Roman
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Kritik Indien-Roman: Ghachar Ghochar, von Vivek Shanbhag (2013) – 7/10 Sterne
Vivek Shanbagh (*1962) liefert interessante Einblicke in indisches Alltagsleben heute, ingesamt stimmig erzählt. Eine Zwei-Generationen-Familie scheint vor dem Abgrund zu stehen, als der Familienvater und Ernährer den Job verliert. Doch sein jüngerer Bruder hat eine erfolgreiche Geschäftsidee, und kurzum bewohnt die Familie sogar ein besseres Haus in einem teuren Viertel. Die Beziehungen zwischen den Akteuren ändern sich. Vivek Shanbaghs Ich-Erzähler klingt ruhig bis souverän, man folgt ihm gern. Er bringt interessante Alltagsdetails etwa über Dampfdruckkocher oder arrangierte Ehen. Der Ich-Erzähler berichtet im Rückblick, mit Zeitsprüngen und vielen Verallgemeinerungen. Darum gibt es nicht viele Dialoge; die wenigen Wortwechsel klingen jedoch reizvoll, oft spannungsreich bis zänkisch. Kellner Vincent tönt fast wie das…
- Annehmbar, Belletristik, Buch, England, Hot Country Entertainment, Indien, Interkulturell, Lustig, Roman
Romankritik: Sari, Jeans und Chilischoten, von Meera Syal (1999, auch Hochzeit auf Indisch, engl. Life Isn’t All Ha Ha Hee Hee) – 6 Sterne – mit 2 Videos
Im Mittelpunkt des Romans stehen drei Mittelschicht-Inderinnen Mitte 30 in London; zwei mit beruflich in London etablierten Indern verheiratet, eine mit einem Weißen liiert. Meera Syal (*1961) beschreibt erkennbar ihr eigenes Leben in der Figur Tania als taffe indischstämmige TV-Macherin. Sie liefert viele witzige Beobachtungen und teils Dialoge. Allerdings packt sie scheinbar alles in den Roman, was ihr auf dem Herzen liegt und widerfuhr, auch wenn es nicht zu den Figuren oder zur Story passt. So franst der Roman aus, werden Figuren überfrachtet, das Ganze wirkt unglaubwürdig – eine Sammlung von Kurzgeschichten oder Sketchen wäre angemessener. Syals Erstling über ihre mittelenglische Jugend, Anita and me, wirkt deutlich geschlossener. Indischstämmige Londoner…
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Romankritik Inder auf Trinidad: Ein Haus für Mr. Biswas, von V.S. Naipaul (1961) – 8 Sterne
Mr. Biswas ist ein armer Tropf: Ein Indischstämmiger auf Trinidad in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, meist knapp bei Kasse, er schlägt sich so durch: Mal hilft er einem Prediger, mal verdingt er sich als Schildermaler, beaufsichtigt Feldarbeiter, schreibt Schmierenartikel oder führt einen Kramladen und lässt alle anschreiben. Irgendwie kommt Mr. Biswas zu einer Frau und einer ganzen Kinderschar, aber das passiert eher zufällig. Sein erstes Haus vergammelt vor der Fertigstellung, dann brennt es auch noch ab. Will er tatsächlich mal Laub verbrennen, springt das Feuer nicht an – doch nachts geht der ganze Hang in Flammen auf. Die Verwandtschaft plagt und verspottet ihn. Seine Grundstimmung ist melancholisch, sein…
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Romankritik: Anita and Me, von Meera Syal (Einwanderer-Roman, 1996) – 7 Sterne – mit Video & Presse-Links
Einfühlsam, informativ und oft lustig, aber nie schrill beschreibt Meera Syal in ihrem Romanerstling gleich drei verschiedene Welten in einer: das Innenleben einer Neun- oder Zehnjährigen, ziemlich frühreif indische Einwanderer im England der 1960er ein englisches Bergbaudorf Das liest sich grundsätzlich interessant, leicht und unterhaltsam; aber Schwächen gibt es auch: So wird Syal mitunter zu belehrend, etwa auf den Seiten über die Folgen der indischen Teilung speziell im Punjab, über Unterschiede in den familiären Beziehungen bei Indern und Engländern und bei Fremdenfeindlichkeit. Die Handlung wirkt dann nicht mehr plausibel, sondern konstruiert. Vielleicht will die Autorin auch zu vieles aus ihrer eigenen Kindheit einbauen. Im ersten Buchteil schweift Syal überdies zu…
