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Buchkritik, Filmkritik: An Education, von Nick Hornby (2009), von Nick Hornby – 8 Sterne – mit Video, Hintergründen & Links
Das Drehbuch (2009): Hornby schreibt scharfe Dialoge: kultiviert, witzig, psychologisch genau und zugleich hintergründig bedrohlich in der Annäherung des charmant-öligen Älteren an die 16jährige Bürgertochter Jenny. Dazu kommen die vielen schnellen Szenenwechsel und die anstehenden Entwicklungen – ich konnte die dünne Fibel kaum weglegen. Nick Hornby bei Amazon Dies ist ein Drehbuch mit Dialogen. Doch in den mitgedruckten Regieanweisungen schildert Nick Hornby (*1957) knapp auch Gefühle, Mimik und Gedanken seiner Figuren. Der Text liest sich perfekt – wie ein Roman – und dürfte nicht anders sein (dt. u. engl. Titel An Education; ich kenne nur das engl. Original und kann die Eindeutschung nicht beurteilen). Ein paar Details schwächen den Text:…
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Filmkritik Komödie: Wie gut ist deine Beziehung (2019, mit Julia Koschitz) – 5 Sterne – mit Video
Wenn Männer zu sehr lieben, dann werden sie krankhaft dämlich: Diese Berliner Hipster-Soap liefert zwar ein paar pfiffige Sprüche und überraschende Wendungen. Sie ächzt aber auch unter all dem dummen, unrealistischen Gerede, das die IT- und Agenturfritzen weinerlich aufsagen, sobald sie mal vom Rad steigen. Hier agieren Warmduscher und verkrampfte Frauenversteher, die auch noch „Steve“ und „Bob“ heißen. Und dass ein IT-Profi wichtige Passwörter auf Post-its im Büro notiert, passiert wohl nicht mal in Berlin. Immerhin liefert Autor-Regisseur-Produzent Ralf Westhoff eine neue Grundidee für eine romantische Komödie: Ein Paar ist glücklich, will nichts ändern, und sprengt doch das achtsam-nachhaltige Beziehungsidyll mit fehlgeleiteter Beflissenheit. Die Geschichte endet dann aber banal genre-typisch.…
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Mein Eindruck vom Kinofilm My Week with Marilyn (2011) – mit Video
Dies ist keine Kritik. Ich wollte nur sagen, dass ich die Marilyn-Monroe-Verkörperung durch Michelle Williams zu Beginn für lachhaft und gescheitert hielt. Doch bald schon sah ich die Blondine in der Hauptrolle nicht mehr als Monroe, sondern als eigenständige – ziemlich wunderliche – Figur. Noch weniger glaubte ich an die junge Marilyn in 1957, als ihrer Darstellerin eine auf uralt getrimmte, aber unverkennbare Judi Dench gegenüberstand – die zwei Frauen passen nicht in eine Epoche (Dench ist rund acht Jahre jünger als die echte Monroe, spielt aber die Schauspielerin Sybil Thorndike, rund 45 Jahre älter als Monroe). Freie Assoziationen: Wie so oft bei historischen Filmen erschienen mir auch hier Kulissen,…
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Filmschmäh: Late Show (1999, Regie Helmut Dietl, mit Thomas Gottschalk, Veronica Ferres) – mit Video
Ich scheiß euch sowas von zu mit meinen Stars, dass ihr keine ruhige Minute mehr habt. Das dachte sich wohl Helmut Dietl, Schöpfer der zauberhaften Serie Kir Royal, und so castete er für seine Holzhammersatire Late Show die Supernasen am deutschen Fernsehmarkt en bloc: nicht nur, aber auch Thomas Gottschalk, Veronica Ferres, Harald Schmidt, Jasmin Tabatabai, Olli Dittrich, Andrea Sawatzki, Sabine Orléans und Gaby Dohm. Heraus kam grottendämliches Pennäleramateurtheater mit grellen Übertreibungen: Ferres als blondes Ökodummchen, Sawatzki als heulende Sekreteuse, Orléans als brünstig-exhibitionistische Taxlerin, Tabatabai ein grimmes Mannsweib, Schmidt der coole Machomacker usw. usf. Es gab zwischendurch ein, zwei vergnügliche Einzeiler. Dann raspelte wieder der ganz grobe Scherzkekshobel. Beim Dreh…
