Ostasien
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Lese-Eindruck: Ist es nicht schön hier, von Te-Ping Chen (2014, engl. The Land of Big Numbers) – mit Links
Von einer Top-US-Journalistin mit langer China-Erfahrung erwartet man perfekt realistische Kurzgeschichten aus China. Die gibt’s aber in diesem Buch nicht: Ein paar Geschichten sind wohl offen surreal. Bei anderen Texten nagt die Frage: Kann das sein? Ist China so? Ich habe darum nur zweieinhalb Geschichten auf Englisch online gelesen. Sie sind atmosphärisch und recht stilsicher. Zwei Geschichten behandeln geplatzte Träume in der Großstadt, kleine Existenzen im großen Menschenmeer, und unbehagliches Nachstellen. Aber ich musste mich wundern: Field Notes on a Marriage: US-Amerikanerin und Chinese, beide Top-Akademiker, heiraten sorglos nach kurzer Bekanntschaft („we hardly know each other“). Realistisch? Shanghai Murmur: Ein junge Blumenverkäuferin vom Land belagert einen älteren, wohlhabenden Stammkunden in…
- Auswandern, Belletristik, Buch, England, Gut, Hongkong, Hot Country Entertainment, Interkulturell, Roman
Romankritik: Aufregende Zeiten, von Naoise Dolan (2020, engl. Exciting Times) – 8 Sterne
In Hongkong hat der reiche Banker Julian, 28, Brite, eine WG+ mit der armen irischen Englischlehrerin Ava, 22: Sie lebt gratis bei ihm, packt seine Koffer, erledigt den Müll und erträgt seine billigen chinesischen Zigaretten; nachts geht’s manchmal in die Kiste, zumindest oral. Aushälter und Haushälterin betonen das Unverbindliche, letztere etwas zähneknirschend. Ihre Sicht zu Romanbeginn: I am glad Julian does not demand intimacy, and annoyed at him for not offering it. (Ich kenne nur das engl. Original und kann die Eindeutschung von Anne-Kristin Mittag nicht beurteilen.) Allmählich äußert sich in flapsigen Randbemerkungen, im Abholen am Flughafen, auch Sympathie. Er nennt sie, so die Ich-Erzählerin, a tiger cub, and I…
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Romankritik: Die Ladenhüterin, von Sayaka Murata (2018) – 3 Sterne
Ich-Erzählerin Keiko Furukura hat ihr Studium abgeschlossen, bleibt aber weiter kleine Angestellte in einem Tokioter Minimarkt (einem Konbini). Sie redet bewusst wie ihre Kollegen, kleidet sich wie ihre Kollegen, isst nur den Fraß aus dem Minimarkt, oft im Hinterzimmer des Minimarkts. Sie pflegt wenig Kontakte außerhalb des Ladens. Aufdringlich betont sie, wie sie im System aufgeht: Für mich war es das Wichtigste, ein funktionierendes Mitglied des Konbini zu sein… in Uniform waren wir alle gleich… Natürlich wünschte ich mir, ein brauchbares, funktionierendes Werkzeug zu sein. Subtil geht anders. Die Ich-Erzählerin denkt nicht an Beziehung oder Kinderkriegen, hält Babys und streunende Katzen für ähnlich, hat kaum menschliche Empfindungen, Essen ist für…
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Kritik Japan-Buch: Grammatik des Lächelns, von John David Morley (1985, engl. Pictures from the Water Trade) – 6 Sterne
John David Morley beschreibt das Japan der 1970er mit großen staunenden Augen, wie ein Tourist, zu genau, zu nacheinander, zu angelesen, und nicht schriftstellerisch abgeklärt, nicht souverän gefiltert. Er erzählt ein paar Begegnungen fast zu detailliert; dazu kommen lange verallgemeinernde Seiten voll kursivierter japanischer Ausdrücke. Dafür gab’s allerhöchstes Lob. Ganz genau: Das beginnt schon mit dem ersten Kapitel, ein lokaler Bonze schleift die Hauptfigur Boon durch Nachtclubs: Morley schildert alles gewissenhaft, bis zum Nackttanz auf dem Tresen, und frohlockt andertags doch tatsächlich: Boon woke up to find that overnight he had arrived in Japan. Kein Wunder, dass der Erzähler alles Japanische erklärt – von Tatami bis Kotatsu -, im Lauftext…
