• Annehmbar,  Belletristik,  Buch,  England,  Roman

    Romankritik: Liebe usw., von Julian Barnes (2000, engl. Love etc) – 5/10 Sterne

    Nach einigem Vorgeplänkel schließt der Roman Love etc. nahtlos an den Vorgänger Darüber reden (engl. Talking It Over, 1991) an. Das heißt auch: Es gibt wieder endlose Schwafelei von Oliver/Ollie. Ich hätte gewettet, dass Autor Julian Barnes die Logorrhoe seines evtl. Alter ego im zweiten Band zügelt. Aber nein, Ollie muss wieder obsolete  Betrachtungen und hintervorletzte Fremdwörter sekretieren und die Handlung ausbremsen, noch störender als im ersten Buch. Kostprobe:  In the years since we returned to Londinium Vetus from the Land which knoweth not the Brussels Sprout… a rather mastubatory implication… I’m merely a binoculared student of the passing caravanserai of life Nicht nur dieser Protagonist ist beschämend selbstverliebt, auch…

  • Thailand
    Annehmbar,  Auswandern,  Biographie,  Buch,  Deutschland,  Historisches Buch,  Hot Country Entertainment,  Interkulturell,  Sachbuch

    Kritik Biografie: Walter Spies, Ein exotisches Leben, von Michael Schindhelm (2018) – 5/10 Sterne

    Trotz aller Schwächen kann diese Walter-Spies-Biografie kaum ganz missglücken, denn Autor Michael Schindhelm hat fantastisches Ausgangsmaterial: Walter Spies‘ abenteuerliches Leben in Russland, Deutschland, auf Java und Bali mehrere Forschungsberichte zu Walter Spies Walter Spies‘ pfiffige Briefe v.a. an seine Mutter Walter Spies‘ faszinierende Malerei Michael Schindhelm zitiert freilich zu wenig Spies-Briefe zu knapp zu kalauer-orientiert; und er zeigt zu wenig Spies-Bilder zu klein. Auf Bali präsentiert Schindhelm seine Figur vor allem als Kulturlöwe und Promi-Gastgeber. Amazon-Werbelinks: Walter Spies | Michael Schindhelm Anfang mit dem Ende: Am Anfang schildert Autor, Regisseur und Kulturmanager Michael Schindhelm das Kriegs-Ende von Walter Spies – ein billiger dramaturgischer Trick. Und er schildert es kursiviert, mit…

  • Annehmbar,  Belletristik,  Buch,  Kurzgeschichten

    Kritik Kurzgeschichten, Film: Nichts als Gespenster, von Judith Hermann (2003) – 4,71/10 Sterne – mit Video

    Nicht nur stilistisch ähneln sich die Geschichten stark, sie bringen auch immer wiederkehrende Motive – als ob Hermann das Immergleiche mit immer neu benannten Figuren aufbereite. Das wirkt sehr repetetiv. Wiederkehrende Motive: Hermanns Akteure blicken glasig unbeteiligt auf die Realität, haben teils keinen Beruf, oft keine klare Beziehung. Eine Ich-Erzählerin moniert „seine abgefuckte Coolness“ – die Sprache ist zum Glück nicht typisch, der Ton aller Geschichten passt aber dazu. Hermanns Figuren sitzen oder liegen viel rum, trinken, ignorieren klingelnde Telefone, lassen Zweierbeziehungen bröckeln, qualmen intensiv in allen Geschichten (sogar „eine Krankenschwester mit einer blauen Haube“). Mindestens zwei Frauen fahren lange Strecken zu einem Mann, der sie leicht dominant herbeidirigiert hat,…

  • Annehmbar,  Biographie,  Buch,  England,  Sachbuch

    Kritik Memoiren: Joseph Anton, von Salman Rushdie (2012) – 5/10 Sterne – mit Links

    Fazit: Salman Rushdie schreibt meist flüssig, fast journalistisch und halbwegs spannend. Doch das Buch funkelt nie, es gibt keinen Dialog und keine Vertiefung in andere Charaktere als Rushdie. Es ist eine nicht endende Reihung immer neuer Komplikationen über viele 100 Seiten: Todesdrohungen, bizarre Ex- und quengelnde oder hohle Neu-Frauen, Trennung vom Sohn, wankelmütige Verlage und Politiker, Krebstode im Umfeld, öffentliche Attacken, ständige Wohnungsnot, drakonische Sicherheitsvorschriften. Dazu kommen Rushdies Selbstgerechtigkeit, Weinerlichkeit, Eigenlob und Wiederholung immer gleicher Positionen. Ein fähiger nicht-autorisierter Biograf könnte den Stoff besser liefern. Amazon-Werbelinks: Salman Rushdie allgemein | Joseph Anton Leben mit der Fatwa: Man denkt beim Lesen zunächst an eine allgemeine Autobiografie Rushdies, und so steht’s auf…