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Kritik romantische Komödie: Es ist kompliziert (2015) – 7 Sterne – mit Video
Das ist fast schon Cool Britannia: Die Figuren in dieser Komödie agieren lässig, selbstironisch und witzig, ohne dabei flach, schrill oder allzu melodramatisch zu geraten. (Zunächst.) Das Szenario hat was: Der Mann spricht eine Frau an, die er für seine Blind-Date-Verabredung hält; sie lässt sich von ihm einladen, obwohl sie gar nicht die Gesuchte ist. Dem folgt eine durchgequasselte Londoner Kneipentour mit Lachen, Weinen, Tanz und Streit. Dazu läuft viel muntere Popmusik. Im zweiten Teil liefern Regisseur Ben Palmer und Autorin Tess Morris dann doch alles nach, was man bei handelsüblichen Romantischen Komödien erwartet: Vulgarität, Schrillität, Tränendrüsenattacken, Unrealismus, und das Ende muss man nicht verraten. Fast scheint die Klischeeorgie im…
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Annehmbar, Deutschland, Deutschland-Film, Film, Hot Country Entertainment, Interkulturell, Spielfilm
Kritik TV-Spielfilm: Leberkäseland (2015) – 6 Sterne – mit Video
Moderne türkische Familie mit drei Kindern zieht ins Wirtschaftswunderdeutschland. Er wird dort Zahnarzt, sie Matheprofessorin. Zum prügelnden Relilehrer sagt die Frau: „Meine Kinder sind Atheisten. Schlagen Sie sie niemals.“ Das ist gegen alle interkulturellen Klischees, und damit spielt der TV-Film etwas aufdringlich: die Deutschen sind religiöser, spießiger, bornierter und chaotischer als die Überflieger aus Istanbul. Allerdings will auch in dieser modernen Familie der Mann die Frau unterdrücken, und das sehr klischiert (Drehbuch und Regie Nils Willbrandt). Als ARD-Degeto-Produktion ist auch Leberkäseland natürlich ausgestattet wie die Hochglanzpostkarte aus einer anderen Welt. Immerhin beschert uns der Edel-Chic auch eine anbetungswürdige (Deutsch-Perserin) Neda Rahmanian in der weiblichen Hauptrolle, gegen sie verblasst die männliche…
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Kritik TV-Spielfilm: Verratenes Glück (2018) – 7 Sterne – mit Video
Ein ruhiger, stimmungsvoller TV-Spielfilm um ein arriviertes Ehepaar mit einem Ehemann auf Abwegen (Xavier Lemaître, Isabelle Carré; Regie Philippe Harel). Besonders gefällt mir Roxane Arnal als junge, unsichere Ehebrecherin, die ganz bei sich ist; sie erhielt einen Nachwuchspreis, ist aber zur Filmmitte bereits im Off. Das Ganze ist betont geschmackvoll ausgestattet und abgelichtet. Der Film spielt in Paris, doch das lässt sich kaum ahnen, und Overtourism-Hotspots meidet die Kamera. Ein paar Dinge störten mich auch: Warum heuert die junge, unsichere Ehebrecherin ausgerechnet in der Teestube der betrogenen Ehefrau an? Eine Motivation dafür ist nicht zu erkennen Der betrügende Ehemann speichert Textnachrichten und Nacktfotos seiner Geliebten auf seinem Handy? Und die…
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Filmkritik: Taxi (2015) – 6 Sterne – mit Video