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Rezension: Eine gute Partie, von Vikram Seth (Roman 1993, engl. A Suitable Boy) – 7 Sterne – mit Video
Fazit: Epische Saga, die vier große Familien und kaum mehr als ein Jahr beschreibt. Viele starke, gebildete, clevere Dialoge. Häufig mild spannend, jedoch dramatisch nur auf den letzten 200 Seiten. Souverän und rund geschrieben, aber gelegentlich irritieren überhastete Perspektivwechsel, und manche Themen bettet der Autor nicht richtig in die Handlung ein. Gekürzt um ein Drittel oder Viertel wäre der Roman noch stärker. Vikram Seth schreibt gern über milde Exzentriker, vermeidet aber allzu schrille Figuren oder absurde entscheidende Zufälle. Er schreibt weitgehend linear ohne Rückblenden und legt den Witz in Dialoge, nicht in die Erzählstimme. Überblick: Im Mittelpunkt stehen vier städtische nordindische Mittel- und Oberschichtfamilien, deren Kinder untereinander heiraten oder befreundet…
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Rezension Indien-Roman: The Householder, von Ruth Prawer Jhabvala (1960) – 6 Sterne – mit Video
Prem ist ein kleiner, jungverheirateter Junglehrer in Delhi, seine Frau Indu schwanger. Das Geld wird knapp. Prem fühlt sich ständig unsicher und unvorbereitet – schwierige Themen kann er weder bei Indu noch mit Chef oder Vermieter ansprechen. Ständig setzt er Fassaden auf, und jeder Ansatz zu einem ernsten Gespräch geht daneben. Dann lernt Prem auch noch Esoterik-fixierte Europäer kennen. Prawer Jhabvala beschreibt die indische Kleine-Leute-Welt mit viel Spott – die Europäer in Delhi haut sie aber noch deftiger in die Pfanne. Sie erfindet amüsante Dialoge, doch das selbstbesessene Aneinander-Vorbeireden der Akteure wiederholt sich, die Geschichte hat keine Entwicklung und endet im Ungefähren. Amazon-Werbelinks zu Büchern: Ruth Prawer Jhabvala | Indien…
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Rezension Indien-Roman: Amrita: Or to Whom She Will, von Ruth Prawer Jhabvala (1955, dt. Die Liebesheirat bzw. Amrita und Hari) – 7 Sterne
Amrita liebt Hari und Hari liebt Amrita. Sie treffen sich manchmal und raspeln Süßholz. Doch Amritas Familie ist gegen die Verbindung, und Haris Familie ist gegen die Verbindung. Die jungen Leute werden anderweitig verbandelt, für sie gibt es scheinbar keine Zukunft. Der Roman spielt in der indischen Mittelschicht Neu-Delhis in den 1950er Jahren, ohne Europäer. Das Buch erschien unter verschiedenen Titeln: Amrita, To Whom She Will, Amrita or To Whom She Will und auf Deutsch als Liebesheirat (dtv 1990) bzw. als Amrita und Hari. Fazit: Prawer Jhabvala schreibt souverän, kurzweilig und mit interessanten Einblicken. Die Satire ist zeitweise zu deftig und arrogant. Die New York Times meinte: A sharply observed…
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Rezension Indien-Roman: Esmond in India, von Ruth Prawer Jhabvala (1957) – 7 Sterne
Sehr viel passiert hier nicht: Eine Ehe bröckelt, eine wird mühsam eingefädelt, doch Ergebnisse bleiben aus. Ruth Prawer Jhabvala schildert den Alltag mehrerer indischer Mittelschichtfamilien trotz mangelnder Action unterhaltsam und liebevoll ironisch, mit treffenden Details und sehr indischer Atmosphäre – das Essen, die Märkte, die komplizierten Sitten und Traditionen. Amazon-Werbelinks zu Büchern: Ruth Prawer Jhabvala | Indien | Asien Mitunter erinnert die Atmosphäre an Familien-Bollywoods der späten 60er bis frühen 90er Jahre, etwa in Hum Aapke Hain Koun…!: Mehrere indische Generationen leben harmonisch unter einem Dach in entspannter Großbürgerlichkeit und feiern viele Feste – Friede, Freude & Masala, fehlt nur ein Ensemble-Tanz im Garten unter Sternen. Deutlich auch die Parallelen…
