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Annehmbar, Belletristik, Buch, England, Hot Country Entertainment, Indien, Interkulturell, Kurzgeschichten
Kritik Kurzgeschichten: We Move, von Gurnaik Johal (2022) – 4/10 Sterne
Sein nächstes Buch sollte Gurnaik Johal ganz in Amritsari-Punjabi schreiben, mit Einsprengseln in Hindi und Marathi zwecks Multikultur. Er sollte es mit weiteren Sikhismus- und Pogrom-Hintergründen spicken und jeden, der die Lektüre verweigert, anklagen. Gurnaik Johal schreibt lakonisch über Inder (oder Indischstämmige?) im Londoner Stadtteil Southall in Flughafennähe. Teils schildert er junge, schon etablierte Paare; teils ältere, sehr traditionelle Herrschaften; sowie junge Männer und Frauen, die gerade erst eintreffen und sich einfinden müssen. Überwiegend spielt die indische – genauer: – Punjabi-Herkunft eine Rolle, wegen Heimwehs, Start im neuen Land, Erinnerungen, Fremdenfeindlichkeit oder Kulinarik. Einige der besten Geschichten könnten auch unter Weißen spielen, so das erste Stück Arrival um ein junges…
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Lese-Eindruck: Europastraße 5, von Güney Dal (1981)
Güney Dal beschreibt zunächst detailliert und plastisch Gefühle und Lebensumstände kleiner türkischer Gastarbeiter im Vorwende-Westberlin. Allerdings stören mich persönlich Dinge: Vater Hasan, solange er noch lebt und in Rückblenden, erzählt weitschweifend vom Krieg. Damit ermüdet er seine Familie – und den Leser. Und Sünbül, die Frau der Hauptfigur Salim, war in der Psychiatrischen und verhält sich wunderlich, glaubt an Derwische etc., ausführlich von Autor Güney Dal geschildert: Wenn ihr nicht die Augen auf den Boden gefallen und schmutzig geworden wären… Und dann muss man natürlich das Hauptmotiv des Romans verkraften: Vater Hasan, ohne Aufenthaltserlaubnis in Berlin gestorben, wird in einem Karton von Berlin nach Anatolien gefahren: Salim zeigte sich sehr…
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Kritik Spanien-Bericht: Capricho. Ein Sommer in meinem Garten, von Beat Sterchi (2021) – 3 Sterne
Dies ist teils Autofiktion, teils Huertofiktion. Beides nervt. Denn sonst ist es nichts. Irgendetwas über Landflucht, Klimawandel, persönliche Abenteuer, demografischen Wandel, Bürgerkrieg, Tourismus, spanische oder EU-Politik, Dorfsoziologie etc. sagt Beat Sterchi nicht, auch wenn er ein bisschen über die Szene an der Küste spottet und in der Hängematte Bücher über Spanien ab 1936 liest. Sterchi erwähnt nicht mal Castellón, die spanische Provinz, aus der er berichtet, verrät nur ein paar Kleinstadtnamen Nichts passiert. Kein Konflikt, kein Drama, keine Liebe, kein pfiffiger Dialog, keine Politik im Dorf. Von den Nachbarn hören wir ein paar kauzige Sprüche. Zwischendurch kommen Frau und Tochter zu Besuch, sie erhalten wenige Zeilen. Den „lieben Freund Miguel“…
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Annehmbar, Auswandern, Biographie, Buch, Historisches Buch, Hot Country Entertainment, Interkulturell, Sachbuch
Kritik Biografie: Die Löwin. Tania Blixen in Afrika, von Tom Buk-Swienty (2019, or. Løvinden – Karen Blixen i Afrika) – 6 Sterne
Fazit: Tom Buk-Swienty liefert weit mehr Fakten und Bilder als andere Biografen, und er nutzt neu erschlossene Quellen, vor allem zu Blixens Financier und Onkel Aage Westenholz. Er beschreibt ausschließlich Tania Blixens afrikanische Zeit, und das auf über 700 Seiten. Die Biografie lässt sich leicht lesen, obwohl sie (jedenfalls in der Eindeutschung von Ulrich Sonnenberg) sprachlich unterwältigt und ermüdend Krise an Krise reiht. Amazon-Werbelinks: Jenseits von Afrika | Tania Blixen | Ganz Afrika | Kenia Männer, Heuschrecken, Dürre, Krieg, Krankheit: Buk-Swienty kommt Tania Blixen nicht nah, klingt zuweilen spöttisch, herablassend oder leiert schlicht die Fakten aus seinem riesigen Materialberg herunter, hier aus einem einzigen Absatz: Ein paar Stunden später erreichten…