  • Annehmbar,  Belletristik,  Buch,  Historisches Buch,  Roman,  USA

    Romankritik: Selig & Boggs, von Christine Wunnicke (2013) – 5/10 Sterne

    Christine Wunnicke erzählt mit verwirrenden Zeit- und Kulissenwechseln. Hubert Winkels in der SZ lobte, dass Wunnicke von Nahaufnahme zu Nahaufnahm springt, mit aberwitzig frechen Schnitten ((zitiert aus Buecher.de, kein Werbelink)). Ich fand Wunnickes Szenen-Hopping nur unübersichtlich. Gelegentlich springt sie über zwei Generationen hinweg zwischen Hauptfigur Boggs und dessen Großvater. Nachdem ich hörte, dass Wunnicke ihre Manuskripte stark kürzt – eigentlich lobenswert -, mutmaßte ich, sie habe Selig & Boggs zu stark gekürzt, dabei auch Essentielles massakriert, und das Lektorat hat’s nicht gepeilt. Amazon-Werbelinks: Christine Wunnicke | Geschichte Hollywoods Umgekehrt geht’s auch zu geschwätzig. Einmal erzählt Wunnicke von der unwichtigen Frau des „Spielleiters“ Boggs im Zug und berichtet unwichtig: Es gab…

  • Annehmbar,  Belletristik,  Buch,  England,  Interkulturell,  Lustig,  Roman

    Kritik Roman: Queenie, von Candice Carty-Williams (2020) – 5/10 Sterne

    Candice Carty-Williams schreibt ein paar witzige Dialoge und Chat-Verläufe, aber letztlich eine Zeitgeist-Soap mit dümmlicher Ich-Erzählerin, gegen Ende sehr unrealistisch. Warum das Buch Preis und Preise von Qualitätsmedien wie Time oder Guardian erhielt, weiß ich nicht. Die junge schwarze Londonerin Queenie, 25, jiepert dümmlich Männern hinterher, u.a. ihrem weißen Ex-Freund Tom, trifft sich mit Freundinnen, hat Trost-Sex mit Arschlöchern, erträgt Alltagsrassismus und Frauenfeindlichkeit, streut BLM und MeToo ein, nur LGBTQXY fehlt. Starke, ruhige Männer: Queenie genießt immer wieder starke, ruhige Männer*: It was so nice to be physically supported by someone und präsentiert sich schmachtend den Herren der Schöpfung: I ran around the office asking different colleagues for various make-up…

  • Annehmbar,  Bayern,  Biographie,  Buch,  Deutschland,  Musikbuch,  Sachbuch

    Buchkritik: Das ganze schrecklich schöne Leben, von Konstantin Wecker, Günter Bauch, Roland Rottenfußer (2017) – 5 Sterne

    Die Beiträge von Konstantin Wecker konnte ich nicht ganz lesen, sie klangen mir oft zu wolkig, zu schwülstig, zu pastörlich. Zum Beispiel: Kein Wassertropfen gleicht dem anderen, keine Schneeflocke ist identisch mit einer anderen – und kein menschliches Leben, und sei es noch so angepasst, gleicht einem anderen. Ich danke ihnen für mein Aufgehobensein in ihrer Großzügigkeit und ihrer alles umarmenden Liebe Außerdem gendert er. Amazon-Werbelinks: Bücher von Konstantin Wecker | Musik Zum Glück interessante Ko-Autoren: Teils interessanter und ganz anders sind die Beiträge der Wegbegleiter, sie füllen rund zwei Drittel des Buchs (s.u.). Schulfreund, Roadie und Fanartikel-Verkäufer Günter Bauch (*1949) schreibt mild frotzelnd aus dem Alltag, auf den ersten…

  • Annehmbar,  Belletristik,  Buch,  Hot Country Entertainment,  Nigeria,  Roman

    Romankritik. Einer von uns, von Chinua Achebe (1966, engl. A Man of the People) – 5 Sterne