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Rezension historischer Indien-Roman: Hitze und Staub, von Ruth Prawer Jhabvala (1975, engl. Heat and Dust) – 7 Sterne – mit Presse-Links & Video
Prawer Jhabvala (1927 – 2013) schreibt nüchtern, teils mild spöttisch über Alltag in der staubigen indischen Provinz – abwechselnd in den 1920er und in den 1970er Jahren. Zeitweise schildert die Autorin Banales in Indien, dann wieder präsentiert sie sehr exzentrische Inder und Engländer. Das unterhält, ist aber kaum typisch. Amazon-Werbelinks zu Büchern: Ruth Prawer Jhabvala | Indien | Asien Die Ich-Erzählerin in diesem kurzen Roman (157 Seiten) reist in den 1970ern in die indische Kleinstadt Satipur, um dort dem Leben ihrer Stiefgroßmutter Olivia nachzuforschen. Die verließ in den 1920er Jahren ihren englischen Mann, um mit einem indischen Kleinfürsten zu leben (das erfahren wir auf der ersten Seite, es kommt nicht…
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Rezension Einwanderer-Roman: Bloß (k)eine Hochzeit, von Bali Rai (2001, engl. (Un)arranged Marriage) – 7 Sterne
Manjit ist in England aufgewachsen, doch seine konservative und ungebildete indische Punjabi-Familie will ihn 17jährig mit einer Punjabi-Frau verheiraten, die er nicht kennt und nicht will. Autor Bali Rai, der in ähnlichen Umständen aufwuchs, schildert vor allem, wie sich der intellektuelle Manjit von seiner Familie abhebt und immer verzweifelter gegen die arrangierte Ehe sträubt – samt einem unfreiwillig langen Aufenthalt in Indien, bis zum dramatischen Finale. Das liest sich lebendig, nicht stereotyp, mit vielen Einblicken und mehreren sehr spannenden Passagen. Sitten und Gebräuche erklärt der Autor manchmal zu pädagogisch aufdringlich. Das Stehlen, Saufen und die Straßensprache öden an, aber es gehört wohl dazu. Sehr mechanisch träumt Manjit einmal von einer…
- Annehmbar, Belletristik, Buch, England, Historisches Buch, Hot Country Entertainment, Indien, Interkulturell, Roman
Rezension historischer England-Raj-Roman: Teerose und Sandelholz, von Julia Gregson (2008, engl. East of the Sun) – 6 Sterne – mit Presse-Links
Drei junge Frauen und ein junger Mann reisen 1928 gemeinsam von England nach Indien – mit ganz unterschiedlichen Plänen und Vorstellungen. Es geht um Heirat, berufliche Veränderungen und dunkle Geheimnisse aus der Vergangenheit. Der Roman spielt überwiegend in Indien (vor allem Bombay, außerdem Poona, Ooty, Simla, Nordwestgrenze), zum kleineren Teil auch in England und auf dem P&O-Dampfer. Stil: Gregson schreibt mit vielen kleinen, überraschenden Details, als ob sie die historischen Szenen in England und Indien selbst miterlebt und gleich für die Nachwelt notiert hätte (für Buchrecherchen reiste sie zweimal nach Indien (Quelle) und stimmte sich mit vielen Experten ab). Auch Gefühle gibt Gregson detailliert, und in den ersten zwei Dritteln…
- Belletristik, Buch, Dokumentation, Film, Gut, Historisches Buch, Hot Country Entertainment, Indien, Indien-Film (außer Bollywood), Interkulturell, Roman, Sachbuch, Spielfilm
Filme und Bücher über Weiße in Indien (Auswahl) – mit 5 Videos
In diesen Filmen und Büchern (Auswahl) agieren Europäer oder Amerikaner in Indien – von den Anfängen der Kolonialzeit bis heute: Filme: 2015, Filmkomödie engl. Rentner in Indien: Best Exotic Marigold Hotel 2 2014, Filmkomödie Bayern in Indien: Beste Chance (Regie Markus H. Rosenmüller) 2014, Doku Bayerin liebt Inder: Amma und Appa 2011, Filmkomödie engl. Rentner in Indien: Best Exotic Marigold Hotel 1 2010, Biopic-Komödie Selbsterfahrung: Eat Pray Love – mit Julia Roberts, nach dem gleichnamigen Erfolgsbuch von 2006, nur teils in Indien 2006, Filmkomödie US-Manager in indischem Callcenter: Outsourced 2004, Semi-Bollywood-Komödie: Liebe lieber indisch (engl. Bride & Prejudice, mit Aishwarya Rai) 1984, Historisches Filmdrama um Engländer in Indien: Reise nach…