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Annehmbar, Auswandern, Biographie, Buch, Deutschland, Historisches Buch, Hot Country Entertainment, Interkulturell, Sachbuch
Kritik Biografie: Walter Spies, Ein exotisches Leben, von Michael Schindhelm (2018) – 5/10 Sterne
Trotz aller Schwächen kann diese Walter-Spies-Biografie kaum ganz missglücken, denn Autor Michael Schindhelm hat fantastisches Ausgangsmaterial: Walter Spies‘ abenteuerliches Leben in Russland, Deutschland, auf Java und Bali mehrere Forschungsberichte zu Walter Spies Walter Spies‘ pfiffige Briefe v.a. an seine Mutter Walter Spies‘ faszinierende Malerei Michael Schindhelm zitiert freilich zu wenig Spies-Briefe zu knapp zu kalauer-orientiert; und er zeigt zu wenig Spies-Bilder zu klein. Auf Bali präsentiert Schindhelm seine Figur vor allem als Kulturlöwe und Promi-Gastgeber. Amazon-Werbelinks: Walter Spies | Michael Schindhelm Anfang mit dem Ende: Am Anfang schildert Autor, Regisseur und Kulturmanager Michael Schindhelm das Kriegs-Ende von Walter Spies – ein billiger dramaturgischer Trick. Und er schildert es kursiviert, mit…
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Kritik Roman: Queenie, von Candice Carty-Williams (2020) – 5/10 Sterne
Candice Carty-Williams schreibt ein paar witzige Dialoge und Chat-Verläufe, aber letztlich eine Zeitgeist-Soap mit dümmlicher Ich-Erzählerin, gegen Ende sehr unrealistisch. Warum das Buch Preis und Preise von Qualitätsmedien wie Time oder Guardian erhielt, weiß ich nicht. Die junge schwarze Londonerin Queenie, 25, jiepert dümmlich Männern hinterher, u.a. ihrem weißen Ex-Freund Tom, trifft sich mit Freundinnen, hat Trost-Sex mit Arschlöchern, erträgt Alltagsrassismus und Frauenfeindlichkeit, streut BLM und MeToo ein, nur LGBTQXY fehlt. Starke, ruhige Männer: Queenie genießt immer wieder starke, ruhige Männer*: It was so nice to be physically supported by someone und präsentiert sich schmachtend den Herren der Schöpfung: I ran around the office asking different colleagues for various make-up…
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Kritik Thailand-Buch: Love, Money and Obligation: Transnational Marriage in a Northeastern Thai Village, von Patcharin Lapanun (ersch. 2019) – 7 Sterne – mit Links
Dies ist ein sprödes Soziologiebuch. Es steckt voller Statistik und Verallgemeinerung aus den Nullerjahren und davor – Eheschließungen, Migration, Gelderwerb, Landwirtschaft, Familienorganisation, Landesgeschichte, Tourismus, Ost-West-Kinder, Glaube, Thai-Familie. Eingestreut sind ein paar kurze Fallgeschichten von Thai-Paaren, gemischten Paaren und einzelnen Thailänderinnen, wiederum spröde erzählt. Eine mehrseitige „Conclusion“ am Ende jedes Kapitels und ein eigenes „Conclusion“-Kapitel am Ende des Buchs erzeugen noch mehr Abstraktion und Redundanz. Der Thai-Land-Tourist vernimmt viele interessante Fakten und statistische Bestätigungen des womöglich Immer-schon-Vermuteten – und ein paar verblüffende Behauptungen. Die Anthropologin Patcharin Lapanun von der Uni Khon Kaen (KKU) liefert überraschende Informationen zu thailändischer Arbeitsmigration und internationaler Ehevermittlung auf Dorfebene. Wie der Titel sagt, will Lapanun genauer…
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Auswandern, Belletristik, Buch, England, Gut, Hongkong, Hot Country Entertainment, Interkulturell, Roman
Romankritik: Aufregende Zeiten, von Naoise Dolan (2020, engl. Exciting Times) – 8 Sterne
In Hongkong hat der reiche Banker Julian, 28, Brite, eine WG+ mit der armen irischen Englischlehrerin Ava, 22: Sie lebt gratis bei ihm, packt seine Koffer, erledigt den Müll und erträgt seine billigen chinesischen Zigaretten; nachts geht’s manchmal in die Kiste, zumindest oral. Aushälter und Haushälterin betonen das Unverbindliche, letztere etwas zähneknirschend. Ihre Sicht zu Romanbeginn: I am glad Julian does not demand intimacy, and annoyed at him for not offering it. (Ich kenne nur das engl. Original und kann die Eindeutschung von Anne-Kristin Mittag nicht beurteilen.) Allmählich äußert sich in flapsigen Randbemerkungen, im Abholen am Flughafen, auch Sympathie. Er nennt sie, so die Ich-Erzählerin, a tiger cub, and I…