Rosalie Thomass spielt eine bestechend gutaussehende junge blonde Taxifahrerin, die gelegentlich mit Männern ins Bett geht, aber Beziehungen eigentlich ablehnt – obwohl sie zeitweise eine Beziehung hat und zugleich einen anderen Gelegenheitsmann stalkt. Thomass zeigt die dauergenervte, supercoole Alex sehr sehenswert, und die Kamera von Sonja Rom liefert elegante nächtliche Bilder. Ausdrucksvoll auch Peter Dinklage als enttäuschter Lover, der seine Gefühle im Zaum halten will, und Özgür Karadeniz als sorgengeplagter Taxiunternehmer. Dazu kommen ein paar amüsante Nebenrollen mit eingebildeten Vorstadtgockeln und besoffenen Fahrgästen (Stipe Erceg, Robert Stadlober, Armin Rohde, Eisi Gulp). Alex‘ hektische Helikoptermama (Leslie Malton) ist völlig überzeichnet. Karen Duve schrieb das Drehbuch zu ihrem Taxi-Roman von 2008. Hinter…
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Filmkritik: Love Is All You Need (2012, mit Pierce Brosnan) – 5 Sterne – mit Video
Aufgesetzter könnte die Handlung nicht sein: Trine Dyrhom hat Krebs mit ungewissem Ausgang verliert ihren Ehemann an eine viel Jüngere hat einen Sohn, der als Soldat nach Afghanistan muss und eine schöne Tochter, die in Italien einen frauenfeindlichen Schwulen heiraten will rammt aber erst noch mit ihrem Kleinwagen das Luxusmobil eines grimmigen Firmenchefs, und das am Flughafen unterwegs zur töchterlichen Hochzeit Wo aber Verdruss ist, wächst das Rettende auch: Der grimmige Firmenchef besitzt nicht nur harte Schale, weichen Kern, sondern auch ein traumhaftes süditalienisches Landgut – es ist Pierce Brosnan, superreich und Single! Da geht doch was? Sind wir nicht in einer Romkom? Anderes wirkt genauso unrealistisch übertrieben: Der vulgär-egoistische…
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Kritik Filmkomödie: Stella di Mare – Hilfe, wir erben ein Schiff (1999) – 7 Sterne
Nett verkrachte Wiener Familie steht ein paar Mal vor dem Ruin, wird aber stets durch Erbschaften und Lottogewinne wundersam gerettet. Im Hauptteil bringen sie eine rostige kleine Mittelmeerjacht in Gang (Regie, Kamera Xaver Schwarzenberger; Buch Ulrike Schwarzenberger; mit Erwin Steinhauer, Ulrike Beimpold, Corinne Cléry). Ein kleiner, gefälliger Spaß, der sich selbst nicht ernst nimmt und nie zu grell wird – trotz Pleiten, Pech und Pannen mit Wasserstürzen, Wohnungsbrand, platzenden Blusen & Blasen, explodierten Mischpulten, verstopften Klos etc. pp. Kombiniert mutig Rocker im Tonstudio, Damenschneiderinnen, Familienleben und Mittelmeerjachthäfen samt Bootsführerscheinprüfung und ein paar Italienklischees. Verzichtet auf Hipsein à la ARD-Degeto, alles ist hübsch bieder. Wikipedia zum Film (nur Handlung) Freie Assoziationen:…
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Kritik Filmkomödie: Meeresfrüchte (2005) – 6 Sterne – mit Video
Erst treibt’s nur die Frau mit dem Mann, die Tochter mit dem Motorradboy, der Sohn mit sich. Allmählich aber wird es verwickelt: Die Frau hat noch ’n Mann, ihr Mann hat auch noch ’n Mann, der Sohn kriegt auch noch ’n Mann (oder nicht?), der seinerseits nächtlich – und dann Klempner Didier – Ein munterer, sonnig-selbstironischer Sommerreigen mit mediterranem Flair, ein bisschen Song&Dance, ganz viel liberal-libidinöser Polyamourie, aufdringlichen Anspielungen auf den Geschmack der Meeresfrüchte (frz. Titel Crustacés & Coquillages), letztlich etwas monothematisch (Regie Olivier Ducastel, Jacques Martineau, mit Valeria Bruni Tedeschi, Gilbert Melki).
