-
Rezension komischer England-Roman: Zwei an einem Tag, engl. One Day, von David Nicholls (2009) – 7 Sterne – mit Video & Links
Eine lakonisch romantische Komödie über zwei Jahrzehnte: Nach der Uni-Abschlussfeier verbringen Emma und Dexter eine gemeinsame Nacht; anschließend bleiben sie befreundet, haben aber jahrelang jeweils andere Partner. Dexter ist reich, lässig und wird TV-Moderator; Emma strampelt sich ab und endet als kleine Lehrerin. Die Geschichte verkaufte sich in Deutschland angeblich 1,5 Millionen Mal und wurde 2011 mit unverändertem Titel verfilmt (s.u.). Nicholls Roman Drei auf Reisen (2014) hat einige Parallelen, ist aber keine Fortsetzung. Fazit: Nicholls schreibt spannend, witzig, teils einfühlsam und mit viel Zeitgeist – sehr leicht lesbar. Smarte Dialoge ohne Ende. Allerdings erzeugt Nicholls die Spannung teils mit aufdringlichen Cliffhangern – er unterbricht, kurz bevor es interessant wird.…
-
Romankritik: Drei auf Reisen, von David Nicholls (2014, engl. Us) – 8 Sterne
David Nicholls beginnt diesen Roman einer Ehe mit einem Schock: Ich-Erzähler Douglas hört von seiner Frau Connie (beide über 50), dass sie ihn nach 20 Jahren eigentlich angenehmer Ehe verlassen möchte, aber nicht von heute auf morgen. Bald gehen die beiden samt Sohn Albert, 18, auf eine lange geplante Sommerreise durch Museen auf dem europäischen Festland. Ab hier bewegt sich der Roman auf zwei Schienen: Douglas erzählt, wie es weitergeht und schildert in vielen kleinen Rückblenden die Phase des Kennenlernens, als sie beide Endzwanziger waren, und die ersten Ehejahre. Und der Leser will bis zum Schluss wissen: Bleiben sie zusammen oder nicht? Leicht konsumierbar: David Nicholls schreibt kurze, markante Kapitelchen,…
- Auswandern, Buch, Europa, Gut, Hot Country Entertainment, Interkulturell, Lustig, Reise, Reisebuch, Sachbuch, Spanien, Westlich
Rezension Andalusien-Buch: Last Days of the Bus Club, von Chris Stewart (2014, 4. Teil der Reihe „Driving over Lemons“) – 7 Sterne
Chris Stewart erzählt weitere Geschichten seines Auswanderer-Lebens: Der Engländer wohnt seit 20 Jahren mit Frau und Kind auf einer entlegenen Farm in den andalusischen Alpujarras. Mit Driving over Lemons und zwei Nachfolgebänden landete er große Erfolge. Und hier im vierten Teil (erschienen im Juni 2014) geht es in gewohnter Manier weiter: Chris Stewart spottet über sich selbst, über den Blick der Spanier oder seiner Teenager-Tochter auf ihn, er erzählt mit Wärme und Sinn für die treffende Pointe. Ich habe von Anfang an gekichert und konnte bis zum Buchende kaum aufhören. Die Vorgängerbände muss man nicht unbedingt kennen. Der titelgebende Bus Club ist eine Versammlung von drei Vätern, die ihre Kinder…
-
Buchrezension: Der Weg nach Surabaya, von Christoph Ransmayr (Reportagen & Dankreden, 1997) – 7 Sterne
Auf rund 230 Seiten bringt Christoph Ransmayr 16 Reportagen und Kurztexte über nahe und ferne Gebiete, entstanden zwischen 1979 und 1996. Das Titelstück berichtet zwar aus Indonesien; doch die Mehrzahl der Artikel handelt von Europa: jeweils mehrfach Deutschland und Österreich, dann auch Italien und Polen; oft geht es um alte Menschen in Dörfern. Gut geschrieben: Die ersten vier Stücke sind meisterlich: Im Merian-Bericht über die Hallig Hooge reiht Ransmayr die Bewohner des Inselchens – nein, der Hallig – auf wie an einer Perlenkette, und nebenbei fädelt er die Geschichte des eigenwilligen Fleckens mit ein. Die Atmosphäre ist klar und eindeutig. Ähnlich erscheint der Text über den oberbayerischen Weiler Habach. Der…
