Romankritik: Daisy Miller, von Henry James (1878, 1909) – 7/10 Sterne – mit Video

Henry James - (c)

Henry James (1843 – 1916) liefert brillante Dialoge und einen kultiviert-ironischen auktorialen Erzähler, der ständig halb amüsiert, halb schockiert die Stirn zu runzeln scheint.

Doch schildert Henry James die Gegensätze Europa/USA und steife Konvention/Freizügigkeit zu zaunpfahl. Das Ende konstruiert Henry James zu deutlich als Moral von der Geschicht’ und nicht ganz glaubhaft.

Seinen frühen Erfolgstext Daisy Miller von 1878 überarbeitete Henry James für die New York Edition 1909, und ich kenne nur diese spätere Fassung. Sie gilt jedoch Kritikern als verkopfter.

Bei kurzen Stichproben präsentiert die zweite Fassung teils seltenere Ausdrücke – so etwa “coxcombical” (sic), ein Wort, das dict.cc bekannt ist, Google Translate jedoch nicht wirklich (“coxcombisch”). Es gibt komplizierte Phrasen wie “disburdenment of cautious criticism”, und der Satzbau klingt teils überaus sophisticated:

To this indulgence indeed something she further said perhaps even more insidiously disposed him.

Trotz dieser Capricen habe ich die Novelle mit Vergnügen gelesen. Bei deutschen Autoren außer Thomas Mann hätte mich das Stelzen gestört.

Henry JamesAssoziation:

Henry James’ Kurzgeschichten Brooksmith und Greville Fanny sind ähnlich sophisticated erzählt, haben jedoch weit weniger Dialog und klingen anders als Daisy Miller mehr nach Rückblick, nicht nach lebendigem Geschehen.

  • Deutliche Anklänge an James’ weit längeren Roman Bildnis einer Dame
  • sprühender Dialog und ein Ami auf Brautschau in Europa: auch in Henry James’ Novelle Lady Barbarina, die zu ähnlicher Zeit entstand wie Daisy Miller
  • Edith Whartons Kurzgeschichte Roman Fever übernimmt ausdrücklich Motive aus Daisy Miller und präsentiert darüber hinaus verblüffende Wendungen
  • Handlungsablauf, Ton und Ende erinnern momentweise an Thomas Manns Tod in Venedig
  • Verfilmt 1974 von Peter Bogdanovich
  • Obwohl in nur zwei Jahren Abstand veröffentlicht, unterscheiden sich die James-Romane Daisy Miller und Washington Square deutlich in Stil, Szenario und Handlung
  • Amazon-Werbelinks: Daisy Miller | Henry James allg. | Thomas Mann |

Bücher bei HansBlog.de:


Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

 

Nach oben scrollen