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Filmkritik: Ein griechischer Sommer (2011) – 7 Sterne – mit Video
Dieser griechische Dorffilm richtet sich an Jugendliche, mag aber auch Oldtimer heiter stimmen. Die Stars: eine Ziege, ein Pelikan und ein paar mediterrane Hügel und Strände, die fast an Mamma Mia erinnern. Die menschlichen Schauspieler sind nichts Besonderes. Und obwohl der Streifen im Deutschen „Ein griechischer Sommer“ heißt, gibt es nur am Rand eine kleine, unbedeutende Nebenromanze (Regie Olivier Horlait). Emir Kusturica spielt einen dauer-muffigen Vater ohne jede Varianz. Sein Film-Sohn Thibault Le Guellec ersteht einen jungen Pelikan und zieht ihn heimlich groß. Dann aber wird der Pelikan zum Star der Insel und lockt Touristen an – Selfie mit Peli ist der Sommertrend, auch wenn der Vogel einem schonmal das…
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Kritik Cousteau-Biopic: Jacques, Entdecker der Ozeane (2016) – 6 Sterne – mit Video
Der Film präsentiert fantastische Bilder aus der Antarktis und von Begegnungen mit Haien, Robben und Walen. Doch Musik sülzt diese Edelszenen zu. Und auch inhaltlich enttäuscht das Biopic: Es zeigt die 30 wichtigsten Jahre im Leben von Jacques-Yves Cousteau (1910 – 1997). Der Franzose war nicht nicht nur Meeresforscher, Fotograf, Filmer und Autor, sondern auch Militärheld, Erfinder, Unternehmer in steten Geldnöten, Familienvater, außerfamiliärer Vater, Umweltzerstörer, Umweltschützer usw. usf. Diese vielen Cousteau-Facetten hakt der Streifen atemlos stichwortartig ab, stets bleiben Fragen offen – am besten kennt man Cousteaus Leben vorher schon. Nur die Auseinandersetzung mit dem kritischen Sohn Philippe Cousteau (Pierre Niney) bringt etwas echte Dramahandlung (Regie, Co-Autor Jérôme Salle). Lambert…
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Filmkritik: Das Leben ist ein Fest (2018) – 7 Sterne – mit Video
Ein französischer Hochzeitsplaner und sein chaotisches Team richten eine Nobelhochzeit im Schloss aus. Da gibt’s allerlei Chaos mit verdorbenem Essen, unwilligen Angestellten, ehrgeizigen Showsängern und natürlich Liebeshändeln. Im Vordergrund stehen die Bediensteten, die Hochzeitsgesellschaft bleibt in der Kulisse. Gelegentlich erklingt perkussive Jazzmusik – eingespielt von Jazzer Avishai Cohen. Die Regisseure und Autoren Olivier Nakache und Éric Toledano hatten 2011 einen Riesenhit mit Ziemlich beste Freunde gehabt. Ihre Komödie Das Leben ist ein Fest ist halbwegs albern, aber nie grell und peinlich. Einige Figuren sind schlecht definiert, ihr Charakter bleibt unklar oder widersprüchlich. Diese französische Komödie hat sicher viel Wortwitz. Auch die deutsche Synchronisation liefert einige pfiffige Ideen, sie wirkt keinesfalls…
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Filmkritik: Immer Drama um Tamara (2010) – 7 Sterne – mit Video
Ausgefeilt Psychologisieren wollte Regisseur Stephen Frears sicher nicht. Aber er produzierte eine stets kurzweilige, relativ intelligente Komödie, die Klischees vom (sehr englischen) Land- und Schriftstellerleben aufspießt, schöne Bilder und Abläufe zeigt. Nur punktuell wird es zu grell oder vulgär, erscheint Ex-Bondgirl Gemma Arterton gar zu knusprig; dafür gibt es viele witzige Einfälle und Figuren, die sich angenehm vom Hollywood- oder Berlin-Mitte-Einerlei abheben, u.a. auch durch ihr mittleres Alter.