- Buch, Europa, Gut, Historisches Buch, Hot Country Entertainment, Interkulturell, Mediterran, Reise, Reisebuch, Sachbuch, Spanien, Westlich
Rezension Reise-Kultur-Buch Spanien: Between Hopes and Memories. A Spanish Journey, von Michael Jacobs (1994) – 8 Sterne
Jacobs schreibt auf 410 eng bedruckten Seiten ausführlich über seine lange Spanienreise 1991, berichtet aber auch von ausgedehnten früheren Spanien-Besuchen, zitiert aus der Geschichte und aus sehr vielen oft sehr alten Büchern. Speziell die Literatur und literarische Figuren haben es Jacobs angetan, ebenso Maler; aber wir lernen auch Busfahrer, Pfarrer und viele Freunde des Autors kennen. Altes und Neues: Diese Wechsel zwischen alten und neuen Reisen, Berichten über Bekannte, über historische Figuren und über historische Berichte über historische Figuren erzeugen Sprünge, machen das Buch gelegentlich heterogen. Zu diesem unausgewogenen Eindruck schreibt der Independant: „It does not really describe a journey at all, but a whole mosaic of journeys, some of…
- Auswandern, Biographie, Buch, Deutschland, Gut, Hot Country Entertainment, Italien, Lustig, Mediterran, Sachbuch
Buchkritik: Spätzle al Dente, von Luigi Brogna (über Italiener in Deutschland, 2007) – 7 Sterne
Also das sind interessante Einblicke: eine italienische Familie zieht 1971 von Sizilien ins Schwabenland und bleibt dort viele Jahre. Wir lernen einiges über Anpassungsschwierigkeiten bei Italienern und Schwaben, über unterschiedliche und wandelnde Formen von Heimweh – und über grauenhafte Ausländerfeindlichkeit. Interessant auch die Italienurlaube der Gastarbeiter, die ihre Heimatstadt Messina bald mit halb deutschen Augen sehen. Die Kinder passen sich besser an Deutschland an als die Erwachsenen, die ihre rigiden sizilianischen Moralvorstellungen auch im Schwäbischen durchsetzen wollen; das gibt Krach. So schreibt Brogna über sein Leben: Gleichzeitig ist das Buch (bei Amazon) die Jugendgeschichte des Ich-Erzählers, in einem etwas naiven Ton vorgetragen. Ich hätte mir sehr gewünscht, dass er einzelne…
-
Romankritik englische Medien-Satire: Everyone’s Gone to The Moon, von Philip Norman (1995) – 7 Sterne
1996: Der blasse Louis Brennan, 22, wird Topjournalist bei der schicken Farbbeilage, nein, beim Magazin des Londoner Wochenblattes Sunday Dispatch. Große Teile des Romans beschreiben Leben, Liebe und Intrigen in der Redaktion – und in den Swinging Sixties. Fazit: Norman schreibt mit Insiderkenntnis, spannenden Intrigen, deftiger Satire, ausgeprägten Charakteren und eleganten Worten – umso verblüffender, dass der Roman auch reichlich Sprachfehler liefert (ich hatte die englische Arrow-Ausgabe). Es gibt kaum Leerlauf. Auch wenn alles wild übertrieben klingt, ich konnte das Buch kaum weglegen. Hintergründe: Philip Norman fiktionalisiert (und glorifiziert) hier seinen eigenen Einstieg bei der Sunday Times. Im Roman heißt das Blatt Sunday Dispatch – eine Zeitung, die unter diesem…