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Kritik Japan-Buch: Grammatik des Lächelns, von John David Morley (1985, engl. Pictures from the Water Trade) – 6 Sterne
John David Morley beschreibt das Japan der 1970er mit großen staunenden Augen, wie ein Tourist, zu genau, zu nacheinander, zu angelesen, und nicht schriftstellerisch abgeklärt, nicht souverän gefiltert. Er erzählt ein paar Begegnungen fast zu detailliert; dazu kommen lange verallgemeinernde Seiten voll kursivierter japanischer Ausdrücke. Dafür gab’s allerhöchstes Lob. Ganz genau: Das beginnt schon mit dem ersten Kapitel, ein lokaler Bonze schleift die Hauptfigur Boon durch Nachtclubs: Morley schildert alles gewissenhaft, bis zum Nackttanz auf dem Tresen, und frohlockt andertags doch tatsächlich: Boon woke up to find that overnight he had arrived in Japan. Kein Wunder, dass der Erzähler alles Japanische erklärt – von Tatami bis Kotatsu -, im Lauftext…
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Annehmbar, Auswandern, Biographie, Buch, Historisches Buch, Hot Country Entertainment, Interkulturell, Sachbuch
Buchkritik: Nach dem Monsun, von John David Morley (2001) – 6 Sterne
Das Buch enthält vier etwa gleich lange Teile über: Singapur mit englischer Familie und malaiischen Angestellten; England mit erweiterter englischer Familie; Ghana mit englischer Familie und afrikanischen Angestellten; sowie England im Internat. Morley schreibt über Jahre ab etwa 1952, er ist vier bis etwa zehn Jahre alt. Er schreibt aus Kinderperspektive, wir lernen vor allem seine zwei Schwestern, Schulfreunde und einheimische Hausangestellte kennen. Er liest sich halbwegs interessant, Motive aus frühen Buchteilen kehren später wieder, verbinden so (halbwegs) die sehr disparaten Lebensabschnitte. Amazon-Werbelinks: Singapur | Südostasien | China Asien: John David Morley (1948 – 2018) schildert zunächst frühe Kindheitsjahre mit Eltern, zwei Schwestern und 13 malaiischen Hausangestellten in Singapur. In…
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Auswandern, Biographie, Buch, Gut, Historisches Buch, Hot Country Entertainment, Interkulturell, Sachbuch
Kritik Memoiren. My Other Family: An Artist-Wife in Singapore, von Patricia Morley (1994) – 7 Sterne
Von 1946 bis 1948 lebte die Engländerin Patricia Morley in Singapur mit englischem Mann und eigenen Kindern – und mit mehreren malaiischen Hausangestellten plus Anhang. Über die Malaiien (gutteils aus Indonesien) berichtet Morley in diesem Buch. Außerdem zeigt die künstlerisch ausgebildete Autorin 16 Kohlezeichnungen in ordentlicher SW-Qualität auf Kunstdruckpapier. Obwohl ihr Mann in der Kolonialverwaltung arbeitete, kommt Politisches nicht zur Sprache. Patricia Morley redet nur über Persönliches und Äußerliches. Vielleicht ist das Politische an ihrem Bericht, dass Morley die Verhältnisse nie in Frage stellt, auch nicht die Niedrigstlöhne ihres Personals. Harte Ungerechtigkeiten und das frauenfeindliche Klima spricht sie knapp und nüchtern oder gar nicht an. Laut Eigendarstellung im Buch behandelt…
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Romankritik: Die Schwarze von Panama, von Georges Simenon (1935) – 7 Sterne
Der Kreditbrief platzt, und so strandet ein gutsituiertes französisches Ehepaar fast mittellos im schwül-heißen Panama. Die Frau findet Anstellung und Unterkunft in einem guten Hotel, doch der Mann muss allein im „Negerviertel“ hausen (S. 67): Das Haus roch nach Negern. Der Mann lässt sich gehen, goes native samt örtlicher Loverin, und Georges Simenon schildert das genüsslich. Auf Amazon: Bücher Georges Simenon Simenon (1903 – 1989) berichtet viele stimmige Details, schafft eine glaubhafte Atmosphäre. Doch manche Handlungselemente überzeugen nicht ganz: Der gestrandete Ehemann, Ingenieur, verschwendet sein letztes Geld wenig glaubhaft an Alkohol, den er nicht verträgt; die scharfe soziale Segregation der Eheleute gleich nach Platzen des Kreditbriefs klingt unglaubwürdig; und die…
