Um 1832 in einem Dorf am Oderbruch: Die Eheleute Hradschek betreiben einen Kramladen nebst Gasthaus. Sie stecken in Geldschwierigkeiten – ein Mord soll die Probleme beiseiteschaffen.
Erst nach der Bluttat beginnt der kleine Roman so richtig. Den Täter kennen wir. Die Frage bleibt, ob oder wie lange er seine Schuld vor dem Dorf verbirgt und was genau in der Mordnacht geschah – ein bisschen wie bei Patricia Highsmith.
Theodor Fontane macht das einigermaßen spannend, die Eindrücke gehen hin und her, naheliegende Vermutungen bewahrheiten sich letztlich nicht. Die Dorfszene mit ihren Wichtigtuern und Hauptamtlichen wird sehr lebendig. Viele Dialoge erklingen in starkem Platt.
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Gelegentlich aber reden die Figuren auch überdeutlich prophetisch. Eine Zeugin hält ein wichtiges Detail monatelang zurück – das ergibt keinen Sinn, außer dass die Spannung oben bleibt. Gelegentlich überlagern religiöse Schwingungen das Geschehen. Insgesamt eine angenehme, kurze Lektüre.
Ich hatte den Roman in einer Ausgabe der Klett-Lesehefte. Wie immer bei Fontane gab es viele Ausdrücke und Anspielungen, zu denen ich mir eine Erklärung wünschte. Doch die Klett-Lesehefte erklären zu wenig und wenn, dann nur mit zwei Worten, ohne den Bezug einer Anspielung zum Roman zu erklären. Immer wieder werden geläufige Begriffe erläutert, seltene Ausdrücke jedoch nicht. Ein Beispiel von Seite 76: Das Wort Reputation wird behandelt, das Wort Fouragierung nicht.
Freie Assoziation:
- Anders als etwa die Fontane-Klassiker Frau Jenny Treibel, Irrungen, Wirrungen oder Effi Briest ist Unterm Birnbaum kein typischer Fontane-Gesellschaftsroman, sondern eher ein Krimi: Es gibt keine vergebliche Liebe, keinen Ehebruch, weder verletzte Ehre noch bestürzende soziale Gräben. Vertraut jedoch: Die Figuren plaudern viel und unterhaltsam, sie reminiszieren historisch und sprechen dem Wein zu.
- Andererseits hat das Unterm Birnbaum relativ viel Handlung und schnelle Veränderungen. Anders als Fontanes Gesellschaftsromane spielt es nicht in etwa zur Zeit der Niederschrift – in den 1880er oder 1890er Jahren – sondern deutlich früher.
- Auch Stine (1889) bringt viel Kleine-Leute-Gerede in starkem Dialekt, das jedoch besser zu verstehen ist.
- Das nord-plattdeutsche Leben erinnert auch an Dörte Hansens Altes Land und an Walter Kempowskis Heile Welt.
Theodor Fontane bei HansBlog.de:
* Datum jw. erstes Erscheinen als Fortsetzungsroman in der Zeitung, nicht als Buch, Quelle jw. Wikipedia
** Maximum Leserwertung bei Amazon und Goodreads jw. 5; bei HansBlog 10; erfasst Juli/August 2017
Handlung
Milieus
Goodreads.com**
Amazon.de
HansBlog.de
1880*
L'Adultera
Ehe unterschiedlicher Charaktere und Generationen ohne Liebe, Ehebruch
Geschäftsleute in Berlin; etwas Berliner und Schweizer Mundart; eher kurz
3,18 (106 Stimmen)
3,6 (8)
7
1885
Unterm Birnbaum
Leben eines Wirtsleute-Ehepaars, nachdem es einen Mord begangen hat; kein Liebesdrama
Dorf im Oderbruch um 1831; viel Mundart; eher kurz
3,13 (327)
3,5 (52)
7
1886
Cécile
Ehe unterschiedlicher Charaktere und Generationen ohne Liebe
Oberst und andere Militärs, lange in einem Kurort, dann in Berlin
3,4 (85)
3,5 (13)
5
1887
Irrungen, Wirrungen
Zukunftslose Beziehung über Standesgrenzen hinweg in Berlin, Ehe ohne Liebe; Kleinbürger und Adlige
viel Mundart, Wechsel zwischen Kleinbürgern und adligen Militärs, Schauplatz Berlin und Umland
3,22 (1392)
4,2 (54)
7
1889
Stine
Zukunftslose Beziehung über Standesgrenzen hinweg in Berlin zu Versorgungszwecken
viel Mundart, Wechsel zwischen Kleinbürgern, Bürgern und Kleinadligen, Schauplatz Berlin
3,31 (85)
3,7 (3) bzw.
4,3 (3)
7
1892
Unwiederbringlich
Ehe unterschiedlicher Charaktere, Ehebruch und dessen Folgen; Adlige
lange Dialoge voller historischer Anspielungen; die letzten 60 Seiten plötzlich mit viel Handlung; Schauplatz Ostseedorf und höfisches Kopenhagen
3,72 (292)
4,4 (12)
6
1892
Frau Jenny Treibel
Ehen über Standesgrenzen hinweg in Berlin; Kaufleute, Lehrer und Unternehmer
Relativ großes Personaltableau, deutliche Satire, keine dramatischen Gefühle oder Konflikte, kaum Mundart
2,97 (627)
4,0 (56)
7
1894
Effi Briest
Ehe unterschiedlicher Charaktere und Generationen ohne Liebe, Ehebruch und dessen späte Folgen
Wenig Mundart, eher homogenes soz. Mittelschichtmilieu, Schauplatz meist Provinz; lang
3,23 (6656)
3,6 (188)
8
1895
Die Poggenpuhls
Soziale Nöte des verarmten Adels
Verarmte Majorsfamilie in Berlin, wenig Mundart, wenig Handlung, keinerlei Drama, Geldnot und Klasse sind Themen; kurz
3,36 (61)
4,7 (6)
6
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