    Ich-Erzähler Odili Samalu ist zunächst ein kleiner Lehrer in einer privaten Dorfschule – gut gebildet zwar, doch er will mit der korrupten Staatsbürokratie im postkolonialen Nigeria nichts zu tun haben. Dann gerät Odili ins Umfeld des mächtigen, brunzdummen Kulturministers Chief the Honourable M. A. Nanga, M.P.; dessen Umtriebe, Eitelkeiten und hohlen Sprüche schildert der Ich-Erzähler delektabel vollmundig, deftig satirisch – nicht subtil, aber meist auch nicht schrill oder anklagend. Ich-Erzähler Odili verulkt weitere Speichellecker, Karrieristen, weiße Berater, die opportunistische Journaille und nicht zuletzt sich selbst als Schürzenjäger. Amazon-Werbelinks: Chinua Achebe | ganz Afrika | Südafrika | Kenia | Marokko Handlungsbogen: Einen Handlungsbogen hat das Romänchen bis zur Hälfte nicht: Der…

  • Annehmbar,  Belletristik,  Buch,  Frankreich,  Roman

    Romankritik. Nur die Tiere, von Colin Niel (2017, frz. Seules les bêtes) – 5 Sterne – mit Video

    Die Geschichte ist gutteils grotesk unglaubwürdig. Doch Colin Niel begint mit einer zunächst ansprechenden, realistischen Handlung aus dem ländlichen, rauen Frankreich. Der Ex-Agrarwissenschaftler liefert stimmige Details aus der Landwirtschaft (es könnte jedoch noch plastischer sein) und produziert interessante Analogien, so über einen Menschen: zaudernd wie ein Tier, das nach einem langen Sommer den Stall betritt Die Story läuft auf einen Kriminalfall hinaus, und den deutet die erste rückblickende Ich-Erzählerin mehrfach zu aufdringlich an: Wenn ich früher begriffen hätte ((…)), hätte ich vielleicht verhindern können, was sich da anbahnte… Ich wusste noch nicht, dass es der Anfang einer Serie war… Ja, wenn ich aufmerksamer zugehört hätte…“ Amazon-Werbelinks: Colin Niel Nur die…

  • Annehmbar,  Belletristik,  Buch,  Historisches Buch,  Roman,  USA

    Romankritik: Der Postbote klingelt immer zweimal, von James M. Cain (1934, engl. The Post Man Always Rings Twice) – 5 Sterne – mit Video

    Die Dialoge sind kalt, knapp und cool. Die Sätze kurz. Die Kulisse wirkt staubig und reell, eine einsame Tankstelle in kalifornischer Pampa in den 1930ern. Doch dann kommen die Schwächen. Der Krimi protzt mit Stil, nicht mit Substanz, er ist unrealistisch und wirr. Erst türmt Autor James M. Cain Zufall auf Zufall: Beim Mordversuch fährt rein zufällig ein Polizist die Straße lang, plaudert mit der Schmiere stehenden Hauptfigur, eine kletternde Katze lenkt Aufmerksamkeit auf die Fluchtleiter, und dann fällt noch spielentscheidend der Strom aus. Amazon-Werbelinks: Buch Der Postbote klingelt immer zweimal | Film Wenn der Postmann zweimal kingelt | Krimis insgesamt Im Mittelteil liefert der Krimi undurchschaubare juristische und versicherungstechnische…

  • Annehmbar,  Biographie,  Buch,  Deutschland,  Historisches Buch,  Sachbuch

    Buchkritik. Goethe und Friederike, Wahrheit und Dichtung, von Theo Stemmler (2019) – 5 Sterne

    Dies ist eine Plauderei unter Gelehrten, eine Materialsammlung, aber keine Teil-Biografie für Laien. Ein Narrativ, ein Gefühl für den Lauf der Zeit entsteht nicht: Bei der Gliederung orientiert sich Autor Theo Stemmler nicht an der Chronologie, sondern an unterschiedlichen Quellen, die mehrfach neu ansetzen, oder an undefinierten Kriterien. Goethes frühe Herzensdame Friederike Brion interessiert den Autor schon gar nicht, eher Goethes Herzenslyrik, die Friederike inspirierte. Theo Stemmler zitiert wo immer möglich Zeitgenössisches, doch primärste Quellen fehlen: Es gibt keinen erhaltenen Brief, der zwischen den Turteltauben Johann Wolfgang und Friederike hin und her ging, nur ein Brief-Entwurf Goethes blieb erhalten. Es gibt auch kein authentisches Bild von Friederike. So zeigt das…