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Kritik Indonesien-Buch: Hallo Mr. Puttyman bzw. Auf den Spuren von Mr. Spock, von Nigel Barley (1989, engl. Not a Hazardous Sport bzw. Toraja) – 6 Sterne
Nigel Barley beginnt sein Indonesien-Buch weitschweifig mit Reisegedöhns: The equipment laid out on the bed… How many shirts? How many pairs of socks? …a cheap ticket… the broken lavatories of the airport… Heute hier, morgen dort: Ja, wir hören auch länger vom Flughafen Moskau, und Barleys ursprüngliches Flugticket aus einer dubiosen Quelle platzte. Das ist doch eine Zumutung für den Leser, wenn auch routiniert flüssig geschrieben (ich kenne nur das englische Original und kann die deutsche Fassung nicht beurteilen). Und weiter schleppt sich Barleys Bericht von Haltestelle zu Haltestelle: Nach dem Flughafen Moskau kommt die Zwischenstation Singapur. Dann Zwischenstation Jakarta. Dann Busfahrt Jakarta-Surabaya. Dann Zwischenstation Surabaya. Dann Fähre Surabaya-Sulawesi. Zwischen-Aufenthalt…
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Kritik Afrikabuch: Die Raupenplage, von Nigel Barley (1983, engl. Plague of Caterpillars) – 7 Sterne
Routiniert spult das Afrikabuch Anekdoten, Pointen und Allgemeinplätze herunter: Ein schriller Weißer ermordet seine Katze und kocht sie. Auch Erlebnisse mit halbzahmen Affen oder Vögeln walzt Nigel Barley (*1947) breit fürs Publikum aus; sie scheinen teils fürs Buch inszeniert oder dramatisiert, auch der kackende Ziegenbock in der Lehmhütte, haha. Nigel Barly bei Amazon (Werbe-Link) Warum Anthropologe Barley mit abgehangenen Dritte-Welt-Malesten bei der Einreise, bei Inlandsflügen und in schäbigen Hauptstadt-Hotels beginnt, bleibt unklar – er hat doch viel besseres Material. Aber vielleicht gehört Klischeeauswalzen zum Genre, so wie vielleicht auch die Titelbild-Karikatur mit weißem Grinsemann im Safari-Hemd, Affe und Bierflasche im Arm (Affe und Bierflasche erscheinen in den Berichten). Erst im…
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Kritik Afrikabuch: Traumatische Tropen, Notizen aus meiner Lehmhütte. Von Nigel Barley (1983, engl. The Innocent Anthropologist) – 7 Sterne
Anekdoten, Pointen und Allgemeinplätze schnurren ab der ersten Seite gut geölt herunter. Dazu behauptet Nigel Barley in seinem Afrikabuch auch mal Widersprüchliches: Aufgebrochen sei er totally unprepared both materially and mentally for the bush und nur eine Seite später: I felt as well equipped as anyone needed to be. Selbstironie ist des Angelsachsen Pflicht, darum Barley über sich: a flurry of irrelevant activity… re-establish my credentials as a harmless idiot Ein englischer Kritiker bezeichnete Barley als typischen „court jester“ (Hofnarr) der britischen Reiseliteratur (Quelle), und im englischen Nachfolgeband Raupenplage preist ihn der Verlag tatsächlich als „jester“ an. Das passt, und in der zweiten Buchhälfte habe ich tatsächlich ein paar Mal…
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Besprechung: Ein Haus in der Toskana, von Wolfgang Schmidbauer (1990, erw. 1995) – 7 Sterne
Rund 70 von rund 188 Seiten* füllt Wolfgang Schmidbauer mit Text-Portraits seiner Nachbarn in der Toskana – die Überschriften heißen „Gino und die Kühe“, „Consilio und Maria“ oder „Dario der Hirte“, alle jeweils rund sechs bis acht Seiten lang, fast wie ein feststehendes Zeitschriftenformat. Wolfgang Schmidbauer bei Amazon (Werbe-Link) Portraits und Beschauliches: Dazu kommen lyrische Betrachtungen, an denen ich teilweise abglitt, mit Überschriften wie „Die Lichter der Ebene“, „Ein hohler Baum“ oder „Zurück über den Apennin“. Womöglich ist das Nature Writing, ich brauche aber Dialog, Handlung, Konflikt, Human Interest, Interkultur. Immerhin gibt es hier auch Abhandlungen über Veränderungen im Eisenwarenladen, über ein Dorffest, „Schlangengeschichten“ sowie „alle intimen Entleerungen und Reinigungen“.…
