statt klein, indirekte Rede in Anführungszeichen und direkte Rede ohne Anführungszeichen – oder ist das auch Humor? Dazu allerlei schmerzhafte Schreibfehler wie „im stehen“ (sic, S. 7). Und…

Buchkritiken: 84 Charing Cross Road (1970) & Die Herzogin der Bloomsbury Street (1973), von Helene Hanff – 7/10 Sterne

84, Charing Cross Road ist ein kauziger, zunehmend persönlicher Briefwechsel zwischen der exzentrischen, buchversessenen Helene Hanff in New York und einem Londoner Antiquariat zwischen 1949 und 1969. Er spielte sich angeblich wirklich so ab. In der Fortsetzung Die Herzogin der Bloomsbury Street berichtet Helene Hanff (1917 – 1997) in Tagebuchform von einer Bildungs- und Publicity-Reise…

Kritik Kurzgeschichte: In the South, von Salman Rushdie – 8 Sterne

Zwei uralte Pensionäre leben schon lange Veranda an Veranda in Chennai. Täglich lästern sie genüsslich übereinander nach liebgewonnenem Ritual. Teils klingen sie leicht konsumierbar lebensweise, teils lustig. In dieser urban indischen Kurzgeschichte von Salman Rushdie passiert zunächst nicht viel. Das ist alles Atmosphäre, Grummeln und Wort-Ping-Pong. Doch der Autor deutet in den ersten Zeilen eine…

Kritik Kurzgeschichten: Unbefugtes Betreten, von Julian Barnes (2011, engl. Pulse) – 6/10 Sterne

Julian Barnes hat oft eine souveräne Erzählstimme und teils bärenstarke Dialoge, ist wiederholt lässig, originell, witzig („‚riding a hobby horse to death is flogging a dead metaphor“). Ich habe tatsächlich öfter gelacht, wann gibt’s das schon. Andererseits handeln zwei Geschichten ziemlich schmerzlich auch von Krebstod – „Barnes writes wonderfully about dying“, schwelgt eine Kritikerin. Gelegentlich…

Kritik Roman: Queenie, von Candice Carty-Williams (2020) – 5/10 Sterne

Candice Carty-Williams schreibt ein paar witzige Dialoge und Chat-Verläufe, aber letztlich eine Zeitgeist-Soap mit dümmlicher Ich-Erzählerin, gegen Ende sehr unrealistisch. Warum das Buch Preis und Preise von Qualitätsmedien wie Time oder Guardian erhielt, weiß ich nicht. Die junge schwarze Londonerin Queenie, 25, jiepert dümmlich Männern hinterher, u.a. ihrem weißen Ex-Freund Tom, trifft sich mit Freundinnen,…

Kritik Arzt-Geschichten: Jetzt tut es gleich ein bisschen weh, von Adam Kay (2017, engl. This Is Going to Hurt) – 7 Sterne

Ex-Arzt Adam Kay (*1980) schreibt bitter, zynisch, trocken, derb, selbstironisch – so Fulminantes liest man selten. Humor, Tragik und Blutgefäße explodieren in diesem UK-Bestseller zugleich. Kay karikiert hart die Idiotie vieler Krankenhausbediensteter die Idiotie vieler Krankenhausbesucher die idiotischen Arbeitsbedingungen im NHS, dem englischen Gesundheitssystem und betont im Gegenzug immer wieder die eigene Empathie und Aufopferungsbereitschaft,…

Romankritik, Filmkritik: Der Liebesbrief, von Cathleen Schine (1995, 1999, engl. The Love Letter) – 6 Sterne – mit Video

Der Roman (1995, 6 Sterne): Fazit: Cathleen Schine schreibt eine gedruckte romantische Komödie, fluffig, lustig, unrealistisch, etwas belanglos. Die Hauptfigur, Buchhändlerin Helen, ist Ü40, lässig, attraktiv, unliiert und produziert ebenso wie das andere Buchpersonal unentwegt coole Einzeiler – unplausibel, aber vergnüglich. Ein Beispiel (ich kenne nur das engl. Original): You read my mind even when…

Kritik Dating-Memoir: Zum Glück gibt’s Anzeigen, von Christian Nürnberger (1993, 2002) – 3 Sterne

Top-Journalist Christian Nürnberger findet und heiratet die Studentin und spätere Top-Journalistin Petra Gerster per Print-Kontaktanzeige 1982 in der „Zeit“. Nürnbergers textet sein Buch über diese Eroberung flott, der Inhalt ödet aber an: Nürnberger verallgemeinert, er spekuliert, er zitiert länglich Filmszenen statt wahres Leben. Als wolle er das Manuskript angestrengt längen. Nürnbergers eigene Kontaktanzeige und die…

Romankritik. Einer von uns, von Chinua Achebe (1966, engl. A Man of the People) – 5 Sterne

Ich-Erzähler Odili Samalu ist zunächst ein kleiner Lehrer in einer privaten Dorfschule – gut gebildet zwar, doch er will mit der korrupten Staatsbürokratie im postkolonialen Nigeria nichts zu tun haben. Dann gerät Odili ins Umfeld des mächtigen, brunzdummen Kulturministers Chief the Honourable M. A. Nanga, M.P.; dessen Umtriebe, Eitelkeiten und hohlen Sprüche schildert der Ich-Erzähler…