  • Annehmbar,  Belletristik,  Buch,  Roman,  USA

    Romankritik. Rabbit in Ruhe, von John Updike (1990, engl. Rabbit at Rest, Rabbit Teil 4) – 5 Sterne

    Fazit: Der Roman liefert spannungsreiche Dialoge und zeigt US-Mittelschichtrealität tiefenscharf in oft edler Prosa. Doch er ist überfrachtet mit Erinnerungen an alte Tragödien, mit Floridatourismus, Krankenhaussaga, Golfkleinklein, Geschichtsbuch-Nacherzählung, mit Todesahnungen und aufdringlichen Hinweisen auf Junkfood, Junkfernsehen, Junkwerbung, Junkradio, Junkamis, mit kleinsten körperlichen Details. Männer aus drei Generationen sind selbstsüchtig, dumm und böse, Frauen vernünftiger und berechnend. Amazon-Werbelinks: John Updike Rabbit in Ruhe | John Updike Romane | John Updike Kurzgeschichten | John Updike Englisch | John Updike insgesamt Vorahnungen: Der Roman spielt vom 28. Dezember 1988 bis zum 22. September 1989, Hauptfigur Harry „Rabbit“ Angstrom ist zunächst 55 Jahre alt, wirkt aber körperlich wie 75; seine Frau Janice ist 52…

  • Annehmbar,  Belletristik,  Buch,  Kurzgeschichten,  USA

    Kritik Kurzgeschichten. The Complete Henry Bech, von John Updike (2001) – 5 Sterne

    John Updikes 20 Kurzgeschichten über den jüdischen, meist ledigen, aber selten unliierten Großdichter Henry Bech erschienen zuerst im Magazin New Yorker, dann in den drei Bänden Bech: A Book (1970) Bech is Back (1982, dt. Henry Bech, bei Rowohlt) und Bech at Bay (1998, dt. Bech in Bedrängnis) und zuletzt gemeinsam hier im Sammelband The Complete Henry Bech. Jeder Buchteil enthält höchstens ein oder zwei wirklich gute Geschichten, dazu ein paar passable, und viel schwer Genießbares (Details unten). Trotzdem habe ich nur eine Geschichte nicht zu Ende gelesen – vielleicht, weil mich das mutmaßlich fast wahrheitsgetreu reportierte Updike-Leben interessierte oder weil ich Bech nach dem ersten Kennenlernen nicht mehr fallenlassen…

  • Annehmbar,  Bayern,  Biographie,  Buch,  Historisches Buch,  Sachbuch

    Kritik Biografie: Ludwig Thoma und die Frauen, von Martha Schad (1995) – 5 Sterne

    Meine Meinung: Martha Schad schreibt unübersichtlich, mit irritierenden Zeitsprüngen, eingeschränktem Fokus, sprachlich altbacken. Doch sie hat viele spannende Quellen, aus denen sie manchmal zu ausführlich zitiert, interessante Abbildungen, und sie hat vor allem eine spannende Geschichte an der Hand – gleich zweimal flext Ludwig Thoma die vermeintliche Frau seines Lebens aus einer bestehenden Ehe heraus, dokumentiert in vielen Briefen. Zeitgeschichte und Thomas literarisches Werk kommen für meinen Geschmack zu kurz, freilich konzentriert sich das Buch explizit auf „Ludwig Thoma und die Frauen“. Amazon-Werbelinks: Bayern-Bücher | Gerhard Polt | Oskar Maria Graf | Ludwig Thoma | Lena Christ Mutter, Verlegerin, Kolleginnen: Das Thema Thoma und die Frauen geht Martha Schad (*1939)…

  • Annehmbar,  Belletristik,  Buch,  England,  Historisches Buch,  Kurzgeschichten

    Kritik Nacherzählungen: Shakespeares Geschichten, von Urs Widmer (1980, Diogenes-Verlag) – 5 Sterne