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Besprechung: Schadenfreude, A Love Story, von Rebecca Schuman (2017) – 4 Sterne
Dies ist der Lebensweg einer US-Germanistin, kein Buch über Amis und Deutsche in Deutschland. Die US-Amerikanerin Rebecca Schuman hat eine (S. 212*) all-consuming love for the German canon… A reverence that hovered somewhere between religious and sexual ecstasy Zuerst verfällt sie Kafka („the German language’s most famous writer“), später auch Thomas Mann, Wittgenstein und anderen Philosophen. Doch bei ihren längeren Besuchen in Deutschland trifft Schuman nur wenige, und bizarre, Deutsche, u.a. Ordnungsfanatiker („the Herrmann family shit-show“) und sehr grottige Berliner. Auf dieser Datenbasis referiert sie über die „Germans“ mit kühnen Verallgemeinerungen. Jahrelang am Stück gelebt hat sie nie im Deutschsprachigen. Schuman überblickt rund 20 Jahre Deutsch(land)-Faszination, doch sie berichtet gutteils…
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Kritik Sachbuch: Menschwerdung eines Affen, von Heike Behrend (2020) – 6 Sterne
Heike Behrend mischt immer wieder drei unterschiedliche Dinge: Allgemeine Theorie und Praxis der Ethnologenzunft, mit wissenschaftlichen Belegen und Fremdwörtern (z.B. ausführlich „das Motiv des Seelenklaus oder des Verlusts des Schattens“ oder „der akademische Affe als liminale Figur“) Ihre Forschungsergebnisse bei ethnologischen Aufenthalten in Kenia und Uganda – zunächst allgemein Soziales, dann Kannibalismus und Katholizismus, zuletzt Fotografie der Afrikaner die teils kuriosen Reaktionen der erforschten Afrikaner auf ihre Erforscherin; im ersten Buchdrittel (in Kenias Tugenbergen) galt sie ihnen zunächst als „Affe“, später als „Spion“ oder „Kannibale“ (S. 238 etc.). (Ich kann’s kaum glauben, dass die (lt. Buch) linke Berliner Adorno-Rezipientin, Alt-68erin und Kinderladen-Befürworterin Heike Behrend „Affe“, „Spion“ und „Kannibale“ nicht gendert…
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Annehmbar, Asien, Auswandern, Buch, Deutschland, Hot Country Entertainment, Interkulturell, Sachbuch
Kritik Sachbuch: Der fremde Deutsche, von Umeswaran Arunagirinathan (2017) – 5 Sterne
Der Autor, mit 12 aus Sri Lanka geflüchtet, heute dunkelhäutiger Herzchirurg in Deutschland, hat mit ausländerfeindlichen Patienten zu tun, die er darum besonders aufmerksam betreut, und scheitert an vielen Disko-Türen. Tolle Unterstützung bekommt er andererseits auch. Dieses Buch über einen südasiatischen Flüchtling in Deutschland beginnt in… London, und dort lernen wir schlagartig zu viele Familienmitglieder kennen. Kurz danach stellt Umeswaran Arunagirinathan (*1978) seine… afghanische Ersatzfamilie in Deutschland vor, samt Kosenamen. Auch viele andere Vertraute des Autors in Hamburg und Kiel sind zunächst nicht-deutschstämmig: Iraner, Ghanaer, Japaner, Polen. Umeswaran Arunagirinathan auf Amazon (Werbe-Link) Teils interessant: Arunagirinathan schreibt teils Interessantes, aber nie gut. Die Sprache klingt fad, manchmal verschluckt er wichtige Details,…
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Romankritik. Das kann uns keiner nehmen, von Matthias Politycki (2020) – 7 Sterne
Zwei Männer-Männer stiefeln angeschlagen, doch breitbeinig durch Ostafrika und diesen Roman. Die Eier schleifen übern Boden, die Verdauung ruckelt. Herb müffelndes Mansplaining. Der Ich-Erzähler deutet früh allerlei Tragödien an, deren Enthüllung der brave Leser gewiss zum Roman-Ende erwarten darf. Schon der Klappentext raunt schwülstig*: Doch der Tod fährt in Afrika immer mit, und nur einer der beiden wird die Heimreise antreten. Weitere Andeutungen folgen (S. 140): „Er hatte nur noch einen ((Tag)). Doch das wußte er natürlich nicht“ nebst enigmatischen Verweisen auf Verflossene. Das ist ein verschwitztes Buddy-Movie. Frauen gibt’s in diesem Buch nur als himmlische Ex oder Haptik-affine Kellnerin. Matthias Politycki bei Amazon (Werbe-Link) Schwer erträglich ist das, und…