- Annehmbar, Auswandern, Buch, China, Historisches Buch, Hot Country Entertainment, Reisebuch, Sachbuch
Über den Reisebericht von W. Somerset Maugham, Das Lied des Flusses (1922, engl. On a Chinese Screen)
Somerset Maugham auf Amazon (Werbelinks): allgemein | Kurzgeschichten | Romane | englisch Auf Amazon (Werbelinks): Bücher zu Hongkong | Südostasien | China Der schmale Band enthält 58 kurze, unverbundene Eindrücke von der China-Reise, die Maugham 1919 unternahm. Jedes Stück ist nur ein bis drei Seiten lang. W. Somerset Maugham (1874 – 1965) portraitiert wenig Chinesen, sondern vor allem europäische Diplomaten, Seefahrer, Kaufleute, Missionare. Einmal schildert er nur, wie er auf einem Sessel in ein Dorf und in eine Pension getragen wird. Die Einzelteile haben nichts miteinander zu tun und oft wird der Ort nicht genannt. Das klingt schon distanziert, und dazu pflegt Maugham einen schnöseligen, snobistischen Ton; er redet gern…
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Kritik Roman. W. Somerset Maugham: Der bunte Schleier (1925, engl. The Painted Veil) – 7 Sterne
Fazit Liebe, Verrat, Lebensgefahr, Tod und Glaube vor exotischer Kulisse: Das ist großes Kino und immer wieder neu spannend. Autor W. Somerset Maugham entwirft einen Plot mit interessanten Verstrickungen, intimen Zimmerdramen und beklemmenden Dialogen bis zum runden Schluss – feinstes Storytelling-Kunsthandwerk. Der Autor kredenzt aber auch Kitsch und Schmalz: nicht nur wegen des Mediziners in der Hauptrolle dachte ich an „Arztroman“. Auf Amazon: Der bunte Schleier | Somerset Maugham Inhalt Londoner Schickse heiratet aus Torschlusspanik öden Arzt, begleitet ihn nach Hongkong und betrügt ihn dort mit smartem Karrieristen. Dann folgt sie ihrem Medizin-Mann in ein gefährliches Choleragebiet ins Innere Chinas. Konstruktion Wie in seinen fernöstlichen Kurzgeschichten beginnt Maugham plastisch in…
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Kritik Kurzgeschichten: Von Männern, die keine Frauen haben, von Haruki Murakami (2014) – 4 Sterne
Die sieben Geschichten transportieren nicht nur gleichförmige Stimmung und Figuren, sie sind mit 30 bis 40 locker bedruckten Seiten auch gleichförmig lang (gefühlte Länge 22 Seiten; ich hatte die von Dumont lizenzierte Büchergilde-Ausgabe). Man liest sie mühelos (wenn man sich nicht an Verrätseltem stört). Distanz und Mittelmäßigkeit: Obwohl hier ein Mann über einsame Männer schreibt, die ostentativ nur „Single Malt“ oder „White Label“ kippen, klingt Murakami nie männlich herb, cool. Ton und Figuren wirken vielmehr durchgehend schlicht, gleichmütig, resigniert-melancholisch, ein bisschen harmlos, selbst bei Wut lasch und – über alle sieben Geschichten hinweg – zu ähnlich. Es lappt schon ins Wortzumsonntaghafte. Lauter mild melancholische Großstadtsingles. Das Gefühl unbeteiligter Distanz verstärkt…
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Rezension Sachbuch: Stealth of Nations, von Robert Neuwirth (2011) – 7 Sterne – mit Video