    Vergleich: Die Shakespeare-Nacherzählungen von Michael Köhlmeier (Piper-Verlag), Walter E. Richartz (Diogenes-Verlag) und Urs Widmer (Diogenes-Verlag Teil 2): Alle Autoren erzählen Shakespeares Dramen vollmundig eigenwillig, aber gut lesbar. Jedes Drama bringen sie auf rund 15 bis 22 Seiten zu Ende. Kein Autor bringt Interpretierendes, Historisches, Englisches und zumeist keine Zitate aus dt. Übersetzungen. Michael Köhlmeier schreibt besonders eigenwillig und stakkato, bleibt dabei aber gut lesbar. Scheinbar hält er sich strenger ans Original, verzichtet aber wohl auf geflügelte Worte der jeweiligen Stücke. Köhlmeier schreibt eher chronologisch, die Handlung lässt sich gut verfolgen – für Shakespeare-Neulinge günstig. Die Geschichten ähneln sich in Ton und Struktur, jedoch erzählt Köhlmeier nur 11 Geschichten. (8 Sterne)…

  • Annehmbar,  Belletristik,  Buch,  Hot Country Entertainment,  Italien,  Mediterran,  Reise,  Roman

    Buchkritik: Frau im Dunkeln, von Elena Ferrante (2006) – 6 Sterne – mit Video

    Das Buch spielt gutteils in einem süditalienischen Küstenort im Sommer, oft im Strandbad, es gibt eine neapolitanische Großfamilie – doch Italienità gibt es nicht. Eher zeigt der schmächtige Roman das wehleidige Kreiseln einer 47jährigen um sich selbst: sie mit ihren Kindern heute und einst, sie damals mit ihrer Mutter, sie mit Strandnachbarn (v.a. Mütter und Töchter), Psychogedöhns, drei Schwestern hat sie auch noch, wohl ein Frauending. Drum (?) geht’s auch um Schönheit, die Ich-Erzählerin ist der festen Überzeugung, ich sei hässlich, ich dachte, meine Mutter ist schön und ich nicht. Heulheul. In der Jetztzeit und in vielen langen Rückblenden bringt die Ich-Erzählerin, eine verbitterte Krampfhenne, immer neue Beispiele ihrer abstoßenden…

  • Annehmbar,  Asien,  Auswandern,  Buch,  Deutschland,  Hot Country Entertainment,  Interkulturell,  Sachbuch

    Kritik Sachbuch: Der fremde Deutsche, von Umeswaran Arunagirinathan (2017) – 5 Sterne

    Der Autor, mit 12 aus Sri Lanka geflüchtet, heute dunkelhäutiger Herzchirurg in Deutschland, hat mit ausländerfeindlichen Patienten zu tun, die er darum besonders aufmerksam betreut, und scheitert an vielen Disko-Türen. Tolle Unterstützung bekommt er andererseits auch. Dieses Buch über einen südasiatischen Flüchtling in Deutschland beginnt in…  London, und dort lernen wir schlagartig zu viele Familienmitglieder kennen. Kurz danach stellt Umeswaran Arunagirinathan (*1978) seine… afghanische Ersatzfamilie in Deutschland vor, samt Kosenamen. Auch viele andere Vertraute des Autors in Hamburg und Kiel sind zunächst nicht-deutschstämmig: Iraner, Ghanaer, Japaner, Polen. Umeswaran Arunagirinathan auf Amazon (Werbe-Link) Teils interessant: Arunagirinathan schreibt teils Interessantes, aber nie gut. Die Sprache klingt fad, manchmal  verschluckt er wichtige Details,…

  • Simenon
    Annehmbar,  Belletristik,  Buch,  Frankreich,  Roman

    Romankritik: Im Falle eines Unfalls, von Georges Simenon (1958, auch Mit den Waffen einer Frau) – 5 Sterne – mit Video

    Ein steinreicher alter weißer Cismann erzählt diesen Nicht-Maigret-Roman. Seine Frau ist noch älter, darum hält er nebenbei eine Privatnutte, die einst als Mandantin in seinem Büro ungefragt den Rock lupfte, und kein Höschen darunter. Das ist sehr Simenon, sogar Altherren-Simenon, aber er kann es eigentlich besser: wenn er über bittere Rentner, verschlurfte Kleinstadtärzte oder Kleingastronomen schreibt und nicht über güldene sexbesessene Säulen der Gesellschaft. Die hier auch noch hohl sinnieren: An jenem Sonntag habe ich begonnen, an ein Zeichen zu glauben, ein unsichtbares Merkmal, das nur von Eingeweihten zu erkennen ist, von jenen, die es selber an sich tragen. Sogar über Rechtsanwälte – wie hier – schrieb Georges Simenon (1903…

  • Annehmbar,  Belletristik,  Buch,  Historisches Buch,  Hot Country Entertainment,  Roman,  Südostasien