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Doku-Kritik: Betrug (2018, von David Spaeth) – 8 Sterne – mit Video
Diese Dokumentation fasziniert inhaltlich und gestalterisch. Sie berichtet von einem Eltern-geführten Kindergarten im reichen München-Schwabing; ein neu hinzugekommener Vater wird Kassenwart und stiehlt tausende Euro. Die anderen Eltern merken es erst, als er sich selbst offenbart – und fast muss der Kindergarten schließen. Es ist eine dieser Langformat-Dokus mit Kino-Ambitionen, in denen keine Stimme aus dem Off die Hintergründe erklärt; man hört nicht einmal Fragen des Interviewers. Fünf, sechs Elternpaare auf ihren Sofas und der Betrüger – ebenfalls auf seinem Sofa – reden in die Kamera. Der Betrüger, „Basti“, wirkt dabei ehrlich, betroffen und reflektiert. Die Elternpaare erscheinen ebenfalls reflektiert, kaum empört, und ähneln sich scheinbar: zurückgenommene Gestik, unaufdringlich gutsituiert,…
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Doku-Kritik: Das Dorf der wilden Tiere (2016) – 5 Sterne – mit Video
Die Doku zeigt allerlei Wildtiere, die in einem idyllischen französischen Dorf leben und nicht in der Wildnis drumherum – Eichhörnchen, Vögel, Mäuse, Siebenschläfer, Marder – sowie hungrige Dorfbesucher wie Wildschweine und Greifvögel. Die Kamera kommt den Darstellern extrem nah, fliegt dann wieder über sie hinweg – so unmittelbare Bilder sieht man selten. Es wirkt wie ein Disney-Trickfilm oder wie ein Jan Haft auf Ecstacy. Und doch, wie man eine Doku mit Effekthuberei verhunzen kann, das präsentiert diese mit allen Filmereitricks der Welt protzende Doku atemlos stolz: zu großen Teilen bewegen sich die Tiere in starker Zeitlupe, man verliert völlig das Gefühl für normale Geschwindigkeit Ess- und Trittgeräusche werden in Zeitlupenszenen…
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Filmkritik: Zwischen zwei Herzen (TV-Spielfilm 2019) – 6 Sterne – mit Video
Die Anziehung zwischen Katrin und Peter ist mit Händen zu greifen, und Anna Schudt sowie Mark Waschke zeigen das eindrucksvoll im Film. Beide sind aber in äußerlich glückliche Ehen eingebunden und wollen nichts riskieren – eigentlich. Doch es britzelt immer mehr. Der TV-Spielfilm fängt mit witzigen, mehrdeutigen Dialogen an – bedingt realistisch, unbedingt vergnüglich. Dann jedoch kommen Misstöne ins TV-Spiel, fast wähnt man einen Wechsel bei den Skriptautoren: Kathrin hält plötzlich eine schmalzige, metapherntriefende Rede unter Tränen; ihr Filmmann (Felix Klare) tut’s ihr am Ende noch gleich und hakt den gemutmaßten Seitensprung mit einem philosophischen Wortspiel ab (Buch Alexandra Maxeiner, Regie Markus Herling). Schade auch: Die ARD-Degeto-Produktion kommt wieder nicht…
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Filmkritik: Alexander, der Lebenskünstler (1968, mit Philippe Noiret) – 7 Sterne – mit Video
Liebenswerter Bauernschwank aus einem französischen Dorf: Bauer Alexandre (Philippe Noiret) wird von seiner Frau jeden Tag per Walkie-Talkie über alle Felder gehetzt. Dann endlich rafft ein gnädiger Unfall das herrische Weib hinweg, und Alexandre legt sich zwei Monate ins Bett; zuvor lässt er noch alle Tiere frei, und zum Einkaufen schickt er sein gewitztes Hundchen. Die Dorfbewohner fürchten jedoch die zersetzende Wirkung von Alexandres Bett-Lager, denn schon legen weitere Bauern Rechen und Mistgabel nieder. Die rechtschaffenen Dörfler wollen Alexandre mit allen Mitteln wieder zur Plackerei bringen. Die Komödie hat viele witzige Ideen und ist deftig politisch unkorrekt, aber nicht verstörend krass. Sie zeigt reihenweise Außenaufnahmen und Landleben pur mit Kürbisfeldern,…
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Filmkritik: Julieta (2016, von Pedro Almodóvar) – 7 Sterne – mit Video