- Belletristik, Buch, Gut, Hot Country Entertainment, Indien, Interkulturell, Kurzgeschichten, Reise, Roman
Buchkritik: The Elephanta Suite, von Paul Theroux (2007) – 7 Sterne
In drei längeren Erzählungen à 80 bis 100 Seiten beschreibt Paul Theroux Amerikaner, die teils beunruhigende Begegnungen mit der indischen Realität haben – jenseits üblicher Reiseerlebnisse in Indien. Dabei geht es um sexuelle Abenteuer, Käuflichkeit und finanzielle Macht, Schuldgefühle und Angst vor der Fremde und um Spirituelles: Ein reiches älteres Unternehmer-Ehepaar bandelt mit armen Hotelangestellten an; ein US-Manager in Mumbai lässt sich von jungen Mädchen in eine dreckige Gasse locken; eine Rucksacktouristin macht Erfahrungen im Ashram und im Call Center. Theroux schreibt jeweils aus Sicht der Amerikaner, schildert die indische Realität aus ihrer Sicht als befremdlich bis abstoßend. Personen und Raum verbinden die Geschichten äußerst lose miteinander, es gibt jedoch…
- Afrika, Asien, Belletristik, Buch, Historisches Buch, Hot Country Entertainment, Indien, Interkulturell, Roman
Presse-Links zur fiktionalisierten Richard-Francis-Burton-Biografie Der Weltensammler von Ilija Trojanow (2006)
Im Vorwort des 500-Seiten-Buchs heißt es: Obwohl einige Äußerungen und Formulierungen von Burton in den Text eingeflochten wurden, sind die Romanfiguren sowie die Handlung überwiegend ein Produkt der Fantasie des Autors… Als ich Der Weltensammler anfing, kannte ich schon drei englische Biografien zu Richard Francis Burton, außerdem den Burton-Film Mountains of the Moon/Land der schwarzen Sonne und Teile des fiktionalisierten Berichts Speke & Burton, der dem Film zugrunde liegt (Übersichten und Links unten). Mit dem Weltensammler wurde ich nicht warm. Die Sprache wirkt elegisch, Dialog wächsern, Dialogsätze beginnen mit Spiegelstrich und ohne Anführungszeichen, erscheinen gelegentlich aber auch wie ein Theaterstück gesetzt. Auch Stichproben im Buchinnern besserten den Eindruck nicht –…
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Rezension Indien-Roman: Der weiße Tiger, von Aravind Adiga (2008) – 9 Sterne – mit Video
Der indische Ich-Erzähler Balram Halwai watet jahrzehntelang durch ein Meer an Demütigungen und Misshandlungen: Die Jugend in einem Elendsdorf, der Fahrer-Job in der Provinzhauptstadt und in Delhi, die Selbständigkeit in Bangalore – Balram stößt nur auf Korrupte, Verlogene, Faule, Gemeine, Verderbte, Brutale. Um aufzusteigen, spielt er das schäbige Spiel ohne größere Skrupel mit. Selbst in der englischen Originalfassung, The White Tiger, konnte ich die Geschichte glatt herunterlesen. Kaum ein in Englisch gelesenes Buch hat mich je so gefesselt, abgesehen von T.C. Boyles „América“ und Tom Wolfes Romanen „Bonfires of Vanity“ und „A Man in Full“ (die deutsche Tiger-Übersetzung wird in allen Rezensionen gelobt, ich kenne sie aber nicht). Nichts für…
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Rezension US-Indien-Roman: Der Namensvetter, von Jhumpa Lahiri (2003) – 8 Sterne
Lahiri macht fast alles richtig, da sitzt jedes Wort. Stimmungen und Szenen erscheinen glasklar, es gibt keinen Misston und kein pompöses Wortgeklingel aus dem Creative Writing-Kurs (ich hatte das englische Original, The Namesake). Souverän, wie die Autorin in ihrem Debutroman einzelne Szenen und Gefühle vertieft, dann Jahre überspringt, aber wiederholt auch zurückblendet – und alles behend in Fluss hält. Nach Einstiegsschwierigkeiten fesselte mich kaum je ein Buch so; von der ersten bis zur letzten Buchseite habe ich Fernseher und Zeitungen nicht mehr angerührt. Modernes, unaufdringliches, sehr genaues Multikultur-Entertainment. Jhumpa Lahiri greift ein typisches V.S. Naipaul-Thema auf: Inder entfremdet in der Fremde; in der Hauptrolle steht ein Inder in den USA…
