Romankritik: L’Adultera, von Theodor Fontane (1880) – 7 Sterne


Melanie van der Straaten, née de Caparoux, ist 26 Jahre jünger als ihr Ehemann Ezechiel, ein erfolgreicher Berliner Unternehmer. Der plaudert spöttisch bis zynisch daher und missachtet die Konventionen der gehobenen Schichten mitunter nonchalant. Dabei strahlt er auch noch eine gewisse Kälte aus. Und so interessiert sich Melanie mehr und mehr für einen jungen, gefühlvollen Hausgast.

Die Annäherung beschreibt Theodor Fontane subtil. Er liefert aber zu aufdringliche Allegorien auf die Handlung – das Dahintreiben im Boot über das Ziel hinaus, oder gar ein Gemälde namens L’Adultera (Ehebrecherin), das sich der erst viel später gehörnte Gatte gleich zu Romanbeginn kommen lässt. Wichtige Momente schildert Fontane dann wieder so diskret, dass man sie leicht überliest. Das Ende klingt mild fantastisch.

Ich hatte den Roman in der 1981er-DDR-Ausgabe des Aufbau-Verlags. Sie erklärt alle französischen und englischen Ausdrücke, hilft aber nicht bei historischen, veralteten oder lateinischen Begriffen.

Assoziationen:

Wie in allen seinen Gesellschaftsromanen schildert Fontane auch in L’Adultera lange, gediegene Dialoge an Abendtafeln und bei Landpartien. Bestimmte Entwicklungen werden etwas zu aufdringlich angedeutet. Mild zynische Spötter wie van der Straaten stellt Fontane sonst nicht in den Mittelpunkt; und während er sonst gern norddeutsche Mundarten widergibt, bringt er hier auch abgemildertes Schweizerdeutsch.

Auch Fontanes Effi Briest (1894) ist wesentlich jünger als ihr Ehemann und geht fremd. Das Thema erschien zudem in Fontanes Unwiederbringlich (1892). Das Motiv der spätnächtlichen, verzögerten Hausflucht einer Ehebrecherin übernahm Elke Schmitter in Frau Sartoris.

Theodor Fontane bei HansBlog.de:

Handlung Milieus Good­reads.com** Amazon.de Hans­Blog.de
1880* L'Adultera Ehe unterschiedlicher Charaktere und Generationen ohne Liebe, Ehebruch Geschäftsleute in Berlin; etwas Berliner und Schweizer Mundart; eher kurz 3,18 (106 Stimmen) 3,6 (8) 7
1885 Unterm Birnbaum Leben eines Wirtsleute-Ehepaars, nachdem es einen Mord begangen hat; kein Liebesdrama Dorf im Oderbruch um 1831; viel Mundart; eher kurz 3,13 (327) 3,5 (52) 7
1886 Cécile Ehe unterschiedlicher Charaktere und Generationen ohne Liebe Oberst und andere Militärs, lange in einem Kurort, dann in Berlin 3,4 (85) 3,5 (13) 5
1887 Irrungen, Wirrungen Zukunftslose Beziehung über Standesgrenzen hinweg in Berlin, Ehe ohne Liebe; Kleinbürger und Adlige viel Mundart, Wechsel zwischen Kleinbürgern und adligen Militärs, Schauplatz Berlin und Umland 3,22 (1392)   4,2 (54) 7
1889 Stine Zukunftslose Beziehung über Standesgrenzen hinweg in Berlin zu Versorgungszwecken viel Mundart, Wechsel zwischen Kleinbürgern, Bürgern und Kleinadligen, Schauplatz Berlin 3,31 (85) 3,7 (3) bzw. 4,3 (3) 7
1892 Unwieder­bringlich Ehe unterschiedlicher Charaktere, Ehebruch und dessen Folgen; Adlige lange Dialoge voller historischer Anspielungen; die letzten 60 Seiten plötzlich mit viel Handlung; Schauplatz Ostseedorf und höfisches Kopenhagen 3,72 (292) 4,4 (12) 6
1892 Frau Jenny Treibel Ehen über Standesgrenzen hinweg in Berlin; Kaufleute, Lehrer und Unternehmer Relativ großes Personaltableau, deutliche Satire, keine dramatischen Gefühle oder Konflikte, kaum Mundart 2,97 (627) 4,0 (56) 7
1894 Effi Briest Ehe unterschiedlicher Charaktere und Generationen ohne Liebe, Ehebruch und dessen späte Folgen Wenig Mundart, eher homogenes soz. Mittelschichtmilieu, Schauplatz meist Provinz; lang 3,23 (6656) 3,6 (188) 8
1895 Die Poggenpuhls Soziale Nöte des verarmten Adels Verarmte Majorsfamilie in Berlin, wenig Mundart, wenig Handlung, keinerlei Drama, Geldnot und Klasse sind Themen; kurz 3,36 (61) 4,7 (6) 6
* Datum jw. erstes Erscheinen als Fortsetzungsroman in der Zeitung, nicht als Buch, Quelle jw. Wikipedia ** Maximum Leserwertung bei Amazon und Goodreads jw. 5; bei HansBlog 10; erfasst Juli/August 2017

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