Die Trauer einer Mutter über den Kontaktabbruch der Tochter steht im Mittelpunkt des Films; die Vorgeschichte läuft in langen, meist überschaubar angeordneten Rückblenden durch. Der Kontaktabbruch kam für mich völlig überraschend, ebenso wie die nachgelieferte Begründung für das Abtauchen der Tochter. Die gezeigte Handlung macht das nicht ganz nachvollziehbar. Noch mehr Tragödie liefern zwei Todesfälle, bei denen sich die Hauptfigur mitverantwortlich fühlt, gleich zwei schwer erkrankte, bettlägerige Ehefrauen und chronischer Ehebruch. Emma Suárez und Adriana Ugarte spielen Julieta in unterschiedlichen Jahrzehnten. Ihre kontrolliert trauernden Gesichter prägen den Film. Dabei gibt es keine Tränen, keine Ausbrüche, nur mal Apathie in der Wanne – Pedro Almodóvar wollte es so. Speziell Suárez als…
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Filmkritik: Der letzte schöne Herbsttag (2010, von Ralf Westhoff) – 5 Sterne – mit Video
Was für ein Quasselfilm. Die halbe Zeit reden Julia Koschitz und Felix Hellmann direkt in die Kamera. Ansonsten miteinander, und immer geht es um immergleiches Beziehungsgewuhre. Die im Film etwa 30jährigen gerieren sich wie leicht entflammbare 16jährige. Es ermüdet.(Wie viel besser Koschitz wirkt, wenn sie länger *nicht* redet, sieht man im passend betitelten Film Schweigeminute.) Nach zehn Minuten filmischen Jammer(n)s fragt man sich, warum die Hauptfiguren nicht einfach Schluss machen. Und warum man seinerseits nicht Schluss macht mit diesem Film. Zwar war auch Ralf Westhoffs bemerkenswerter Erstling, seine 2006er Speeddating-Farce Shoppen, ein Quasselfilm; aber der hatte Speed und Witz – im letzten schönen Herbsttag dominiert dagegen nur peploses Selbstmitleid, und…
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Kritik Dokumentation: Deportation Class – 7 Sterne – mit Video
Die Doku zeigt zwei albanische Familien ohne Aufenthaltsberechtigung in Deutschland. Sie werden unerwartet frühmorgens von der Polizei geholt und nach Albanien ausgeflogen. Im letzten Filmdrittel sehen wir das neue Leben der Abgeschobenen in Albanien. Die Doku von Carsten Rau und Hauke Wendler liefert unvertraute Einblicke: Besprechungen bei Polizei und Behörden, Eindringen der Polizisten in die Wohnungen der abzuschiebenden Albaner, die Fahrzeuge Richtung Flughafen, Anwaltskanzleien, die Gymnasialklasse eines abgeschobenen Mädchens und schließlich die neuen Unterkünfte in Albanien. Nur aus dem Flugzeug gibt es keine Bilder. Mit diesen Szenen macht sich die Doku verdient, auch wenn unklar ist, ob die Albaner bei der überraschenden Abschiebung und in Unterhose gefilmt werden wollten. Dass…
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Annehmbar, Deutschland, Deutschland-Film, Dokumentation, Film, Hot Country Entertainment, Interkulturell, Thailand
Filmkritik: Happy. Mein Vater, die Thaifrau und ich – 5 Sterne – mit Video
Deutscher Hobbybauer (60) heiratet Thaifrau (32). Das erzürnt die Hobbybauertochter (31, Regisseurin Carolin Genreith und dritte Hauptfigur in dieser ihrer Dokumentation). Die Tochter kennt Thailand nicht, sie kennt die Thailänderin nicht – doch in den ersten 40 Filmminuten überschüttet sie ihren Vater mit selbstgerechten Vorurteilen. Was sie sich nicht vorstellen kann, darf nicht sein – beziehungsweise, es muss so sein, wie sie es schaudernd und falsch imaginiert. (Von der Webseite zum Film: „Die Tochter denkt: Oh Gott, ist mein Vater jetzt ein Sextourist?“ Dabei weiß sie selbst, dass Vater und Thaifrau sich nicht im Vergnügungsviertel kennenlernten.) Erst nach 40 Minuten zeigt die Dokumentation erstmals Thailand, Thaifrau und Thaifamilie. Auch hier…
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Deutschland, Deutschland-Film, Film, Gut, Hot Country Entertainment, Interkulturell, Komödie, Spielfilm