    Kritik Roman. W. Somerset Maugham: Südsee-Romanze (1932, engl. The Narrow Corner) – 5 Sterne

    Mit wenigen Sätzen kreiert W. Somerset Maugham (1874 – 1965) sogleich ein Szenario, in dem der Leser behaglich Platz nimmt – atmosphärischer Schauplatz, interessante und mild sinistre Protagonisten. Da bleibt man gern dabei und freut sich auf den freien Samstagnachmittag. Somerset Maugham auf Amazon: allgemein | Kurzgeschichten | Romane | englisch Show, don’t tell: Zu ausführlich erörtert Maugham jedoch den Charakter seiner Figuren allgemein, statt ihn durch Dialog und Handlung zu belegen. Er schreibt ihnen allerlei verblüffende, teils widersprüchliche Eigenschaften zu. So betont Maugham wieder und wieder die Schurkenhaftigkeit von Captain Nichols, ohne ernsthafte Belege, abgesehen von Slangsprache. Show, don’t tell. Erst am Buchende tut Nichols nachweislich etwas für seinen…

  • Annehmbar,  Biographie,  Buch,  Deutschland,  Historisches Buch,  Sachbuch

    Kritik Doppelbiografie. Hazel Rosenstrauch: Wahlverwandt und ebenbürtig, Caroline und Wilhelm von Humboldt (2009) – 5 Sterne

    Rosenstrauch erzählt teils sehr subjektiv, sie springt v.a. in den ersten Kapiteln zwischen Zeiten und Personen, es wirkt vielleicht „persönlich“, aber gewiss unübersichtlich: So bringt sie auf S. 26* einen 70-Wörter-Satz mit rund zwölf gutteils nicht eingeführten und auf unterschiedliche Art verflochtenen Personen („Karoline von Wolzogen, die Schwester von Charlotte Schiller, die zur Ehe des Dichters…“) Auf Seite 42 schildert sie einen Ablauf und zitiert dazu einen Brief vom 20. März 1789, danach vom 4. Januar 1789. Gelegentlich schreibt Hazel Rosenstrauch über sich selbst: (S. 44:) Ich stelle mir Caroline wie eine der Figuren aus Sophie La Roches Romanen vor (S. 271) Ich denke mir Wilhelm und Caroline, wie sie…

  • Annehmbar,  Biographie,  Buch,  Deutschland,  Historisches Buch,  Sachbuch

    Kritik Doppelbiografie. Manfred Geier: Die Brüder Humboldt (2009) – 5 Sterne

    Wilhelm von Humboldt frönte „einer Hure“ (S. 113) und schrieb in Schillers „Horen“ (S. 183). Sein Bruder Alexander schrieb auch in den „Horen“, schwärmte aber für zarte Männer, bereiste ferne Länder, folterte sich im Namen der Wissenschaft. Die Humboldt-Brothers verkehrten mit Goethe, Schiller, Georg Forster, Campe, Fichte, Friedrich von Gentz et. al., man traf gekrönte Häupter inkl. Napoleon. Daraus könnte eine lebendige Doppelbiografie entstehen, doch Biograf Manfred Geier (*1943) schreibt so weit wie möglich nur geisteswissenschaftlich und philosophisch, erklärt immer wieder Kant-Bezüge und „dass die Evidenz spekulativer theologischer Sätze oder religiöser Glaubensformen nur subjektiv sein kann“ (S. 112)*. Geier frohlockt (S. 214): Auch Alexander hat seinen Kant gelesen. Biograf Geier…

  • Annehmbar,  Bayern,  Biographie,  Buch,  Deutschland,  Historisches Buch,  Sachbuch

    Kritik Sachbuch: König und Dame. Ludwig I. und seine 30 Mätressen, von Rudolf Reiser (1999) – 5 Sterne

    Rudolf Reiser klingt über lange Strecken vorpubertär sensations geil lüstern und Bänkelsänger-komödiantisch, er psalmodiert von „fleischlichen Gelüsten in der Fastenzeit“ (Überschrift S. 37), nennt Ludwigattin Therese das „unangenehme Scheu- und Schicksal seines Lebens“ (S. 18), Ludwig deroselbig sei ein „mieser und fieser Charakter“ (S. 8). Seine derben Schenkelklopfer betont Reiser immer wieder per Ausrufezeichen. Gierig zeigt Rudolf Reiser (*1941) auch italienische Aktgemälde ohne Ludwigbezug und sekretiert dazu Gereimtes (S. 35): Nicht das kleinste Fädchen bedeckt eines der zehn Mädchen. Mit Binnenreim unterhält Reiser sein Publikum noch öfter (S.47): Er fügt und lügt hinzu S. 53: ((…)) angesichts der Alten Pinakothek und der jungen Mätressen nicht vergessen! S. 59, Fieber: Er…