Neuwirth beschreibt Händler im informellen Sektor vor allem heißer Länder wie China, Nigeria oder Brasilien. So leben nach Neuwirths Informationen vielleicht 30.000, 100.000 oder 300.000 Afrikaner allein im chinesischen Guangzhou, zumeist ohne gültiges Visum. Sie schaffen chinesische Ware wie Handys oder Autoteile nach Afrika – und zahlen nur einen Bruchteil der regulären Steuern und Zölle, oder gar nichts. Dazu kommen sozialpolitische und volkswirtschaftliche Argumente pro Schattenwirtschaft, pro Deregulierung und Regelübertretung. Dabei interessiert sich Neuwirth besonders für die Geschäftsmodelle der Händler und rechnet ihre Kalkulation teils vor; weniger schildert er Persönliches, Kulturelles oder Interkulturelles (kleine Ausnahmen: die „Lehrlinge“ der Igbo-Kultur und die Stellung der Afrikaner in Guangzhou). Ich wünschte, Neuwirth hätte…
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Rezension: Tianchi: Unterwegs in China und Tibet, von Vikram Seth (Tibet-Reisebericht, 1983, engl. From Heaven Lake) – 7 Sterne
1981 reist der indische Doktorand Vikram Seth zwei Monate lang vom nördlichen China über Land nach Süden, durch Tibet bis nach Nepal – zunächst per Eisenbahn, später vor allem in LKWs. Er kämpft mit Visumproblemen, zerstörten Brücken und quicklebendigen Flöhen. Seth spricht Chinesisch, aber nicht Tibetanisch. Er schildert vor allem Reiseschwierigkeiten und Reisebekanntschaften mit wenigen Exkursen über Sozialsysteme, Geschichte sowie Sehenswürdigkeiten (die Exkurse fügen sich noch gut in den Text, anders als in Seths späteren Büchern Eine gute Partie/A Suitable Boy und Two Lives/Zwei Leben – dort erdrücken allgemeine Themen die Geschichte passagenweise). Heute hier, morgen dort: Vikram Seth bleibt nirgends länger, ist immer auf der Durchreise (und liest Naipauls…
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Rezension Reportage-Buch: Weiße Plantagen, von Érik Orsenna (2006, über Baumwolle) – 4 Sterne – mit Pressekritiken
Orsenna besucht Baumwoll-Anbaugebiete und ihre Macher in Mali, USA, Brasilien, Ägypten, Usbekistan, China und Frankreich. Er schreibt vage lyrisch und ohne Tiefgang: weder sozial, wirtschaftlich, politisch noch menschlich wird es interessant (seine tatsächlich wissenschaftlichen Texte veröffentlicht Orsenna unter einem anderen Namen). Er redet oft mit leichtem Spott, der teils wie eingebildete Besserwisserei anmutet. Häufig klingt Orsenna wie ein betulicher Onkel, der kleinen doofen Kindern jetzt mal was erklärt und dabei solche Weisheiten generiert: „Auf der ganzen Welt gibt es nichts, was einer neuen Stadt ähnlicher wäre als eine andere neue Stadt.“ Oder: „Siebzehn Millionen Einwohner lassen sich nicht auf ein paar Quadratmetern unterbringen“. Aber, meine lieben Kleinen, gerade wegen dieser…
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Rezension Fahrschüler-Doku: You Drive me Crazy (2012) – 8 Sterne – mit Video
Die 84minütige, sehr unterhaltsame Dokumödie begleitet drei internationale Fahrschüler: eine oft angespannte deutsche Modedesignerin in Mumbai; eine scheinbar entspannte koreanische Musikstudentin in München; einen amerikanischen Nachwuchsdesigner und Aushilfsjobber in Tokio. Mitten im Verkehr: Alle ein oder zwei Minuten wechselt der Schauplatz zwischen Indien, Deutschland, Japan. Die Doku ist schön gefilmt und zeigt viele Momente aus dem Verkehr, in Indien auch direkt von der praktischen Fahrprüfung. Viele Szenen und Dialoge spielen direkt im Auto, die Kamera sitzt auf dem Armaturenbrett. Nebenbei sehen wir auch das sonstige Leben der Fahrschüler: familiäre Sorgen, Skypen mit der Heimat, berufliche Entwicklung. Alle Fahrschüler tun sich schwer, nicht alle erreichen ihr Ziel. Die zwei Frauen sind…
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Rezension Japan-Roman: Der Himmel ist blau, die Erde ist weiß, von Hiromi Kawakami, 2001 – 4 Sterne