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Rezension Mumbai-Roman: Letzter Mann im Turm, von Aravind Adiga (2011) – 8 Sterne
Was mir gefallen hat: viele kleine, aber sehr signifikante Details und Gedanken (z.B. wie sich eine Blinde an Schäden in der Mauer oder an Gerüchen orientiert) aufschlussreich die Veränderungen in der Hausgemeinschaft nach dem großzügigen Geldangebot des Unternehmers jederzeit sehr spannend, ich habe meinen üblichen Medienkonsum für dieses Buch deutlich geändert interessante Einblicke in die indische Mittelschicht (aber weniger spektakulär als bei Aravind Adigas fantastischem Roman Der weiße Tiger) die Vielzahl der Hausbewohner bringt Adiga übersichtlich ins Spiel, auch wenn einzelne Figuren zu selten erscheinen, so die Frau des Maklers Ajwani sprachlich jederzeit virtuos, auch mit verschiedenen Soziolekten und Stilen und sogar mit englischen Sprachspielen; mitunter vielleicht schon zu blümerant…
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Rezension Indien-Roman: Ernste Männer bzw. Genie ist relativ, von Manu Joseph (2010, engl. Serious Men) – 7 Sterne
Mir gefiel: witziger, teils zynischer Erzählton (ich hatte die englische Ausgabe, Serious Men) Handlung teils skurril und unterhaltsam zeitweise spannend Mir gefiel weniger: die zwei Geschichten des Institutsleiters und seines Sekretärs sind über weite Strecken zu lose verbunden, man liest fast zwei getrennte Handlungen das Institut im Mittelpunkt des Romans wirkt sehr unrealistisch, wie auch größere Buchteile unrealistisch erscheinen (der Roman enthält weniger Indien als etwa zehn Seiten von Aravind Adiga; aber es gibt ein paar Seiten im chawl, auf der Straße, mit Protesten und blasierten Ministern) Kastengegensätze und christliches Missionieren erscheinen zu oft zu viele wissenschaftliche und philosophische Grübeleien Ton teils zu männlich-herb der Roman erschien auf Deutsch sowohl…
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Witziger Indien-Roman: 2 States: The Story of my Marriage, von Chetan Bhagat (2009) – mit Video – 7 Sterne
Wieviel davon stammt direkt aus dem Leben des Autors? Das ist die Frage, wenn Hauptdarsteller und Hauptdarstellerin deutliche Züge des Verfassers und seiner Angetrauten zeigen. Chetan und Anusha Bhagat betonen den fiktionalen Charakter von 2 States. Die Dialoge sind sicherlich nicht 1:1 mitstenographiert: Sie klingen über weite Teile zu clever, zu scharf und pointiert. Spannend von Anfang an: Erfolgsautor Chetan Bhagat schreibt zunächst smart, schnell, cool, fesselt ab der ersten Zeile. Die staubtrockenen Wortwechsel haben mich öfter vom Sessel gehauen. Sogar die Widmung vor dem Prolog hat schon einen speziellen Kick. Ein haarsträubendes Minidrama folgt aufs nächste: der Heiratsantrag, das erste Aufeinandertreffen der Eltern, das Jobinterview. Dabei geht es erst…
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Rezension USA-Indien-Roman: Das Tiefland, von Jhumpa Lahiri (2013, engl. The Lowland) – 7 Sterne
Jhumpa Lahiri schreibt psychologisch dicht, einfühlsam, und wahrt dabei immer eine einfache, fast lakonische, unaufgeregte Sprache, die ich auch im englischen Original „The Lowland“ leicht lesen konnte. Wichtige Elemente der Geschichte sind plötzliche Beziehungsabbrüche, Einsamkeit und die Nachwirkungen politischer Gewalt. Interessant wirken kurze, unaufdringliche Ausflüge in die Geschichte und in die Wissensgebiete der Buchfiguren, so etwa in Philosophie, Ökologie und die indische Naxalite-Bewegung. Erlesenes Essen steht hier weniger im Vordergrund als in anderen Lahiri-Veröffentlichungen. Damit kenne ich nun die vier bisherigen Lahiri-Bücher; alle sind exzellent, doch dieses hier ist relativ das Schwächste. So klingt Lahiri mitunter schon etwas zu „achtsam“, zu elegisch säuselnd, betulich melancholisch; es gibt keine Ausrufezeichen, keinen…
