Rezension historischer Indien-Roman: Hitze und Staub, von Ruth Prawer Jhabvala (1975) – 7/10 – mit Presse-Links & Video


Prawer Jhabvala (1927 – 2013) schreibt nüchtern, teils mild spöttisch über Alltag in der staubigen indischen Provinz – abwechselnd in den 1920er und in den 1970er Jahren. Zeitweise schildert die Autorin Banales in Indien, dann wieder präsentiert sie sehr exzentrische Inder und Engländer. Das unterhält, ist aber kaum typisch.

Die Ich-Erzählerin in diesem kurzen Roman (157 Seiten) reist in den 1970ern in die indische Kleinstadt Satipur, um dort dem Leben ihrer Stiefgroßmutter Olivia nachzuforschen. Die verließ in den 1920er Jahren ihren englischen Mann, um mit einem indischen Kleinfürsten zu leben (das erfahren wir auf der ersten Seite, es kommt nicht überraschend).

Prawer Jhabvalas Sprache ist nichts Besonderes und fesselt doch jeden Moment, weil die Ich-Erzählerin ruhiges Selbstbewusstsein ausstrahlt und – wie ihr historisches Studienobjekt – ohne viel Aufhebens Grenzen überschreitet (ich kenne nur das englische Original und kann die deutsche Übersetzung nicht beurteilen). Dieser Indien-Roman zeigt Engländer viel deutlicher im Vordergrund als Prawer Jhabvalas Indien-Buch Esmond in India (1957).

Die Ich-Erzählerin berichtet abwechselnd ihre eigenen und die historischen Erlebnisse ihrer Stief-Großmutter. Dabei entstehen verblüffende Parallelen zwischen den Zeitebenen – Markantes wiederholt sich am bekannten Ort. So verschränkt Prawer Jhabvala die zwei Handlungen sehr schön, sehr filmi, und nicht sehr realistisch. Die Handlung um die Ich-Erzählerin lässt eine große Frage offen; sie hat sich allerdings im ganzen Buch nicht sehr wichtig genommen.

Das Buch erhielt 1975 den renommierten englischen Man Booker Prize und wurde 1983 von Merchant Ivory verfilmt, mit einem Drehbuch der Romanautorin (Video unten). Meine englische Schulausgabe der Reihe Longman Literature hat allerlei Hintergrundtexte und Diskussionsanleitungen.

Assoziation:

  • die anderen Indien-Romane und -Kurzgeschichten von Ruth Prawer Jhabwala klingen so ähnlich
  • die zwei ersten, indischen Geschichten aus Salman Rushdies Band Osten, Westen

“A Book of Cool, Controlled Brilliance…” – die Kritiken:

Aamer Hussein im Telegraph:

She was rightly acclaimed for her Forsterian take on foreigners adrift in a hostile India

The Guardian:

The stories fold into each other neatly, all transitions are smooth, both have plenty of momentum… the dialogue is always slick and often witty

The Times*:

A complex story line… is handled with dazzling assurance. The simplicity of the prose, the sharpness of the dialogue… a book of cool, controlled brillance.

The Sunday Times*:

So skilled that it all seems artlessly simple.

*zitiert in meiner gedruckten Buchausgabe aus Longman Literature




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