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Annehmbar, Auswandern, Biographie, Buch, Frankreich, Hot Country Entertainment, Interkulturell, Sachbuch, USA
Buchkritik: When in French. Love in a Second Language, von Lauren Collins (2016) – 4 Sterne
Fazit: Lauren Collins ist zu ergriffen von allem: die lieben lebenslustigen französischen Schwiegereltern, das savoir vivre, die Linguistik, mehr Linguistik, Mutterglück auf Französisch, und noch mehr Linguistik – die Dinge strömen aufs Papier, die Autorin verliert sich. Die US-Amerikanerin Lauren Collins (*1980) trifft in London den französischen Mathematiker Olivier; sie heiraten und ziehen ins frankophone Genf. Autorin Collins spricht zunächst kaum Französisch. Sie erzählt einzelne interkulturelle und linguistische Wunderlichkeiten aus London, Genf, Korsika und Bordeaux, der Heimat ihres Mannes, und sie berichtet subtil und interessant von den Schwierigkeiten, wenn man die Landessprache kaum versteht. Auf Amazon: Lauren Collins | Katherine Wilson Überfrachtet: Diese Abschnitte klingen interessant, momentweise lustig und gehen…
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Erster Eindruck Sachbuch: Die Freiheit der Liebe. Paare zwischen zwei Kulturen, von Michael Jeismann (2019)
Der Autor beschreibt überwiegend Paare lang vergangener Jahrhunderte oder Sagenfiguren. Und er beginnt seine Geschichten drög und unübersichtlich mit Rückblick und Verallgemeinerung. Aus diesen zwei Gründen habe ich die systematische Lektüre bald abgebrochen und nur noch geblättert oder per IHV spannende Paarungen gesucht. Sehr lange dauerte das nicht. In den vielen kurzen Kapiteln geht Michael Jeismann u.a. auf David Bowie und Marlon Brando ein, aber gefühlt viel häufiger auf Figuren wie Nero, Theophanu, Caligula, Tocqueville, Otto III. oder Wassilissa, die Froschkönigin. Pioniere wie Richard Francis Burton, Jane Digby oder Emin Pascha erscheinen nicht im Register. Assoziation: Ich interessiere mich für Interkulturelles und für Liebe, aber dieses Buch fesselte mich auf…
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Romankritik: Infanta, von Bodo Kirchhoff (1990) – 7 Sterne
Fazit: Bodo Kirchhoffs mehrfach übersetzter Erfolgsroman hat einige Vorzüge und ein paar Schwächen: Starke Atmosphäre im philippinischen Tropenstadl, reizvolle Dialoge, gut gewebte Handlung, interessante Nebendarsteller, angenehme Sprache. Dazu kommen unrealistische oder undefinierte Hauptfiguren, zu viel angeberische Gewalt sowie Melodrama und Längen in der zweiten Hälfte. Bodo Kirchhoff bei Amazon Moribunde Kröteriche: Die Runde der morbiden, moribunden US-Padres an der Abendtafel im Phillie-Kaff fasziniert: Diese alten Kröteriche belauern unentwegt sich, ihren Besuch und die jungfräuliche Köchin Mayla hinter der Durchreiche. Der Geist ist womöglich willig, das Fleisch aber schlapp. Sie sehen, sie hören alles, jede Berührung und jedes Schnaufen im Nebenzimmer. Sie parlieren hinterlistig und kritzeln nächtens Wand an Wand in…
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Belletristik, Buch, Deutschland, Filmbuch, Gut, Hot Country Entertainment, Interkulturell, Philippinen, Reise, Reisebuch
Kritik Drehbuch: Manila, von Bodo Kirchhoff und Romuald Karmakar (1998) – 7 Sterne – mit Video