Die 37jährige Ich-Erzählerin Tsukiko trifft in der Kneipe zufällig ihren ehemaligen Lehrer, 67. Seither sitzen sie gern am Tresen zusammen, machen auch mal einen Spaziergang. Eine Romanze deutet sich an, doch der Roman plätschert zwei Drittel der Strecke nur so dahin. Das Buch erschien 2001 im Original als Sensei no kaban, センセイの鞄, wörtlich Die Mappe des Lehrers, auf Englisch als The Briefcase (diese Titel beziehen sich jeweils auf die 60jährige männliche Hauptfigur), ebenfalls in Englisch als Strange Weather in Tokyo. Die Geschichte war in Japan ein Erfolg, wurde offenbar 2003 verfilmt (ich finde sehr wenig dazu), 2008 auf Deutsch veröffentlicht und auch in einen zweiteiligen Comic umgesetzt, auch auf deutsch…
- Annehmbar, Asien, Deutschland, Deutschland-Film, Dokumentation, Film, Hot Country Entertainment, Interkulturell, Korea, Ostasien
Rezension Doku deutsch-koreanische Ehen: Endstation der Sehnsüchte – Ein deutsches Dorf in Südkorea (2009) – mit Video – 5 Sterne
Drei Koreanerinnen arbeiteten jahrzehntelang als Krankenschwestern in Deutschland. Mit deutschen Ehemännern verbringen sie nun das Rentenalter im südkoreanischen Dogil Maeul am Meer. Dieses spezielle Rückkehrer-Dorf ist als German Village bekannt und wird wegen seiner adretten Einfamilienhäuser am Wochenende von Ausflüglern überlaufen. Langsame Bilder, knappe Information: Der Film wirkt langatmig. Viele Szenen sind zu gedehnt – etwa Volkstanz, Tempelbesuch, mehrfach Karaoke -, manche haben gar nichts mit dem Thema zu tun: Einmal geht ganz allmählich ein Koreaner auf die Kamera zu und schließlich an ihr vorbei, es hat keinen Bezug zum Film; auch die langen Blicke aus Auto- und Busfenstern bringen kaum etwas. Texteinblendung gibt es nur am Anfang, einen Sprecher…
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Rezension Hongkong-Roman: Suzie Wong, von Richard Mason (1957) – 8 Sterne
Routiniert gut und sympathisch erzählte, völlig jugendfreie Geschichte um chinesische Barmädchen im Hongkong der 50er Jahre. Die Stadt, die Bar und die Menschen werden im Roman sehr lebendig. Das Buch steuert nicht auf ein eindeutiges Ende zu, so dass ich gespannt bis zur letzten Seite gelesen habe. Das Vorwort liefert interessante Hintergrundinformationen zur Stadt, zum Autor und zur Buchentstehung. Auf Amazon (Werbelinks): Bücher zu Hongkong | Südostasien | China Eifersucht und Ehrbarkeit: The World of Suzie Wong ist ein passender englischer Titel (dt. Titel einfach Suzie Wong), denn der englische Ich-Erzähler wohnt in einem Shorttime-Hotel und sitzt oft mit den Frauen an der Bar. Er schildert Eifersucht, krampfhaft behauptete Ehrbarkeit,…
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Rezension Korea-Spielfilm: Hanyo – Das Hausmädchen (1960) – mit 2 Videos – 8 Sterne
Bestechend, dramatisch, pathetisch, teils fast schon expressionistisch, fantastisch gefilmt, jedes Bild wirkt wie eine Schwarzweiß-Postkarte aus einer anderen Zeit. Sehr intelligent passend zur Handlung konstruiertes Haus, das viele Einblicke erlaubt, aber auch Schranken aufweist; selten störte es mich so wenig, dass Außenaufnahmen fehlen. Gelegentlich wirkt das Spiel etwas hölzern und ich hätte gut ohne die Zuspitzung im zweiten Teil leben können. Die Musik dräut arg. Die Ausstrahlung auf Arte war überwiegend exzellent restauriert, zwischendurch erschienen jedoch Abschnitte in deutlich schlechterer Bildqualität. Die Hanyo-Neuverfilmung von 2010 hat mir auch gefallen; es ist aber in Stil, Ambiente und Handlung ein völlig anderer Film.
