Im ersten Teil
bringt Colette (18173 – 1954) kurze Geschichten über Tiere aus Menschensicht, scheinbar sehr autobiografisch über sich und ihre Haustiere in vielen Jahrzehnten – nicht nur Katzen, sondern auch mehrere Hunde, Eichhörnchen, Papageien, Wildvögel, Pferde, “Großvater Gecko”, Echsen, Goldfische, Bienen. Colette vermenschlicht ein wenig, präsentiert markante Charaktere auf vier Pfoten, liebevoll, auch neckisch; aber die amüsiert und wertfrei beobachtende menschliche Ich-Erzählerin bleibt präsent.
Der zweite Teil dreht die Perspektive um: Hund und Katze reden über Menschen aus Sicht der Tiere.
Übersetzerin Gertrud Barnert deutscht das überwiegend kernig ein, der Ton passt das gut zur teils minderjährigen Ich-Erzählerin und ihren Hauptfiguren. Da
- tremoliert ein schnurrhaariger “Dachrinnentenor”,
- tritt eine “alte, nervöse, liebenswürdige und eigenwillige schwarze Stute” aus,
- pflegt ein Jagdhund seine “panische Angst und Abscheu vor Feuerwaffen”
- und das Haus-Eichhörnchen
ließ blitzschnell Haselnußschalen und vernichtende Wahrheiten auf die konsternierten Tiere ((Hauskatzen)) herniederprasseln
Nur gelegentlich störten mich Koppel-s (“Zwirnsfaden”) oder Ausdrücke wie “in Hinkunft” (künftig) oder “berufliche Geschäfte”.
Die Tiergeschichten trug der Knaur-Verlag für sein dünnes Taschenbuch offenbar aus unterschiedlichsten Colette-Büchern zusammen.
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Kein gedrucktes Katzenvideo
Anders als der Buchtitel suggeriert, zelebriert Colette keine seichte Katzenvideoseligkeit. Sie erzählt nonchalant, wird gelegentlich eiskalt schwarzhumorig:
Die ganze Familie war tierliebend, und die Tiere liebten uns, wenngleich in diesem Haus Menschen wie Tiere ihre persönlichen Eigenheiten vielleicht allzu frei auslebten.
Das kann man wohl sagen. Und kommt ein Wuffi unter die Räder, schlägt man im Kochbuch nach und praktiziert Nose-to-tail:
“Dieses Hündchen ist fleischiger und zarter als eine Poularde ((…))”
Scheinbar beeindruckt feiert Colette ihre promiske Hauskatze,
leichtlebig und lustig, treulos gegenüber mehreren Katern, denen sie sich skrupellos hingibt und wieder entzieht
In der ersten Kurzgeschichte
führt die brave Schäferhündin ihr Soldaten-Herrchen auf Heimaturlaub vor ein Haus, in dem ihn seine Geliebte vielleicht soeben betrügt. Hübsche kleine Skizze; die einzige Story, in der das menschliche und das nicht tierische Schicksal im Vordergrund steht.
- Die zweite kurze Geschichte zeigt nett vermenschlichte Katzen – Katzendamen, die den Lover der letzten Nacht plötzlich rüde abkanzeln oder den Retter ihrer Katzenkinder auszanken statt loben, weil sie die Rettungsaktion gar nicht gesehen haben. Babou, der Langkater, isst gern Erdbeeren und Melonen und kennt die leckersten Sorten ganz genau. Vergnüglich.
- Das muntere Haus-Eichhörnchen Pitiriki kommuniziert mit Hauskröten, Hauskatzen, allerlei Garten-Getier und schließlich mit weitläufigen Nachbarn. Auch vergnüglich.
- Die ganze Familie ist ausnehmend tierlieb. Und wenn das Hundchen unter die Räder kam, kann man es doch verzehren? Süffig makaber, ich lachte mehrfach erschreckt auf.
- Lob der Bulldogge, die kein Hund sei, sondern eine Bulldogge, aber ihrerseits nur Bulldoggen als Hunde anerkenne. Knappe Skizze, die mit Kennenlernen und Ableinen einer neu erhaltenen Bulldogge, der vierten oder fünften im Leben, endet.
- Warum ein Papagei über den Verlust einer Dogge hinwegtrösten kann. Sehr kurz und verblüffend.
- Die Hausschlange und ihre Wirkung auf andere Haustiere wie Frösche und Geckos. Kurz, wie immer interessierend und fast aufreizend lapidar geschrieben. Gleichwohl wenig Handlung.
- Goldfisch hüpft aus dem überhitzten Aquarium auf den Boden, Zwei- und Vierbeiner begeben sich auf Verfolgungsjagd. Hat Petit-Louis den Fisch gefunden? Petit-Louis ist ein besonders großer Kater. Hoch amüsant.
- Diese Kurzgeschichte handelt von Eulen, Bienen und Ökologie.
Die Geschichten 10 und 11 präsentieren die “Katze, die über uns alle herrschte” sowie Meisen und Rotkehlchen, die über die Katze herrschen.
Die Titelgeschichte hat nur eineinhalb Seiten und noch weniger Handlung. Wahrscheinlich durfte sie nur ins Buch, weil sie so einen putzigen Buchtitel hergibt. Danach liefert das Bändchen einige jeweils nur wenige Zeilen lange Betrachtungen
Im zweiten Teil
folgen Mini-Theaterstücke: In den Hauptrollen eine Bulldogge und ein Angorakater, in winzigen Nebenrollen die menschlichen Tierhalter. Diesmal stehen die Tiere im Mittelpunkt und reden über Menschen aus Tiersicht. Dies interessierte mich nur zwei Seiten lang, die anschließenden mehrere Dutzend Seiten verlockten mich nicht mehr.
Im ersten Mini-Drama reden Hund und Katze über Magenverstimmung, Abführmittel, Qualen des Gebadetwerden und die blutjunge, vernaschbare Nachbarkatze. Keine Handlung. Es klingt naiv und belanglos. Vielleicht nur für glühende Katzenliebhaber interessant, ich esse ja lieber Bio-Rind (oder Hündchen à la Colette).
Assoziation:
- Samtpfoten in Pariser Kleine-Leute-Vierteln agieren auch in Die Katze von Colette-Mitarbeiter Georges Simenon
- Das bekanntere Buch Die Katze von Colette ist etwas anderes (Amazon-Werbelink)
- Soldaten um 1916 auf Heimaturlaub und Frauensuche auch in Colettes Mitsou
- Colettes Romänchen Die Katze
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