Hin im Bumsbomber, zurück im Tripper-Clipper: In diesem Drehbuch warten ein paar Deutsche am Flughafen Manila auf ihre Maschine nach Frankfurt. Sie reden zynisch vulgär über Sexkauf auf den Philippinen und Live-Enthauptung in Saudi-Arabien. Die Dialoge haben was, wenn man sich für Asien-affine Bumsprolls interessiert, Ballermann verschärft. Kurzweilig auch die vielen Schwenks zwischen den Unterschauplätzen – Wartehalle, Klos, Bar mit wechselnden Untergruppen. Die Figuren sind scharf beobachtet und wirken lebensnah. Einige Figuren passen in schnelle Schubladen: Geschiedener Ex-Mercedeshändler, Ossi-Bildungsbürger, Expat-Kneipier, Sextourist mit Elektroladen, weitgereiste Journalistin. Drei auf den Philippinen Geborene sind auch dabei: eine Klofrau, eine Prostituierte und ex-Prostituierte, jetzt Friseuse, also ein Querschnitt der Bevölkerung. Bodo Kirchhoff bei Amazon…
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Erster Lese-Eindruck Thaibuch: Jasmine Nights, von S.P. Somtow (1994)
1963 vor den Toren Bangkoks. Im Mittelpunkt stehen Thaijunge Little Frog, 12, und sein afroamerikanischer Freund Virgil. Deren Jugendgeschichten sind witzig und kurzweilig, und doch habe ich auf Seite 40 abgebrochen: Denn das Buch ist mir viel zu unrealistisch, bis hin zu Chamäleon-Haustier, Limbo-tanzenden Thaitanten, konspirativen Urgroßmüttern und Blowjob beim Leichenschmaus. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es in Thailand passiert. Es klingt eher wie eine Humorsammlung des weltgewandten und ungemein gebildeten Autors S.P. Somtow (*1952), der auch Science Fiction, Horror und Historisches schreibt; und diese Einfälle siedelte er dann irgendwie in Thailand an. Auf Amazon: Bücher über Thailand, Südostasien, ganz Asien Im einzelnen irritierte mich u.a.: Immer wieder redet…
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Belletristik, Buch, Gut, Historisches Buch, Hot Country Entertainment, Interkulturell, Roman, Thailand
Romankritik: Letters from Thailand, von Botan (1969) – 7 Sterne
Fazit: Auf etwa drei Buchfünfteln erzählt Botan eine spannende Geschichte: Ein chinesischer Habenichts baut sich ab 1945 ein Leben in Bangkok auf, gründet Geschäft und Familie. Botan liefert tiefe Einblicke, pfiffige Dialoge und verblüffende Wendungen. Sie schafft Charaktere aus Fleisch und Blut, die sich eigenwillig entwickeln, der Leser wird zum Familienmitglied – nicht immer die reine Freude. Unterschiede treffen hart aufeinander: Chinesisch, Thai und westlich; Mann und Frau; Arm und Reich; modern und traditionell; Stadt und Land. Im dritten und vierten Buchfünftel passiert nicht viel; hier vergisst die Autorin das Geschichte-Erzählen, der Ich-Erzähler räsonniert griesgrämig über die Schlechtigkeit der modernen, nicht-chinesischen Welt. Auf Amazon: Bücher über Thailand, Südostasien, ganz Asien…
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Belletristik, Buch, Gut, Historisches Buch, Hot Country Entertainment, Interkulturell, Kurzgeschichten, Südostasien
Kritik frühe Kurzgeschichten: Geschichten der Unrast, von Joseph Conrad (1898, engl. Tales of Unrest) – 7 Sterne
Fazit: Joseph Conrad (1857 – 1924) präsentiert in fünf frühen Kurzgeeschichten äußerst gemischte Themen, Kulissen, Stile und Wortzahlen – vielleicht nicht ideal für einen Kurzgeschichtenband, aber zu ähnlich sollen die Geschichten ja auch nicht klingen. Zu den Themen gehören: Rasend Verliebter bringt unschuldige Nahestehende zu Tod und ist darob unhappy ever after (2x). Weiße Handelstreibende in Malaiia oder den südlichen Philippinen pflegen respektvolle Freundschaft mit Einheimischen (2x). Asiatische Frauen werden von Männern gegriffen und nicht gefragt (2x). Geistig behinderte Jungs. Einsame unerfahrene Handelsvertreter in Afrika. Gediegener Bürgersmann wird von Ehefrau verlassen. Schauplätze: Südostasiatisches Inselreich (2x). Ländliche Bretagne. Kongoufer. Gehobenes London. Stilmittel: ausführliche Beschreibungen von Natur und Nacht (in Asien). Gewissenswürmer.…
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Auswandern, Belletristik, Buch, Gut, Historisches Buch, Hot Country Entertainment, Interkulturell, Roman, Südostasien