Kritik TV-Komödie: Lychees weiß blau (1998) – 7 Sterne
16jährige Thailänderin wird als Sexsklavin nach DE entführt, rettet sich aber in ein hinterwäldlerisches Oberbayerndorf. Dort weckt sie Beschützer-, Begatter- und Abwehrinstinkte – und irgendwann mischen sich Tempel- und Blasmusik. Das ist eine naive Heimatkomödie, noch weniger realistisch als möglich, aber nicht extrem grell oder extrem kitschig. Einige Dörfler haben das Herz liebenswert am rechten Fleck, die Bösen sind nicht allzu böse, und man kann ein bisschen Thai lernen (v.a. mit eingeblendeten Untertiteln). Wer nicht zufällig ein Herz für Thailand, Oberbayern und den VW Polo B hat, gewinnt den kleinen Streifen womöglich gar nicht lieb. Selbst schuld. Auf Amazon: Bücher über Thailand, Südostasien, ganz Asien Viele Hauptakteure bei diesem Projekt…
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Kritik Kinokomödie: Das Mädchen Rosemarie (1958, mit Nadja Tiller, Mario Adorf) – 7 Sterne – mit Videos
Was sind die Herren Generaldirektoren und Industriebarone doch für lächerliche Hurenböcke in dieser frechen Schwarzweißsatire von 1958. Mit schwarzen Benzen und unerträglich selbstgefälligem Mundwerk walzen sie im spöttisch choreografierten Gänsemarsch durch die deutsche Wirtschaftswunderkulisse. Sie verfallen verständlicherweise dem hinreißenden Callgirl, das Nadja Tiller mit Verve und konservativem Sexappeal auf die Leinwand stöckelt. Das ist alles sehr dick aufgetragen, teilweise zu pompös, aber es macht Laune – auch wegen des fast blasphemischen running gags auf Kosten eines standing Religionsapostels. Einige chansonesk-dreigroschige Singspiele verstärken den Kleinkunstcharakter der Inszenierung. Nadja Tiller beherrscht den Film souverän vom Anfang bis zu seinem und ihrem Ende. Aber es gibt noch viele andere Charakterköpfe. Ich meine weniger…
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Kritik Kinokomödie: Wir sind die Neuen (2014, von Ralf Westhoff) – 7 Sterne – mit Trailer
Drei Ü50-Altrocker bilden aus Geldgründen eine alternativ angehauchte WG. Schnell kommt’s zu Konflikten mit der WG aus dem 3. Stock – drei spießige, karrieregeile Studenten, examens- und beziehungsbedingt am Rand des Nervenzusammenbruchs. Regisseur und Autor Ralf Westhoff (Shoppen, Der letzte schöne Herbsttag, Wie gut ist deine Beziehung) lässt kein Klischee aus und schert sich nicht um Realitätsnähe. Und trotzdem ist das eine schnelle, vergnügliche Komödie: Zum einen spielt die Ü50-Riege herzerwärmend gut, vor allem Gisela Schneeberger und Heiner Lauterbach. Außerdem gibt’s ein paar herrliche Einzeiler (wenn auch teils unrealistisch gut getextet). Für eine deutsche Produktion insgesamt nicht übel, und die hauptberufliche Kritik war angetan (außerdem mit Michael Wittenborn, Claudia Eisinger,…
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Kritik TV-Spielfilm: Eine zweite Chance auf Glück (2018, mit Émilie Dequenne) – 7 Sterne
Drei kultivierte Paare leben in Trennung, ringen um alte und neue Beziehungen, um Sorgerecht, und suchen „eine zweite Chance auf Glück“. Sie agieren ruhig, überlegt, ohne große Ausbrüche, zugewandt noch im Moment der Enttäuschung; sie leiden still unter stillen Erwartungen der Partner. Seinen angenehm langsamen, nicht-hysterischen, nicht zu unrealistischen und in Frankreich preisgekrönten TV-Spielfilm garniert Regisseur und Mit-Autor Jean-Marc Brondolo mit edlen, wenn auch auf Dauer repetitiven Bildern: von zwei Köpfen ist einer unscharf, dann fokussiert die Kamera auf die Gegenfigur; und das oft in dunklen Räumen leicht blaugetont (u.a. mit Émilie Dequenne, Frédéric Pierrot, Marilyne Canto, Laurent Bateau, François Loriquet, Wim Willaert, Pierre Javaux). Schön arrangiert der Auftritt eines…