Kritik Kurzgeschichten. Der weite Weg zu zweit, von John Updike (engl. The Maples Stories bzw. Too Far to Go) – 8 Sterne

Diese Wirklichkurzgeschichten entstanden über Jahrzehnte hin und sind sehr heterogen, auch wenn immer dasselbe Ehepaar Maple im Mittelpunkt steht. Tonfall und Erzählperspektive schwanken, es gibt wenig Verbindungen oder Querbezüge, Übergänge fehlen. In zwei Geschichten (Wife-Wooing, Plumbing) tauchen die Namen der Hauptakteure gar nicht auf, sie wurden dem Storyreigen wohl erst nachträglich zugeordnet. Besonders unzusammenhängend wirken…

Kritik Kurzgeschichten. The Early Stories 1953 – 1975, von John Updike – 7 Sterne

John Updike schreibt teils atemraubende Dialoge und Konstellationen aus dem Eheleben. Auch ein paar hübsche Teenager-Geschichten. Und das mit teils hervorragender Erzählstimme, nur momentweise zu auftrumpfend bildungsbürgerlich. Fast immer legt John Updike erkennbar sein eigenes Jugend-, Familien- und Sozialleben zugrunde (Einzelbesprechungen weiter unten). Dann wieder liefert John Updike (1932 – 2009) elegische Betrachtungen zu Laub,…

Kritik Kurzgeschichten. Collected Later Stories, von John Updike (1976 – 2008) – 7 Sterne

David Lodge lobte Updikes ability to make slight episodes from ordinary life glow with significance through the fidelity and freshness with which he described them… Updike was the most extravagantly gifted prose stylist of his generation of American writers. Die Kurzgeschichten aus Collected Later Stories belegen Lodges Urteil – längst nicht alle, aber genug. Amazon-Werbelinks:…

Kritik Justiz-Kurzgeschichten: Die Sau, von Ludwig Thoma (2015) – 7 Sterne

In Ludwig Thomas Justiz-Kurzgeschichten hauen sich Bayernmänner im Bierhaus Bierkrüge und mehr auf den Kopf: Mit diesen eichenen, buchenen und eisernen Wehren haben die grimmigen Huglfinger Helden gestritten gegen die Mannen von Kraglfing und Hiebe ausgeteilt, daß der weite Saal des Unterbräu erdröhnte… Bayernfrauen eskalieren verbal, keifen an Wäscheleine und Fensterbank. Solche Konflikte und ihr…

Kritik Indonesien-Buch: Hallo Mr. Puttyman bzw. Auf den Spuren von Mr. Spock, von Nigel Barley (1989, engl. Not a Hazardous Sport bzw. Toraja) – 6 Sterne

Thailand

Nigel Barley beginnt sein Indonesien-Buch weitschweifig mit Reisegedöhns: The equipment laid out on the bed… How many shirts? How many pairs of socks? …a cheap ticket… the broken lavatories of the airport… Heute hier, morgen dort: Ja, wir hören auch länger vom Flughafen Moskau, und Barleys ursprüngliches Flugticket aus einer dubiosen Quelle platzte. Das ist…

Kritik Afrikabuch: Die Raupenplage, von Nigel Barley (1983, engl. Plague of Caterpillars) – 7 Sterne

Routiniert spult das Afrikabuch Anekdoten, Pointen und Allgemeinplätze herunter: Ein schriller Weißer ermordet seine Katze und kocht sie. Auch Erlebnisse mit halbzahmen Affen oder Vögeln walzt Nigel Barley (*1947) breit fürs Publikum aus; sie scheinen teils fürs Buch inszeniert oder dramatisiert, auch der kackende Ziegenbock in der Lehmhütte, haha. Nigel Barly bei Amazon (Werbe-Link) Warum…

Kritik Afrikabuch: Traumatische Tropen, Notizen aus meiner Lehmhütte. Von Nigel Barley (1983, engl. The Innocent Anthropologist) – 7 Sterne

Anekdoten, Pointen und Allgemeinplätze schnurren ab der ersten Seite gut geölt herunter. Dazu behauptet Nigel Barley in seinem Afrikabuch auch mal Widersprüchliches: Aufgebrochen sei er totally unprepared both materially and mentally for the bush und nur eine Seite später: I felt as well equipped as anyone needed to be. Selbstironie ist des Angelsachsen Pflicht, darum…

Besprechung: Schadenfreude, A Love Story, von Rebecca Schuman (2017) – 4 Sterne

Dies ist der Lebensweg einer US-Germanistin, kein Buch über Amis und Deutsche in Deutschland. Die US-Amerikanerin Rebecca Schuman hat eine (S. 212*) all-consuming love for the German canon… A reverence that hovered somewhere between religious and sexual ecstasy Zuerst verfällt sie Kafka („the German language’s most famous writer“), später auch Thomas Mann, Wittgenstein und anderen…