  • Annehmbar,  Bayern,  Biographie,  Buch,  Deutschland,  Historisches Buch,  Italien,  Mediterran,  Sachbuch

    Kritik Sachbuch: König Ludwig I. in Rom, von Rudolf Reiser (2005) – 5 Sterne

    Ludwigs mediterrane Kunst- und Damenjagd schildert Rudolf Reiser (*1941) als verruchten Schenkelklopfer: Wir hören von Ludwigs „erlebnis- und sündenreicher Zeit“ im „Sündenpfuhl“ (jew. S. 18) und erschauern schon auf S. 10: Ludwig dringt in Bildhauer- und Malerateliers ein, in päpstliche Gemächer, alte Paläste und schöne Frauenzimmer. Und über Ludwigs Begleiter Graf Seinsheim (ebf. S. 10): Kein Rock ist vor diesem Bock sicher. Reisers Buch über alle Ludwigschen Amouren zwischen Aschaffenburg und Sizilien von 1999 klingt noch drastischer. Ludwigs Therese ist „eine Trauerweide im königlichen Schlafgemach“ (S. 75), jede „schöne Sünderin“ (S. 58) ist attraktiver, nicht zuletzt im „Sündenpfuhl der Fürstin Paolina“ (S. 52); stöhn. Rom wird zum Pattaya am Tiber…

  • Annehmbar,  Biographie,  Buch,  Deutschland,  Sachbuch

    Rezension Memoiren von Bauerntöchtern: Einen Hof verlässt man niemals ganz, von Ulrike Siegel (Hg., 2013) – 5 Sterne

    Die 18 Autorinnen aus diesem Band erzählten ihre Geschichte bereits in einem der „Bauerntöchter“-Bücher der Herausgeberin Ulrike Siegel. Hier nun, rund zehn Jahre später, liefern sie Updates ihres Lebens. Die meisten Autorinnen waren offenbar bei Bucherscheinen um 50 oder 60 Jahre alt, erwähnen teils die Silberhochzeit, Demenz und Sterben der Eltern. Allerdings wird das Geburtsjahr nicht genannt. Wir sehen (in meiner Druckausgabe) ein oder zwei Farbfotos der Autorin ohne Jahresangabe (Ausnahme S. 121) und es gibt zusätzlich einen kurzen Auszug aus dem ersten veröffentlichten Text. Werbe-Link: Alle Bauernbücher von Ulrike Siegel auf Amazon Kleinunternehmerin in London: Manche Bauerntöchter verließen den Hof längst, heirateten auch keinen anderen Bauern und sind Kleinunternehmerin…

  • Bayern,  Biographie,  Buch,  Gut,  Historisches Buch,  Sachbuch

    Buchkritik: Erinnerungen einer Überflüssigen, von Lena Christ (1912) – 7 Sterne

    Dieses Buch bietet genug Anlässe, es aus dem Fenster zu werfen: eine kitschig-idyllische oberbayerische Kindheit mit Karikaturdörflern; das Personal ein krasses Schwarzweiß aus bösartigen Monstern (u.a. die Mutter der Ich-Erzählerin) und Herzensguten (viele Fremde, aber zufällig auch die Ich-Erzählerin und ihr Opa); viele Seiten in einem absurd bigotten Kloster. Doch die Memoiren bezaubern mit liebreizendem Bairisch (nur in den zahlreichen Dialogen, kaum in der Erzählstimme), mit reizvollen Einblicken in versunkenene Welten; und Autorin Lena Christ (1881 – 1920) präsentiert auch Figuren mit Zwischentönen – so bei der platonischen Romanze mit einem katholischen Geistlichen. Christ erzählt zudem wie immer kurz angebunden, ohne ein Wort zuviel und unsentimental, ohne romantische Anwandlungen zu…

