Biografie-Kritik: Louis ((Leonowens)) and the King of Siam, von W.S. Bristowe (1976) – 6/10

Thailand

Fazit:

W.S. Bristowe schreibt sehr lesbar, fast jovial ironisch, und er berichtet teils von Louis Leonowens, teils von anderem Bemerkenswerten, das ihm bei der Recherche unterkam – Geschehnisse am Königshof, Intrigen bei Provinzfürsten, der weltweite Teakhandel, Teakernte in Nordthailand, Handelspolitik, Innenpolitik, Regionalkriege, Exzentriker und Schönheiten im weiteren Umfeld von Louis Leonowens.

Ein schillernder Mann:

Bristowes Sympathie liegt klar bei den Thailändern, vor allem bei König Chulalongkorn; über manche Engländer und Amerikaner, vor allem über die US-Missionare, schüttet er Spott, nicht jedoch über seine Hauptfigur. Louis Leonowens hat bei Bristowe das Herz stets auf dem rechten Fleck – ein schillernder, abenteuerlicher, stets hilfsbereiter und mitfühlender Mann mit polyamorösen Tendenzen, und so ganz anders als seine gestrenge Mutter Anna Leonowens.

Louis Leonowens (1856 – 1919) kam 1862 als Siebenjähriger mit seiner Mutter Anna Leonowens nach Siam/später Thailand genannt. Zuletzt im Land gesehen ward er 1913 oder 1914.

Sein Biograf, Spinnenforscher F.W. Bristowe (1901 – 1979), besuchte Thailand zwölfmal zwischen 1930 und 1974. Bristowe studierte viele uralte Dokumente, zu seinen Informanten zählen auch Louis Leonowens’ Tochter und die Thailänderin

Keona (whose vivid recollections when she was 103 amazed me)

In den Endnoten begründet Bristol sehr ausführlich, warum er Keona für glaubwürdig hält.

Louis Leonowens’ Haus in Lampang, N-Thailand, als Museum 2022. (c) Hans D. Blog

Dies und das:

Es dauert länger, bis Biograf Bristowe sich wirklich auf Hauptfigur Louis Leonowens eingroovt:

  1. Das erste Kapitel handelt von König Mongkut (Rama IV)
  2. Das zweite Kapitel handelt von Anna Leonowens
  3. Das dritte Kapitel handelt tatsächlich von Louis Leonowens, ihrem Sohn
  4. Das vierte Kapitel beschreibt dann Intrigen am Hof von König Chulalongkorn (Rama 5, Sohn von Mongkut, Jugendfreund von Louis Leonowens)

Und so geht es weiter. Bristowe erzählt mal von Louis Leonowens, und mal ganze Kapitel lang von politischen Intrigen und Stammeskämpfen im Norden, etwa in Chiang Mai oder Lampang.

Intriguing snippets:

Begegnet Bristowe einer “delightful widow” oder erhält Missionar-Doktor Cheek vom Chiang-Mai-Chief

a beautiful slave girl called Noja and a block of valuable land on the west bank of the river

dann kann Bristowe der Geschichte nicht widerstehen – ein guter Teil dieser Nebenhandlungen erscheint in den Endnoten, noch mehr aber im Haupttext. Der Dusit-Golfplatz hatte einen eigenen Caddie

to dive into canals (many of which the fairway had to cross)

Bristowe sagt es selbst:

When hearing intriguing snippets about people one often wants to know more…

bevor er in den Endnoten zu Kapitel XII wieder eine Nebenfigur genauer vorstellt.

Die Tempel von Lampang im Norden Thailands begeisterten Leonowens’ zweite Frau Reta. Bild: Wat Koh Walukaram am Fluss Wang, Lampang © Hans D. Blog

Lange Geschichte, kurzes Buch:

Bristowe beginnt sein kurzes Buch mit König Mongkut (Rama IV) – lange vor Louis Leonowens’ Geburt. Der Autor amüsiert sich über die vergeblichen Bemühungen verklemmter amerikanischer Missionare in Thailand, seine Sympathie gehört dem Thai-König. Der Autor unterstellt dem bekanntesten Missionar und Mongkut-Vertrauten gelegentlich sogar

a singularly ill-bred manner

Im zweiten Kapitel beleuchtet Bristowe die Rolle von Anna Leonowens am thailändischen Königshof von 1862 bis 1867 und betont die zahlreichen Falschbehauptungen in Leonowens’ zwei Büchern:

fictitious examples… complete invention… unscrupulous plagiarism… fictitious account… scarcely a word of her own story was true… distorting history for three generations

Die auf Leonowens basierenden Bücher, Musicals und Kinofilme aus dem 20. Jahrhundert bespricht Bristowe nicht (obwohl  sein Buchtitel, Louis and the King of Siam, auf ein bekanntes Buch über Anna Leonowens anspielt, Anna and the King of Siam, von Margaret Landon).

Louis Leonowens selbst erscheint erst im dritten Kapitel, ungefähr auf der 20. von 120 Seiten Haupttext. Dem folgt allerdings ein Kapitel über komplizierte Hofintrigen um König Chulalongkorn (Rama 5, Mongkuts Sohn), Louis Leonowens’ Freund aus Kindertagen, ohne dass Louis eine Rolle spielt.

Sprache:

Bristow schreibt extrem leicht lesbar und umgänglich. Fast schon zu salopp, aber er hat auch ein paar Tics, z.b wiederholt Formulierungen dieser Art (Seite 76):

Directly the breech with Cheek had been confirmed , Louis set out… they would return his family directly they were found…

Meines Erachtens sollte Bristowe statt “directly” lieber “immediately after” schreiben, die Konstruktion kehrt immer wieder.

Gelegentlich Verwirrung stiftet Bristowes Gebrauch des Thai-Wortes Chao, ein Adelstitel. Bristowe redet wiederholt von Chaos (mit grossem C), und man muss sich Mühe geben,  es nicht falsch zu verstehen:

all the local Chaos were his personal friends… Chaos and their servants…

Mitunter schreibt Bristowe zu insiderhaft und schwer nachvollziehbar für Nichteingeweihte (oder ich habe nicht aufmerksam gelesen). Die Nordthailänder in Chiang Mai oder Lampang bezeichnet er manchmal als Laoten; mit “the southern Siamese” meint er das Königshaus in Bangkok.

Louis Leonowens’ Haus in Lampang, N-Thailand, als Museum 2022. (c) Hans D. Blog

Assoziation:

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

 

Nach oben scrollen