- Asien, Belletristik, Buch, Gut, Hongkong, Hot Country Entertainment, Interkulturell, Ostasien, Roman
Rezension Hongkong-Roman: Kowloon Tong, von Paul Theroux (1997) – 8 Sterne
Der Roman von 1997 ist spannend geschrieben, gegen Ende zieht sich die Handlung unheilvoll zu. Exzellent wie oft bei Paul Theroux auch die Dialoge, das schnodderige Englisch der Briten in Hongkong („he hopped it“ über einen davongelaufenen Diener; „Chinese Take-away“ über den Wechsel zu chinesischer Herrschaft). Die Dialoge machen die Figuren ungemein lebendig, dazu kommen nachvollziehbare Gedankenströme, die Theroux nie zu lange ausdehnt. Man fühlt sich nach Hongkong versetzt, fährt die Hügel hoch, erlebt die schwüle Luft, die Tropengüsse, die Staus, den Trubel in riesigen Restaurants, das chinesische Essen, die Lärmkulisse in der Textilfabrik des Hauptakteurs. Die Handlung selbst umfasst nur ein paar Monate, doch Gedanken und Hintergrundinformationen reichen Jahrzehnte…
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Pressebericht China: Diebin stiehlt Gold und Cognac aus Amtsstuben
Eine Diebin in China entwendete jahrelang Gold und teure Zigaretten aus Amtsstuben – Bestechungsware, deren Verlust die Beamten nicht anzeigen wollten. Die Geschichte steht in der Süddeutschen Zeitung.
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Rezension Korea-Spielfilm: Eat Drink Man Woman (1994, Regie Ang Lee) – mit Trailer – 7 Sterne
Stark gefilmt, stark geschnitten, starke Szenen vom chinesischen Kochen. Ein ungewöhnliches Drehbuch. Schöne Frauen, und ein schönes Eigenheim, wenn auch vielleicht etwas filmi. Schön gespielt? Ich bin mir nicht sicher. Ich hatte nicht den Eindruck, dass die Schauspieler ganz in ihren Rollen zuhause sind. Aber was weiß ich. Die sehr ähnlich klingenden Namen der drei Töchter konnte ich kaum auseinanderhalten. Schwieriger denn je fiel mir die Frage, ob ich O-Ton oder deutsche Synchro hören soll. Natürlich passen die O-Stimmen weit besser zu den Bildern; doch andererseits klingt Mandarin nicht grade wie Musik in meinen Ohren, das Starren auf Untertitel lenkt von den sehenswerten Bildern ab und die deutschen Stimmen liefern…
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Rezension Hongkong-China-Roman: Alle Herrlichkeit auf Erden, von Han Suyin (1952, engl. A Many-Splendoured Thing) – 7 Sterne
Bittersüße, schweifende Liebesgeschichte in Hongkong 1949/50; in China kämpfen sich die Kommunisten an die Macht, Flüchtlinge strömen nach Hongkong. Die Liebesgeschichte selbst ist wunderbar, zart sinnlich, poetisch, mit intelligentem Humor der liebenswerten und unkitschig romantischen Hauptakteure. Han Suyin beschreibt offenbar ihr eigenes Leben und darum bringt sie Nebenstränge in die Geschichte, die bei etwas mehr Distanz vielleicht entfallen würden (engl. Titel A Many-Splendoured Thing, dt. Alle Herrlichkeit auf Erden). Ihre Begeisterung für China und den politischen Wandel beansprucht zu viele Seiten, die von der Liebesgeschichte wegführen – wenn auch teils mit interessanten Einblicke in chinesisches Leben und Denken vor der Revolution. Auch die Unterschiede der Ethnien werden allzu deutlich herausgestellt.…
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Korea-Spielfilm: Das Hausmädchen (2010) – mit Trailer – 7 Sterne
