Kritik Kurzgeschichten: Descent of Man, etc., von Edith Wharton – 7/10

Wiederkehrendes:

  • Ehe oder junge Ehe
  • Geschieden
  • Mehrfach aus Perspektive des Mannes
  • Schriftsteller-Leben

Assoziation:

Die Geschichten einzeln:

A Journey ᛫ 5,5/10

Der Ehemann stirbt im Schlafwagen, die Gattin fährt mit ihm noch länger weiter. Sie hat ihre Gründe.

Die Geschichte von 1889 klingt grimmig makaber und beklemmend, zudem sehr unrealistisch. Trotzdem gute Einfühlung in die Nöte einer Gattin.

Roman Fever ᛫ 7,5

Zwei Witwen in Rom erzählen sich von Ehebruchiaden und Verdächtigungen.

Edith Wharton kredenzt mehrere faustdicke Überraschungen, die mich laut auflachen ließen. Nicht ideal, dass die Handlung nur aus den Reden der zwei Damen besteht und etwas filmi unrealistisch klingt; aber sehr unterhaltsam.

Assoziation:

Kurzgeschichten aus der Sammlung The Descent of Man:

Diese Geschichten entstanden meist zwischen 1902 und 1904, sie erschienen wie üblich zuerst in Zeitschriften.

The Descent of Man ᛫ 4/10

Versponnener Professor schreibt eine Wissenschaftssatire, die sein Verleger ernst nimmt und erfolgreich herausbringt.

Beginnt mit langer, dialogfreier Erzählung offenbar mit Insider-Anspielungen, die ich nicht verstehe, und exquisitem Vokabular à la heterodoxy und recondite. Zwar kredenzt Wharton eingangs eine Wharton-typische junge Ehe, aber die spielt im weiteren kaum eine Rolle, es geht ums Verlagsgeschäft und womöglich um Anspielungen, die nur Zeitzeugen oder Wharton-Bekannte nachvollziehen. Mir insgesamt zu glasperlenspiel – aber wie heißt es im Text:

So rare a sense of irony, so keen a perception of relative values

Assoziation:

The Other Two ᛫ 7,5

Glücklich Frischverheirateter in New York begegnet ungewollt wiederholt den zwei Ex-Männern seiner Frau. Er muss sich sogar mit ihren Wünschen befassen.

Unterhaltsame Peinlichkeiten, hübsche Gesellschaftssatire, mit zu aufdringlichen Zufällen (zwei zufällige Begegnungen an einem einzigen Tag).

Expiation ᛫ 6,8

Jung-Autorin fiebert der Veröffentlichung ihres Erstlings entgegen. Nur ein derber Verriss könnte ihr genug Aufmerksamkeit bringen.

Also noch eine Geschichte aus dem Schriftstellerleben. Sehr elegante, ironische Dialoge, die in eine unrealistische Handlung münden. Ein Snippet:

I shouldn’t have to ruin this umbrella by using it in the rain.

Die Erzählstimme säuselt etwas zu pseudo-elaboriert; Beispiel: “not untempered with”.

The Mission of Jane 5,5

Kinderloses wohlhabendes Ehepaar adoptiert auf dringenden Wunsch der Frau ein Baby. Die Frau verändert sich, der Mann kann nur staunen, und wir verfolgen das Schicksal der Kleinfamilie über die nächsten 20 Jahre.

Hochgezogene Satire, klingt teilweise zu elaboriert. Überraschend, wie sich Edith Wharton immer wieder in Männer hineinversetzt, etwa hier:

the world is surprisingly well-stocked with the kind of woman one ought to have married but did not

Einerseits klingt die äussere Handlung etwas unrealistisch, andererseits schildert Edith Wharton die Figuren so plastisch wie gute Bekannte. Markante, leicht heikle Dialoge wechseln ab mit weitaus längeren beschreibenden, verallgemeinernden Passagen wie diesen:

Mr. Winstanley Budd was a young man who suffered from an excess of manner. Politeness gushed from him in the driest seasons. He was always performing feats of drawing-room chivalry

Hier sollte Edith Wharton mehr Belege für die behaupteten Verhaltensmuster liefern; show, don’t tell.

Bücher bei HansBlog.de:

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

 

Nach oben scrollen