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Rezension Indien-Roman: Mister Alis Hochzeitsagentur für hoffnungslose Fälle – The Marriage Bureau for Rich People, von Farahad Zama (2008) – 7 Sterne
Behagliche Bürgergemütlichkeit in Visakhapatnam (Vizag), Andhra Pradesh, Indien: Das Rentner-Ehepaar Herr und Frau Ali eröffnet zu Hause eine Heiratsvermittlung, damit Staatsdiener a.D. Herr Ali die Gemahlin nicht immer bei der Hausarbeit stört. Mit viel Witz und etwas Schlitzohrigkeit verfügen die Alis schon bald über eine gut gefüllte Interessentenkartei. Besonders gut gehen gleich zu Beginn Mitglieder der Kapu-Kaste, Unterkaste: Baliga. Diese doch sehr fremdartige Welt schildert Farahad Zama so beiläufig und selbstverständlich, dass man sich bei den sympathischen Alis kurzum zuhause fühlt und selbst nach einer Braut fragen möchte. Dabei steckt das detailreiche Buch voller Indien: Wir erleben all die seltsamen Gebräuche ums Heiraten herum, sind aber auch beim Kochen dabei…
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Indien-Krimi-Roman: Inspektor Ghote geht nach Bollywood – Filmi, Filmi Inspector Ghote, von H.R.F. Keating (1976) – 4 Sterne
Die deutsche Ausgabe – Inspektor Ghote geht nach Bollywood – habe ich nach vier Seiten aus dem Fenster geworfen. Sie stammt vom Unionsverlag, eine vorhandene ältere Übersetzung wurde hier „überarbeitet und ergänzt“. Wie bitte? Ein paar Ausdrücke der ersten Seiten: „Werbe-Schreibstifte“ „zweifelbeladene Gedanken“ „seine Befürchtungen hinsichtlich seiner Fähigkeit“ „ein Darsteller von Schurken“ „Türhüter“ Zur deutschen Übersetzung: Komplette eingedeutschte Sätze klingen ebenso wie die einzelnen Ausdrücke: lang, unaufgeräumt und allzuwörtlich dem Englischen nachgebaut. So hilflos, so entstellend texten nicht mal deutsche Computerzeitschriften oder Social-Media-Plauderer. Also musste eine englische Ausgabe her – Filmi, Filmi Inspector Ghote – gefunden gebraucht für 70 Cents plus drei Euro Versand aus USA. Darauf musste ich einige…
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Indien-Studenten-Roman: Five Point Someone, von Chetan Bhagat (2004) – 6 Sterne
Bhagat schreibt äußerst flüssig, ich habe das sehr zügig gelesen. Einige Kapitel gegen Ende sind auch spannend und mitunter ungehemmt schmalzig – Bollywood gedruckt. Im Mittelpunkt stehen drei Studenten und ihre oft banalen Jungmännergedanken: Arbeit vermeiden, Frauen beschlafen, Alkohol, Kumpeltum. Mitunter ist mir der Ton zu vulgär, und Frauen spielen in der Handlung selbst nur Nebenrollen. Mitunter müffelt Five Point Someone regelrecht nach Herrensekreten. (Auch der Bollywood-Hit 3 Idiots, der sich vage an Five Point Someone orientiert, ist vulgär; das Buch gefällt mir etwas besser als der Film, vielleicht weil man es sich in der Fantasie dezenter vorstellt als im gern unangenehm direkten Film.) Wieviel Indien steckt im Roman? Der…
- Annehmbar, Asien, Belletristik, Buch, Hot Country Entertainment, Indien, Interkulturell, Reise, Roman
Rezension Mumbai-Roman: Shantaram, von Gregory David Roberts (2003) – 5 Sterne – mit Pressespiegel
Der Ich-Erzähler ist aus dem Gefängnis geflohen und landet mit falschem Pass im Mumbai der Achtziger Jahre. Dort trifft er viele skurrile Inder und Nicht-Inder, lebt im Slum, wird Mafiabaron, reist zu Pferd durch Afghanistan und Pakistan. Die Geschichte ist zum Teil wahr, aber viele authentisch klingende Passagen sind evtl. erfunden (dazu englische Wikipedia). Shantaram wurde zum Bestseller. Meine englische Taschenbuchausgabe hat 933 mitteldicht bedruckte Seiten, wiegt 662 Gramm und ist 4,9 Zentimeter dick. Die deutsche Ausgabe hat offenbar insgesamt 1088 Seiten (ich kenne sie aber nicht und kann die Übersetzung nicht beurteilen). Eine Verfilmung des Bestsellers ist offenbar in Entwicklung, der Nachfolgeband zu Shantaram heißt Mountain Shadow. Fazit: Zunächst…