Gelacktes Edelpsychodram aus Südkoreas oberster Oberschicht, aber bis auf das bombastische Ende packend gespielt. Auch in Nahaufnahme überzeugen die Darsteller, signalisieren Beklemmung, Unterdrückung, Macht und Manipulationswillen (Regie Sang-soo Im, Hauptdarstellerin Do-yeon Jeon, engl. Titel The Housemaid, kor. Hanyo). Edle Bilder, vielleicht schon zu viele: Die Kamera betört unentwegt. Manchmal ist es schon zu viel, diese aufdringlich edel gefilmten Bilder eines edlen Palasts (der bis 2010 größte Filmset Koreas), in dem der Hausherr kultiviert-gierig seinem Sinn für Wein, Weib und Klavier frönt, allabendlich am Flügel brilliert und unablässig edle Tropfen schlürft (seine hochschwangere Frau sträflicherweise auch). Eher störend, dass die Szenerie in jeder Hinsicht so isoliert und abgehoben ist: Die traumhaft…
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Rezension Japan-Groteske: Die Familie mit dem umgekehrten Düsenantrieb (1984) – mit Video – 7 Sterne
Wie diese brave Familie nach und nach komplett ausflippt, das zeigt Regisseur Sogo Ishii bewunderswert anstrengend schmerzvoll komisch, oft untermalt von rasender Rockmusik. Und es kommt immer noch schlimmer, noch absurder, noch verzweifelter. Zum Lachen und zum Schlucken, ganz und gar nicht gefällig. Die schauspielerischen Leistungen überzeugen durch die Bank, dazu kommt eine sehr lebendige Kamera mit vielen guten Perspektiven (eng. Crazy Family, jap. Gyakufunsha kazoku, Details auf IMDB). Ein paar Kampfszenen sind schwach, ein paarmal passt die Kleidung nicht ganz zum Schlammbad aus der vorherigen Szene. Aber das ist Kleinkram: Die „Düsentriebs“ bieten beste Unterhaltung für Zuschauer mit stahlstarken Nerven, die sich den Glauben an das Gute in der…
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Rezension 1950er-Hongkong-Memoiren: Gweilo, von Martin Booth (2004, US-Titel Golden Boy) – 7 Sterne – mit Presse-Links
1952 kommt der Engländer Martin Booth als Siebenjähriger mit seinen Eltern nach Hongkong und bleibt drei Jahre. Er erkundet die Straßen allein und ist bald mit vielen Händlern und Dienstboten befreundet. Er testet Knallfrösche und gebratene Käfer. Alle sind nett zum kleinen Martin, auch weil sein blondes Haar Glück verspricht. Booth (1944 – 2004) beschreibt Hongkong als gefahrfreien, großen Abenteuerspielplatz voll freundlicher Menschen, mit denen er auf Englisch oder Kantonesisch reden konnte. Er stellt Gerichte und Straßen genau vor und schildert viele Begegnungen in Kurzportraits. Booth lebt meist mit seiner Mutter zusammen, während der Vater im Koreakrieg oder im Büro ist. Booth erzählt über 366 Seiten plus Glossar, doch die…
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Spielfilm Chinesen in London: Chinese Blues bzw. Soursweet (1988) – 6 Sterne
Eine chinesische Kleinfamilie baut sich in den 60ern mit einem Imbiss eine Existenz im ärmsten Teil Londons auf. Doch der Mann verstrickt sich in Schulden, eine Gangsterbande setzt ihn unter Druck. Das ist fein beobachtet, in immer neuen, sorgfältig choreographierten Kamerabildern in trüben Farben. Respekt, Tradition und Hierarchie à la China spielen eine große Rolle hier. Aber mehr als Timothy Mos gleichnamige Romanvorlage zeigt der Film die Hauptfiguren auch als Individuen mit ganz eigenen Motiven. Europäer sieht man kaum. Der Film heißt Soursweet oder auch Chinese Blues, Regie Mike Newell, Hauptdarsteller Sylvia Chang, Danny Dun. Keine Komödie: Als Komödie würde ich das nicht bezeichnen: Die sehr ernste Bedrohung durch die…
- Annehmbar, Asien, Belletristik, Buch, Hongkong, Hot Country Entertainment, Interkulturell, Lustig, Ostasien, Roman
Hongkong-Roman: The Monkey King, von Timothy Mo (1978) – 6 Sterne