Romankritik: Almayers Luftschloss bzw. Almayers Wahn, von Joseph Conrad (1895, engl. Almayer’s Folly, Lingard-Trilogie Teil 3 von 3) – 7 Sterne – mit 2 Videos
Fazit: Es klingt, als hätte Joseph Conrad (1857 – 1924) seinen Erstlingsroman schnell rausgehauen, atemlos, seitenlang kein Absatz, kein Dialog, Zeitsprünge, Fokus- und Szenenbrüche, wichtige Aspekte aufgeregt wiederholend. Aber der Plot läuft meist zügig durch und wird im letzten Drittel sehr spannend. Es gibt kaum hohle Verallgemeinerungen, wenig mystisches Geraune, das Nature Writing ist nüchtern eindrucksvoll, und noch verzichtet der Autor auf sein späteres Lieblingsmotiv, nächtlich dräuende Wolkentürme über spiegelglatter See. Der Kolonialismus erscheint als brutal, aber ohne streng gutmenschelnden Anklagefinger. Verblüffend, dass Joseph Conrad die Teile 2 und 3 der Lingard-Trilogie so vergleichbar plottete. Stil: Die knapp 16 Seiten von Kapitel 11 bilden gegen Ende eine Ausnahme vom zügigen…
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Romankritik: Der Verdammte der Inseln, von Joseph Conrad (1896, engl. Outcast of the Islands, Lingard-Trilogie Teil 2 von 3) – 6 Sterne – mit Video
Fazit: Joseph Conrad konstruiert eine spannende Räuberpistole mit verblüffenden Manövern, starken Dialogen, interkulturellem Großaufgebot und viel Atmosphäre. Er produziert auch langatmigen Schwulst und einen unglaubwürdigen Hassliebesgockel. Verblüffend, dass Conrad die Teile 2 und 3 der Lingard-Trilogie so vergleichbar plottete und konstruierte. Geschriftstellert: In seinem historisch zweiten Roman klingt Joseph Conrad (1857 – 1924) deutlich epischer und geschriftstellerter als im Erstling Almayers Luftschloss/Almayers Wahn/Almayer’s Folly. Stark sind neben Plot und Interkultur-Mix vor allem die Dialoge: wie sich Almayer und Willems unwirsch angiften oder die gespreizten Höflichkeiten voll kaschierten Egoismus‘ zwischen Malaiien und Arabern. Die Geschichte hat viel dramatisches Potential; sie wurde ja auch vom Spannungsexperten Carol Reed verfilmt. Allerdings ruiniert Conrad…
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Romankritik: Die Rettung, von Joseph Conrad (1920, engl. The Rescue, Lingard-Trilogie Teil 1 von 3) – 3 Sterne
Fazit: Der Ton ist teils märchenonkelhaft und voll überflüssiger Adjektive und Verallgemeinerungen. Teils konnte ich der Geschichte nicht folgen – weder den Gefühlen und Entscheidungen der Protagonisten noch den Inter-Island-Streithändeln – und musste in der englischen Zumbuchwiki die Handlung nachlesen; selbst dort verstand ich nicht alles. Die Figuren erscheinen zu diffus, zu holzschnittartig lieb oder böse; die Hauptfigur, Kapitän Lingard, wirkt zu heroisch, solitär und überlegen („very lonely, dangerous and romantic“, S. 181). Die Erzählstimme ist weitaus zu pathetisch. Der Roman schreitet (segelt) sehr gemächlich voran. Oh Pathos: Die Liebesgeschichte und das ganze Seelengewuhre textet Joseph Conrad (1857 – 1924) haarsträubend pathetisch: S. 142: This man had presented his innermost…
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Kritik Jugendmemoiren: Das deutsche Krokodil, von Ijoma Mangold (2017) – 7 Sterne – mit Video
Kulturjournalist Ijoma Mangold schreibt über seine deutsche Kindheit mit deutscher Mutter und abwesendem Vater aus Nigeria. Die Geschichte reicht bis in Mangolds viertes Lebensjahrzehnt, bleibt aber stets im Privatbereich – von seinem Beruf als Top-Kulturjournalist hören wir nichts. Mangold hat dunklere Haut und krauses schwarzes Haar. Er liefert über weite Strecken einen allgemeinen Bericht über Jugend in den 1970ern, 1980ern, ohne interkulturelle oder fremdenfeindliche Noten. So steht auf Seite 99 meiner 2017er-Rowohlt-Hardcover-Ausgabe: Dass ich exotisch aussah, schien an der Schule niemand groß zu bemerken… Meine fremdländische Aura… wurde gar nicht wahrgenommen. Mangold führt dies vor allem auf das entspannte Heidelberger Klima zurück, bei dem Bildung mehr als Blut zähle. Er…