Buchbesprechung: Aus dem Leben eines Lohnschreibers, von Joseph von Westphalen (2008) – 6 Sterne

„Lohnschreiber“ sind manchmal auch „Zeilenschinder“: Joseph von Westphalen (*1945) quasselt und quasselt hier, von Hölzchen auf Stöckchen, schmückt aus, schiebt ein, imaginiert, reminisziert, selbstgefällig, geschwätzig, ja logorrhoisch kommt und kommt er nicht zum Ende. Hat man eine Geschichte endlich durch, stehen ganz am Buchende noch mal  separate Anmerkungen dazu – mehrfach mit dem Hinweis, dass…

Buchkritik: Amore al dente / Only in Naples / The Mother-in-Law Cure, von Katherine Wilson (2016) – 6 Sterne

Ich habe mehrmals laut gelacht, vor allem im ersten Viertel, das gibt’s nicht oft. Die US-Autorin haut ihre neapolitanische Gastfamilie nur ein bisschen in die Pfanne, eher sich selbst, ihre US-Sitten und Italien im allgemeinen. Trotzdem war mir unbehaglich: Wilson erzählt mit zu viel Dampf. Wie eine Bühnenkomikerin scheint sie eine Anekdoten-Mindestzahl pro Seite rauszuhauen,…

Kritik Kurzgeschichten. W. Somerset Maugham: Collected Short Stories Volume 4 – 7 Sterne

Die Bände 1, 2 und 4 der Collected Short Stories sind sehr heterogen: Sie versammeln Geschichten mit unterschiedlichsten Entstehungsjahren, Längen, Themen und Schauplätzen. Auch Band 4 mischt Geschichten aus England, Malaya und der Südsee, erschienen zwischen 1923 und 1946. Nur hier in Band 4 gibt es Geschichten aus Süditalien (Positano, Capri). Singapur, Vietnam und die…

Kritik Kurzgeschichten. W. Somerset Maugham: Collected Short Stories Volume 2 – 7 Sterne

Die Bände 1, 2 und 4 der Collected Short Stories sind sehr heterogen: Sie versammeln Geschichten mit unterschiedlichsten Entstehungsjahren, Längen, Themen und Schauplätzen. Auch Band 2 mischt Geschichten aus London, Süd- und Mittelamerika, Russland und heißem Asien, entstanden zwischen 1922 und 1940; Band 1 wirkt noch etwas heterogener. Für diese Bände 1, 2 und 4…

Kritik Kurzgeschichten. W. Somerset Maugham: Collected Short Stories Volume 1 – 7 Sterne

Die Bände 1, 2 und 4 von Maughams Collected Short Stories sind sehr heterogen: Sie versammeln Geschichten mit unterschiedlichsten Entstehungsjahren, Längen, Themen und Schauplätzen. Volume 1 der Collected Short Stories wirkt besonders heterogen: Der Band enthält nur wenige der meistgefeierten Maugham-Shorties – das vielberaunte Südsee-Schmalzodram Rain ist jedoch drin. Die Kurzgeschichten sind oft routiniert erzählt,…

Kurzgeschichten. W. Somerset Maughams Collected Short Stories Vol. 1 – 4: Hauptthemen, Hauptschauplätze

In den Collected Short Stories Band 1 – 4 von W. Somerset Maugham (1874 – 1965) gibt es diese Hauptschauplätze: Weißes Kolonialleben auf einsamen Posten in traurigen Tropen, v.a. Malaya oder Südsee (v.a. Band 1 und 4) Sozialsatiren aus London oder Südengland (v.a. Band 2) Gentleman-Spionage im ersten Weltkrieg in der Schweiz und Russland (Band…

W. Somerset Maugham, Collected Short Stories etc.: Welche Kurzgeschichte in welchem Band?

Somerset Maugham auf Amazon: allgemein | Kurzgeschichten | Romane | englisch Diese Geschichten stehen in den Collected Short Stories Volume 1 – 4 u.i.w. Ausgaben: Ev31 = auch enthalten in Collected Stories in Everyman’s Library (31 Geschichten, bei Amazon) B17 = auch enthalten in The best short stories of (17 Geschichten, bei Amazon) B10 =…

W. Somerset Maugham: Which Short Story in Which Volume? [English]

Somerset Maugham on Amazon.DE: allgemein | Kurzgeschichten | Romane | englisch Those stories are in Collected Short Stories Volume 1 – 4 and in other editions: Ev31 = also included in Collected Stories in Everyman’s Library (31 stories, Amazon.DE) B17 = also included in The best short stories of (17 stories, Amazon) B10 = also…

Kritik Biografie. Selina Hastings: The Secret Lives of W. Somerset Maugham (2009) – 8 Sterne

Selina Hastings erzählt sehr flüssig, ohne aufzutrumpfen oder die Zeit literarisch zu pimpen – sie textet eher distanziert*. Elegant, fast anmutig schwebt sie von Recherche zu Zitat, vom Allgemeinen zum Konkreten, von Liebe zu Literatur. Das liest sich hervorragend und spannender als erwartet – von Profikritikern gab’s viel Lob. Natürlich liefert Hastings Bezüge zwischen Maughams…