Ja, ich habe mehrmals laut gelacht. Ganz behaglich war das Lachen nicht, denn die Figuren in diesem Hongkong-chinesischen Familienroman (mit einem halben Außenseiter) sind alle unsympathisch. Timothy Mo lässt sie zudem ein Pidgin-Englisch reden, das in Schriftform debil wirkt. Alltag in Hongkong: Trotzdem sieht man der Familie gern beim Alltagstreiben zu. In der ersten Hälfte passiert nicht viel, und wenn mal ein Haushaltsmitglied verstirbt, dann wird das Problem mit etwas Zeromonie und wenig Gefühl ad acta gelegt. Es gibt immer wieder reizvolle, mild skurrile interkulturelle Begegnungen, geschildert aus chinesischer Sicht. Nebenfiguren heißen allerliebst Mabel Yip oder Pippy da Souza – viel besser geht’s nicht mehr. Der Roman zerfällt in verschiedene…
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Sachbuch: The East, the West, and Sex: A History of Erotic Encounters, von Richard Bernstein, 2009 – 6 Sterne
Bernstein schreibt flüssig und leicht lesbar, aber ohne besonderen Reiz. Mitunter klingt er säuerlich missbilligend, so beim Thema Kolonialismus und bei allzu entschlossenen Ausschweifungen historischer Reisender; dabei erinnert Bernstein fast an die viktorianische Moral, die immer wieder zitiert wird, und im Fazit scheint er christlich geprägte Monogamie zu bevorzugen. Um diese Länder geht es: Bernstein hat in China studiert, zeitweise gearbeitet und dort auch geheiratet – also ist China früher und heute ein Schwerpunkt des Buchs. Weiteres Hauptaugenmerk gilt dem historischen Indien und den Engländern sowie dem Treiben der Franzosen in ihren nordwestafrikanischen Kolonien (die Bernstein ohne weiteres auch zu „The East“ zählt). Andere Kapitel handeln von Prostitution in Vietnam…
- Annehmbar, Asien, China, Film, Hot Country Entertainment, Interkulturell, Ostasien, Reise, Spielfilm, US-Film
Spielfilm: Sieben Jahre in Tibet (1997, mit Brad Pitt; mit Trailer) – 6 Sterne
Harrers und Aufschnaiters Leistung ist unglaublich. Harrer hat daraus ein enttäuschendes Buch gemacht, und dieser Film ließ mich auch kalt. Ich kann es gar nicht genau auf den Punkt bringen: für meinen Geschmack gibt es zu wenig Landschaft (die Wildniswanderung hat im Buch einen größeren Anteil), zu viel chinesische Gewalt, und Brad Pitt sticht unangenehm als blondierter Schönling heraus. Highlight ist für mich der sympathische Bhutanese Jamyang Jamtsho Wangchuk als Dalai Lama, wenn auch mit bizarrem Akzent in der deutschen Synchro. Die gegensätzlichen Charaktere Harrer und Aufschnaiter ergeben theoretisch interessante Konflikte, die aber kaum ausgearbeitet werden. Die starken Abweichungen des Films vom Buch und von der Geschichte enttäuschen – eine…
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Asien-Memoiren 1949 – 1979: My House Has Two Doors, von Han Suyin (1980) – 3 Sterne
Dieser vierte Band von Han Suyins Memoiren wurde in späteren Ausgaben auf zwei Bände verteilt: Memoiren 4.1: My House Has Two Doors Memoiren 4.2: Phoenix Harvest (ursprünglich der hintere Teil der ersten Ausgabe von My House Has Two Doors; lt. Innentitel Volume 2 of My House Has Two Doors) Überheblich, aber mit Fehlern: Suyin schreibt hier recht selbstgefällig und betont gern, wie ihre ärztlichen Diagnosen die der Kollegen übertrafen. Dabei klingt ihr Buch, als ob sie unter Zeitdruck geschrieben und nicht noch einmal drübergelesen hätte: Es gibt einige Tipp- und auch deutlichere Grammatik- und offenkundige Sinnfehler, die wohl auch im Lektorat niemand korrigieren mochte; mindestens zwei Sätze waren ganz kaputt.…
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Hongkong-Spielfilm: Alle Herrlichkeit auf Erden (1955, mit William Holden, Jennifer Jones) – mit Video – 5 Sterne
