Sachbuch: The East, the West, and Sex: A History of Erotic Encounters, von Richard Bernstein, 2009 – 6 Sterne

Bernstein schreibt flüssig und leicht lesbar, aber ohne besonderen Reiz. Mitunter klingt er säuerlich missbilligend, so beim Thema Kolonialismus und bei allzu entschlossenen Ausschweifungen historischer Reisender; dabei erinnert Bernstein fast an die viktorianische Moral, die immer wieder zitiert wird, und im Fazit scheint er christlich geprägte Monogamie zu bevorzugen.

Um diese Länder geht es:

Bernstein hat in China studiert, zeitweise gearbeitet und dort auch geheiratet – also ist China früher und heute ein Schwerpunkt des Buchs. Weiteres Hauptaugenmerk gilt dem historischen Indien und den Engländern sowie dem Treiben der Franzosen in ihren nordwestafrikanischen Kolonien (die Bernstein ohne weiteres auch zu “The East” zählt).

Andere Kapitel handeln von Prostitution in Vietnam während des Vietnamkriegs, von Prostitution in Thailand heute und von Japan. Sehr kurze Kapitel besprechen dauerhafte Ost-West-Paare in Nordost-Thailand und westliche Frauen mit östlichen Männern.

Diese Männer interessieren den Autor:

Teils berichtet Bernstein also über östliche Regionen und deren teils wenig monogame Traditionen; teils konzentriert er sich auf die Erotik-Abenteuer einzelner historischer Figuren, darunter die Franzosen Flaubert und de Montherlant (mit dem Roman Die Wüstenrose) sowie der sinnenfrohe englische Entdecker Richard Francis Burton.

Mitunter verfolgt Bernstein das Leben dieser Figuren weit über das fürs Buchthema Erforderliche hinaus, und ohnehin scheint mir seine Monografie nicht sehr stringent gegliedert: Manche Kapitelüberschrift klingt unbestimmt und man weiß nie recht, in welche Richtung Bernstein beim nächsten Absatz driftet. Dank des mühelos lesbaren Tons stört das indes weniger.

Die kurzen sogenannten Interludes sollen offenbar Einzelschicksale schildern. Diese Interludes sind aber sehr heterogen und enthalten teils auch historische, verallgemeinernde Darstellungen, gegen Ende bleiben sie ganz aus; umgekehrt erscheinen in verallgemeinernden Kapiteln auch Einzelschicksale. Offenbar musste Bernstein die Arbeit am Buch für vier Jahre ruhen lassen, und dabei kam wohl die formale Sorgfalt abhanden.

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Diese Länder beachtet Bernstein kaum:

Die Philippinen, Indonesien, Malay(si)a und Burma/Myanmar erscheinen kaum, obwohl die Länder ergiebiges Material bieten, Bangladesch figuriert allenfalls innerhalb des historischen Indien-Teils; der Mittlere Osten fehlt, ebenso Indochina unter den Franzosen.

Insgesamt ist mir der historische Anteil zu groß. Zudem spricht Burton für mein Empfinden auch zu viel von Prostitution und zu wenig über Beziehungen ohne finanziellen Aspekt. Asien stellt er als frivoler dar, als es ist.

Was mich an den Recherchemethoden störte:

Sein Wissen über asiatische Prostituierte bezieht Burton aus Büchern, Webseiten, Time-Life-Reportagen und aus Interviews mit Gelehrten oder reisenden Weißen. Ein Gespräch mit einer Sexarbeiterin erscheint ebensowenig wie detaillierte Einzelportraits einer Asiatin, abgesehen von einem unergiebigen, kurzen Interlude; nur über Cio-Cio-San, Hauptfigur der Oper Madam Butterfly, spricht Bernstein viel zu ausführlich.

So recht in den Griff bekommt Bernstein das Thema nicht. Vielleicht geht es aber auch nicht.

Das Buch hat ein langes Stichwortregister und zahlreiche Literaturhinweise.

Assoziation:


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