Kritik Theaterstück: Ein idealer Gatte, von Oscar Wilde (1895) – 6/10

Das Theaterstück handelt von Moral, Politik und Erpressung mit Rufmord. Im dritten von vier Akten wird daraus plötzlich eine schnelle Verwechslungskomödie, und nebenbei kommt wenig glaubwürdig Liebe ins Spiel.

Einige Figuren wirken besonders unrealistisch, so die hysterisch schwankende Lady Chiltern und die boshaft feixende Mrs Chevely. Manche Monologe in diesem Stück ziehen sich über eine ermüdende halbe Seite – war Oscar Wilde auf der Höhe seiner Kraft? (Engl. Titel An Ideal Husband.)

Reden über nichts:

Zwar bietet das Stück mehr Politik und weniger Liebe als andere Komödien von Oscar Wilde (1854 – 1900). Er kredenzt gleichwohl seine üblichen paradoxen Sentenzen:

I love talking about nothing, father. It is the only thing I know anything about.

I adore political parties. They are the only place left to us where people don’t talk politics.

Das wirkt gedrechselt, erkenntnisfrei, speziell wenn man die Masche bereits aus anderen Oscar-Wilde-Dramen kennt. Doch Wilde schreibt auch gute Einzeiler in diesem etwas weniger humorvollen Stück, vielleicht sogar seiner besten nicht sinnfreien Einzeiler. Einige stammen von der unrealistisch boshaften Mrs Chevely:

Poor old Lord Mortlake, who had only two topics of conversation, his gout and his wife! I never could quite make out which of the two he was talking about.

Don’t ((give me advice)). One should never give a woman anything that she can’t wear in the evening.

In diesem Theaterstück liefert Oscar Wilde mehrfach Personenbeschreibungen innerhalb der Regieanweisungen, die wie ein Roman klingen:

Not popular – few personalities are. But intensely admired by the few, and deeply respected by the many… Vandyck would have liked to have painted his head

Assoziation:

  • Die besseren, nicht sinnfreien Einzeiler wirken etwas gehaltvoller, bitterer und politischer als in Wildes Stücken Ernst sein ist alles und Lady Windermeres Fächer; im Vergleich zu diesen Stücken hat Ein idealer Gatte mehr Politik und Moral und weniger Liebeshändel
  • Die Konstruktion erinnert etwas an Lady Windermeres Fächer: Der vorletzte Akt wechselt in eine andere Wohnung, es gibt dort wilde Verwechselungen, eine selbstbewusst intrigante Lady, und ein Gegenstand spielt eine wichtige Rolle (hier ein Schmuckstück, dort ein Fächer).
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Die New Mermaids-Ausgabe:

Ich hatte die kommentierte englische Ausgabe von Bloomsbury/methuen drama/New Mermaids. Die Fußnoten direkt auf den Textseiten ödeten mich an: Sie behandeln weitgehend mikroskopische Unterschiede zwischen einzelnen Textfassungen, und das mit allerlei Abkürzungen. Historische, soziale oder biografische Bezüge behandeln die Kommentare kaum. Was sind

the riband and star of the Garter… Corots…

Die Anmerkungen sagen es nicht. Dabei moniert selbst ein Protagonist,

I don’t know what bimetallism means

Die wenigen tatsächlich vorhandenen erklärenden Fußnoten gehen in den langen Versionsvergleichen unter. Der Band liefert jedoch vorab genauere und klarere Zusammenfassungen der einzelnen Akte als deutsche oder englische Wikipedia.

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