Ein Farbfilm von 1955, gediegenes Hollywood. Die Dialoge funkeln zeitweise, Spiel und englische Stimmen sind jedoch oft steif – es wirkt, als ob die Schauspieler ein Theaterstück proben; die künstliche Bildanmutung mit diversen erkennbaren Rückprojektionen unterstützt das noch. Jederzeit hat man perfekten Meerblick, rein zufällig. Auf Amazon (Werbelinks): Bücher zu Hongkong | Südostasien | China Künstliche Bilder: Der Treffpunkt-Hügel wurde in Kalifornien gefilmt, so sieht er auch aus. Die Filmteile aus Chungking und Macao entstanden komplett im Studio. Zu häufig trieft die überaus süßliche Titelmelodie aus dem Geigenhimmel. Neben einigen Dialogen haben mir die Hongkong-Szenen gefallen, auch wenn das im Film thematisierte Flüchtlingsdrama nicht bildlich erscheint. Jennifer Jones wird im…
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Rezension Bloggerinnen-Doku: Forbidden Voices (2012) – 7 Sterne
Die Doku von 2012 portraitiert die Bloggerin Yoani Sánchez in Kuba, Zeng Jinyan in China und die Iranerin Farnaz Seifi, die seit 2003 in Teheran bloggte, 2007 nach Deutschland ausreisen musste und dort weiter publiziert – auch bei der Deutschen Welle. Der Film zeigt zudem Bilder von Hungerstreiks, Demonstrationen und brutaler Polizeigewalt, unter anderem sieht man eine sterbende Demonstrantin in Teheran. Ich musste auch an die Teheran-Doku The Green Wave denken. Keine deutschen Stimmen: Es ist eine moderne Doku, die nur O-Ton und keine Hintergrund-Erklärungen bringt. Das wirkt unmittelbar, aber einige Zusammenhänge bleiben unklar. Ich habe die Arte-Ausstrahlung gesehen. Sehr gut hier: Die Stimmen der Sprecherinnen wurden nicht mit deutschem…
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Rezension Kinobetreiber-Doku: Comrades in Dreams – Leinwandfieber (2006) – mit Trailer – 7 Sterne
Die Doku von 2006 zeigt ungewöhnliche, liebenswerte Kinobetreiber in Indien, Nordkorea, Burkina Faso und USA. Es gibt viele überraschende Einblicke und schöne Bilder. Wirklich Kino-verrückt wirken aber nur die Inder – nicht der junge Chef des Wanderkinos, sondern die Dorfbewohner, die fast den Zaun des Kinozeltes einreißen. Private Seiten: Regisseur Uli Gaulke (selbst ein Kinogründer, heute Filmprofessor) bringt bewusst viel Alltagsleben der Kinobetreiber: die Brautsuche des Inders, die Einsamkeit der Betreiberin in den USA, Familienangelegenheiten der staatlichen Kinotechnikerin in Nordkorea und der jungen Kinoinhaber in Ouagadougou, Burkina Faso. Man glaubt, diese Kinomenschen wirklich kennenzulernen, sie scheinen sich zu öffnen, und das enge Thema Kinofilme spielt dann nicht mehr die vorherrschende…
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Japan-Spielfilm: Postman Blues (1997) – mit Video – 4 Sterne
Das Bild zu dunkel, farbschwach, leicht gelb-braun stichig – oder ist das Absicht? Die Geschichte ist nicht ganz uninteressant – ein kleiner Postbote gerät sinnlos unter Polizeiverdacht – doch die Gesetzeshüter agieren und kalkulieren so dumm und tölpelhaft, dass man es nicht im geringsten ernst nehmen kann (jap. Posutoman burusu, Details auf IMDB). Dabei spielen sie ernst bis langweilig. Auch die Aktivitäten des Postlers sind kaum plausibel. Dazu kommt noch eine Berufskiller-Meisterschaft und im Showdown ein Radlertrio, das gegen eine aufwändige Polizeiblockade anstrampelt: alles reichlich absurd, wenn man es denn mag, aber für mich eher charmelos. Und nichts für schwache Gemüter: Der abgetrennte Finger wird im Film immer wieder gezeigt,…