-
Rezension Berlin-Roman: Menschen im Hotel, von Vicki Baum (1929) – 7 Sterne
Über weite Strecken eine schwungvolle Satire (von 1929). Schön, wie Vicki Baum die Schicksale verknüpft und einen Reigen wechselnder Begegnungen und Beziehungen auf engem Raum herstellt. Flotte Handlung: Die Handlung schnurrt schwungvoll durch wie ein gut aufgezogener Spielautomat, mit immer neuen Wendungen um die immer selbe Achse herum – das Hotel (weit flüssiger als der zu lose Hotelroman Hotel Honolulu von Paul Theroux). Die Personen offenbaren nicht sonderlich viel Seelentiefe, sie erscheinen eher als Spielfiguren, von Baum auf dem Hotelparkett vergnügt hin- und herbugsiert (der Hotelreigen in dieser Epoche erinnerte mich auch an Drei Männer im Schnee von Erich Kästner). Ähnlich wie in Baums Liebe und Tod auf Bali ist…
-
Spanien-Sachbuch: Gebrauchsanweisung für Spanien, von Paul Ingendaay (2007) – 6 Sterne
Ingendaay beschreibt die Spanier mit erkennbarer Sympathie und mild schmunzelnder Ironie. Er liefert interessante Beobachtungen und flicht öfter auch spanische Ausdrücke ein – doch fehlt beim Thema Duzen oder Siezen jegliches Beispiel in Spanisch. Die Kapitel scheinen vorderhand bestimmten Kategorien wie Bekanntschaften oder Essen und Trinken zu behandeln, doch Ingendaay wechselt gern in andere Bereiche und die Kapitelüberschriften geben (darum?) selten Aufschluss über den Inhalt. Auf Amazon: Aktuelle Bücher zu Andalusien, Spanien, Auswandern nach Spanien Sehr allgemein: Ganz überwiegend verallgemeinert Ingendaay, nur selten redet er über einzelne Personen oder spezielle Reisen. Mir scheinen die Spanier weitaus individualistischer als die Portugiesen, deshalb sollte man sie eigentlich nicht so über einen einzigen…
-
Kindheitserinnerung Sizilien: Das Kind unterm Salatblatt, von Luigi Brogna (2006) – 6 Sterne
Brogna liefert eine Kette liebenswerter Kinderanekdoten aus der Zeit, als er ungefähr fünf bis zehn war und in Messina, Sizilien, aufwuchs. Er erzählt mit einer naiven Kinderstimme, und das Ergebnis klingt wie das Buch eines Kindes über Kinder und geschrieben *für* Kinder. Ich habe ein paarmal gelacht und gelegentlich gelächelt; allerdings wirkt der Text zwar öfter lustig, aber meist auch banal und naiv ohne doppelten Boden. Die heiteren Geschichtlein lesen sich dabei runter wie Butter (das Buch bei Amazon). So hat das Buch auf mich gewirkt: Brogna liefert 350 Seiten lang eine Schnurre nach der anderen, mal ein Unfall oder eine Schlange im Brunnen, mal der Nagel in Signor Antonios…
-
Rezension England-Nigeria-Roman: Nur ein Teil von Dir, engl. A Bit of Difference, von Sefi Atta (2012) – 6 Sterne – mit Presse-Links
Die Afrikanerin Deola stammt aus reichem Elternhaus in Nigeria, lebt jedoch seit Jahrzehnten in England. Sie hat dort einen guten Job und einen britischen Pass. Deola ist 39, Single und kinderlos, hätte aber gern Nachwuchs. Eine Geschäftsreise nach Lagos verändert ihr Leben. Fazit: Sefi Atta erzählt mit sparsamen Worten, skizziert mit knappen Dialogen Stimmungen und Empfindsamkeiten, schildert moderne Afro-Europäer zwischen den Kontinenten, liefert einige Einblicke und zeitweise milde Spannung. Allerdings ist die Hauptfigur, aus deren Sicht alles erscheint, langweilig und voreingenommen. Der Afrozentrismus sowie aufreizend leitartikel-artige Dialoge zu Korruption, Entwicklungshilfe und afrikanischer Literatur ermüden – und kontrastieren seltsam mit anderen, sehr feinfühligen Wortwechseln. Einige der zahlreichen Rück- und Seitenblenden wirken…