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Kritik TV-Krimikomödie: Tödliches Comeback (2019) – 6 Sterne
Ist das eine Tatort-Parodie? Es gibt ölige Zuhälterfiguren, eine billige Disco, Einfamilienhäuser, Polizeistation und Mord. Die Typen agieren alle völlig überzogen, für die Rampe, vor allem Martin Brambach als Tanzmusiker und halbkrimineller Vater eines strebsamen Jungbullen (Martin Brambach). Das amüsiert 15 Minuten, dann aber kennt man Brambachs Gesichtsverrenkungen und Menjou-Bärtchen gut genug. Jeanette Hain spielt eine angestrengt penetrant cool laszive Diva am Mikrofon und am Mann; Lina Beckmann gibt eine militant stramme, absurd frisierte Polizeichefin. Elisa Schlott als kesse Jungkriminalerin hat ein paar flotte Sprüche und rein Drehbuch-bedingte, mechanische Gefühlsanwandlungen – sie drehen die Komödie weiter und zielen auf Lacher, sind aber nicht nachvollziehbar. Regie Hermine Huntgeburth, ihr Mann Volker…
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Kritik TV-Komödie: Keine Ehe ohne Pause (2014, von Ralf Westhoff) – 3 Sterne – mit 2 Videos
Hier rollen sich die Zehennägel: Das gestandene Mannsbild Heino Ferch wechselt in seiner Schriftstollerrolle samt weiblichem Pseudonym teils in Frauenkleider mit Perücke und Lippenstift; und man weiß nicht recht, ist das platte Komik oder Seelenstriptease? Gewiss nur: Es ist fürchterlich peinlich. Die Geschichte ist nie lustig, dafür durchweg unrealistisch und immer aufdringlich klischiert. Alle machen sich auf nicht erheiternde Art zum Narren – oder zum Volldeppen -, vor allem die Heino-Ferch-Figur (schon vor dem Wechsel in Frauenkleidung). Nach wenigen Filmminuten lässt sich auch die Mittäterschaft der ARD-Degeto nicht mehr verbergen: Die riesige Berliner Wohnung der Hauptfiguren ist filmi filmi bohemien, er fährt einen Volvo-Oldtimer, sie zum Ausgleich einen offenen VW…
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Kritik Politik-Spielfilm: Im Schatten der Macht (2003, von Oliver Storz) – 7 Sterne – mit Video
Der Film erzählt in zweimal knapp 90 Minuten, wie Bundeskanzler Willy Brandt 1974 wegen der Guillaume-Spionageaffäre und Frauengerüchten zurücktreten musste. Das ist spannend zumindest für alle, die mit den Vorgängen noch vertraut sind. Allerdings: Regisseur/Autor Oliver Storz und Produzentin Regina Ziegler dramatisieren übertrieben. Ständig erscheinen selbstwichtig zerfurchte Gesichter in Nahaufnahme und Halbdunkel, hinter spiegelnden Scheiben und Rauchschwaden; auch die Ministerzimmer liegen stets in unnatürlichem Halbdunkel; Agenten treffen sich in strömendem Regen auf nächtlichen Parkplätzen; schwarze Benze gleiten staatstragend durch graues Land. Jazzgröße Klaus Doldinger liefert einen vielstimmigen, hochwertigen Soundtrack, der jedoch zu oft und zu dräuend erklingt; dazu kommen eindrucksvolle, gut geplante Kamerafahrten; Noir in Bonn? Interessant: Willy-Brandt-Sohn Matthias Brandt…
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Kritik Bayernkomödie: Was weg is, is weg (2012) – 7 Sterne – mit Video
Die Komödie vom oberbayerischen Land erinnert deutlich an Rosenmüller-Filme, aber auch an die Streifen der Serie Beste Zeit. Christian Lerch, Drehbuchautor bei Markus Rosenmüller, hat bei Was weg is, is weg Regie geführt und das Skript geschrieben. Und er hat es überfrachtet: Es gibt immer neue Nebenhandlungen – ein Onkel im Koma, ein Bruder mit Dachschaden, ein abgetrennter Arm, Kontaktabbruch Sohn-Eltern, Anti-Atom, ein Pleite-Kneipier. Langeweile kommt bei den vielen absurden Wendungen nicht auf, auch nicht bei den Spritztouren im orangen BMW durch Felder und Wälder. Lerch zeigt seine Akteure ein klein bisschen zu dümmlich, vor allem die Jungwirtin, die im knappen Aerobicdress durch den gesamten Film muss. Die Kamera macht…