Kritik Robert Sedlaczek: Sprachwitze (2020) – 6/10

Immer wieder rekurriert der Autor auf Sigmund Freud, aber auch auf Schopenhauer und allerlei Linguisten, Historiker und Psychologen sowie Humoristen verflossener Jahrzehnte.

Fett gedruckt nennt Autor Robert Sedlaczek zu fast jedem der über 500 zitierten Witze (Verlagswerbung) ein anderes Witzsubgenre, wie etwa Mutter-Kind-Witz, Lehrer-Kind-Witz, Dreizahlwitz, Unbildungswitz, Situationswitz, Dialogwitz, Metawitz, Zerlegungswitz, Essex-Girl-Witz, Antimännerwitz, Ethnowitz, Polenwitz, Türkenwitz, Burgenländerwitz, Blondinenwitz, Baron-Mikesch-Witz, Frau-Pollak-von-Parnegg-Witz, Graf-Bobby-Witz,

Manche Witze passen in mehrere Kategorien und werden deshalb bewusst mehrfach zitiert. Gelegentlich zitiert der Autor einen Witz auch mehrfach, ohne dies zu sagen, etwa das Kollabieren von Cola und Bier in der Wiederholung auf Seite 212 oder der 80-Jährige mit der 25-jährigen Frau, Wiederholung auf Seite 225. Der Witz vom Mann, der nicht nur verändert aussieht, sondern auch anders heißt (weil er gar nicht der gemeinte ist), erscheint auf Seite 246 gefühlt zum dritten Mal.

Dann wieder verweist Robert Sedlaczek auf Seite 245 ohne Wiederholung auf einen anderen

Witz, den Sie schon kennen (siehe S. 29).

Letztklassig:

Der Autor entschuldigt sich dafür, dass er Witze erklären müsse, was ihrem Sinn eigentlich widerspreche. Einmal erläutert er überflüssigissimo einen Witz über Döner und Dativ und entschuldigt sich (S. 109):

Wir brauchen uns damit nicht länger zu befassen. Die Pointe im Witz selbst zu erklären, ist letztklassig.

Aber Robert Sedlaczek erklärt seine Witze gleichwohl immer wieder, weit öfter als nötig, auch leicht verständliche. Das tut weh und verkehrt die heilende Wirkung des Witzes ins Gegenteil. Wir lesen dann etwa (S. 49, Formatierung immer wie im Buch, danach S. 69, S 124, S. 50, S. 80, S. 113, 143):

Aus sprachlicher Sicht geht es um einen Doppelsinn des Wortes Arsch.

…die zwölf Apostel sind von Jesus Christus mit der Verkündigung des Glaubens beauftragt worden.

Veranda und Angina werden von den beiden Witzefiguren ((sic)) fälschlich als weibliche Vornamen interpretiert, weil diese Wörter auf -a enden.

Der Witz spielt darauf an, dass Männer kein gesichertes Wissen über die Vaterschaft besitzen.

Die Vorstellung, dass ein Koch seine kulinarische Kreation mit einem BH auf dem Teller serviert, ist die durch Unsinn geprägte Pointe.

Der Pfarrer meint “den Freund sein lassen”, sie aber denkt: “den Freund drüber lassen”.

Mit “gleich” kann einerseits die Reimform gemeint sein – “Süss” und “Füß”-  andererseits kann “gleich” aber auch die Bedeutung “sofort” haben.

Tatsächlich erzählt der Autor auch Witze, die man nur nach historischen oder sprachgeschichtlichen Erläuterungen versteht. Sie gehören wohl in das Buch, törnen mich aber ab, selbst wenn der Autor zuerst das erforderliche Wissen (z.B. die Bedeutung von “kapores”) und dann den Witz liefert.

Während er sonst überflüssig viel erklärt – und erklärte Witze betrüben wie gesagt –, benutzt Sedlaczek das Verb tachinieren in seinem Lauftext (nicht innerhalb eines Witzes) ganz unerläutert.

Angepatzt:

Sprachlich österreichert der Autor ungeniert, etwa hier (S. 50, vom Buchautor kursiviert, weil Witz):

Ein Paar sitzt beim Restaurant im Essen. Der Mann patzt sich an… “angepatzt hast du dich auch noch!”

Sedlaczek reminisziert enthemmt (S. 115),

Ich erinnere mich noch, wie früher in Wien…

Auf Seite 76 bei den Schüttelreimen lässt er verschämt ein Wort aus, der Leser muss es sich austriakisch dazu denken:

STRANSKY: Man darf sich ja unter den Pöbel mischen / aber sollte nie unter die Möbel …

Allem Körperlichen erkennbar zugetan, schreibt er das Wort in anderen Witzen auf den Seiten 182, 254 und 271 aus.

Ansonsten hat der Autor wenig Scheu vor der Erotischem, Grobvulgärem (S. 306) und Fäkalem, selbst wenn er es teils in den Anhang verbannt (mit dickem Hinweis im Haupttext). Schließlich verantwortete er schon das Unanständige Lexikon mit.

Schwebende Klage:

Zwar liest sich Sedlazcek flüssig, doch war ich nicht mit allen Formulierungen einverstanden, etwa hier auf Seite 65:

…angesichts der Deftigkeit mancher Witze über die real existierende Frau Pollak schwebte über dem Kopf des Witzeerfinders auch eine Verleumdungsklage.

Dazu kommt fieses Dativ-e (z.B. “auf dem Lande”, Seite 69). Und es gibt Formulierungen wie (Seite 108):

Er tut so, wie wenn er…

Mehrfach verwendet er “frotzeln” transitiv, etwa auf Seite 132:

… will seine Frau mit einem lächerlichen Geburtstagsgeschenk frotzeln.

Wovon handelt das Buch eigentlich:

Auf der Titelseite heißt das Buch einzig und allein: “Sprachwitze”. Alles klar.

Auf der Rückseite steht dann: “Vom jüdischen Humor bis zum Wortspiel analysiert Robert Sedlaczek…” Ach so?

Auf einer Innenseite vor dem Haupttext lesen wir: “Sprachwitze – Die Formen. Die Techniken. Die jüdischen Wurzeln”. Alles klar?

Assoziation:

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