-
Rezension Spanisch-Buch: Spanisch Wort für Wort (Kauderwelsch-Reihe, 2012) – 8 Sterne
Ich habe bestimmt acht verschiedene Spanisch-Sprachführer (mit Schwerpunkt Spanien, nicht Südamerika) verglichen. Dieser hier gehört zu den ganz wenigen, die einen spanischen Satz nicht nur sinngemäß übersetzen, sondern auch Wort für Wort. Also zum Beispiel: Spanisch: Estoy de acuerdo. Wörtlich: (Ich-) bin von Einigung. Sinngemäß: Ich stimme dem zu. Nur so verstehe ich schnell, wie Sätze gebaut werden, lerne Hilfsverben und typische Präpositionen oder Konjunktionen nebenbei. Es gibt im selben Verlag noch einen anderen Sprachführer speziell für Andalusien nach dem selben Konzept. Er ist aber nicht so übersichtlich und eingängig gestaltet. Der hier besprochene Band zeigt Text in zwei unterschiedlichen Farben, kursiv oder nicht-kursiv – so landet das Auge blitzschnell…
- Annehmbar, Auswandern, Buch, Hot Country Entertainment, Lustig, Mediterran, Reisebuch, Sachbuch, Spanien
Andalusien-Auswanderer-Buch: Chickens, Mules and Two Old Fools, von Victoria Twead (2009) – 5 Sterne
Twead schreibt wohlgemerkt lustig und kurzweilig, aber sie verwendet auch viele abgedroschene, erwartbare Phrasen und wiederholt bestimmte Stilmittel ad nauseam: So enden Kapitel oft im spannendsten Moment, um den Leser ins nächste Kapitel zu ziehen; ihr Mann kratzt sich immer gern zwischen den Beinen; und Nachbar Sancho hat eine schwarze Katze und Flatulenz – und wieder, und wieder. Und wieder. Eigenartig auch, dass sie ein Huhn mit einem four-letter-word benennt und sich an der bei ihrem Mann aufkommenden Eifersucht weidet. Auf Amazon: Bücher zu Andalusien, Spanien, Auswandern nach Spanien Nicht so liebenswert: Das Buch offenbart weniger Herz und weniger Charakter als etwa die mediterranen Auswanderer-Geschichten von Chris Stewart, Annie Haws,…
- Annehmbar, Auswandern, Buch, Hot Country Entertainment, Interkulturell, Mediterran, Reisebuch, Sachbuch, Spanien
Andalusien-Auswanderer: Bottle-brush Tree, von Hugh Seymour Davies – 5 Sterne
Er ist weit gereist und hoch gebildet. Darum findet Hugh Seymour-Davies oft verblüffende Parallelen, interessante Vergleiche und Formulierungen. Er portraitiert seine andalusischen Nachbarn und Handwerker mit nachsichtiger Überlegenheit. Allerdings liefert Seymour-Davies auch sehr langatmige Beschreibungen von Landschaften, Festen, Ernteabläufen und Gebäuden: er will es ganz genau für die Nachwelt festhalten, doch es ermüdet. Einmal schildert der Autor sogar über mehrere Seiten seine Pläne für einen Garten – doch zu dem Zeitpunkt ist völlig unklar, ob er das begehrte Grundstück überhaupt kaufen kann; selbst im gartenversessenen England ist so viel hortologische Träumerei vielleicht übertrieben. Auch die ursprüngliche, unrealistische Wunschvorstellung eines andalusischen Heims wird zu Beginn breit ausgemalt. Warum? Auf Amazon: Aktuelle…
-
Videos zu Bob, der Streuner und zu Bob und wie er die Welt sah