  • Bayern,  Belletristik,  Buch,  Gut,  Historisches Buch,  Roman

    Buchkritik: Mathias Bichler, von Lena Christ (1914) – 5 Sterne

    Zwar ist man hier in vertrautem Lena-Christ-Land: auf dem oberbayerischen Dorf, mit all seinen Käuzen; und – bei Lena Christ – natürlich mit unehelichen und Pflegekindern. Doch die Geschichte spielt großteils schon um 1800, rund 100 Jahre früher als andere Christ-Bücher. Amazon-Werbelinks: Bayern-Bücher | Gerhard Polt | Oskar Maria Graf | Ludwig Thoma | Lena Christ Die Irschnermutter: Und auch sonst tönt das Bichlerbuch anders als die andern: Nicht frech und flott, sondern mild märchenhaft und religiös – in den ersten Kapiteln wie ein Kinderbuch für Abergläubische. Da ertränkt die Irschnermutter drei Fledermäuse in Milch und lässt sich dann vom Blitz erschlagen. Seltsame Dinge passieren auch bei der Wallfahrt. Ein…

  • Annehmbar,  Bayern,  Belletristik,  Buch,  Historisches Buch,  Kurzgeschichten,  Lustig

    Buchkritik: Bauern: Bayerische Geschichten, von Lena Christ (1919) – 7 Sterne

    Lena Christ erzählt viele kurze, unverbundenene, humoristische Anekdoten vom Dorf um 1918. Sie schwafelt nicht lang rum, sondern schreibt zackig knapp über ihre typischen Themen vom Bauernstand: Pokern und Schachern um die geldigste Hochzeiterin; Kälber, Ferkel, Hunde und Gockel; Streit mit dem Gespons, dem Nachbarn, der anderen Generation; uneheliche Kinder; Missachtung und Ausbeutung der Alten; Heirats- und Hundevermittler („Schmuser“); (keine) Rückkehr aus dem Krieg; Statusgehabe der Bossbäuerin; Sterben, Erbschaft, Erbzank; Nachbarschaftsdiplomatie; Gier, Missgunst & Betrug. Amazon-Werbelinks: Bayern-Bücher | Gerhard Polt | Oskar Maria Graf | Ludwig Thoma | Lena Christ Kalauer: Fast immer erinnert der Ton an einen Bauernschwank, nur einmal wird Christ besinnlich. Und auffällig: Liebe, Triebe, Herz, Schmerz…

  • Bayern,  Belletristik,  Buch,  Gut,  Historisches Buch,  Kurzgeschichten,  Lustig

    Buchkritik: Unsere Bayern anno 14/15, von Lena Christ (1914/15) – 7 Sterne

    Fazit: Lena Christ liefert kurze, lebensnahe Vignetten voller Dialog aus den ersten Monaten des ersten Weltkriegs in München und auf dem Dorf – mal kabarettistisch, mal herzerwärmend, gelegentlich beklemmend; schlicht, und doch pfiffig, jedenfalls in den Auszügen der Gesammelten Werke (s.u.). Im Gegensatz zu ihren teils entflammten Figuren klingt die Erzählerin weder hurrapatriotisch noch pazifistisch; doch erklärte Kriegsgegner gibt’s bei ihr nicht, nur eine genervte Totengräberin, der die Bayernfahne „an gscheckatn Fetzn“ ist. Die Erzählstimme ist weitgehend Hochdeutsch, die vielen Dialogzeilen schreibt Christ in entzückendem Münchner Bairisch. Das reden in einer Geschichte auch der „Himmelvater“, die „Himmelmutter“ und ihre Engel (trotzdem keine Anklänge an den Münchner im Himmel). Amazon-Werbelinks: Bayern-Bücher…

  • Annehmbar,  Bayern,  Belletristik,  Buch,  Historisches Buch,  Kurzgeschichten

    Buchkritik: Lausdirndlgeschichten, von Lena Christ (1913) – 5 Sterne

    Lena Christ (1881 – 1920) erzählt 16 Sehrkurzgeschichten aus Kinderperspektive. Dabei gibt’s manchmal eine ganze Kinderschar, die untereinander oder mit den Großen Schabernack treiben. Öfter agiert die Ich-Erzählerin allein unter Erwachsenen oder sie erzählt nur Geschehnisse zwischen Erwachsenen nach. Oft geht es um verlockende Obstbäume, strenge Pfarrer und Lehrer, Eltern, Nachbarn jeden Alters – auf dem Dorf, gelegentlich in München. Viele Geschichten sind offenbar autobiografisch, einige Episoden kennt man auch aus Christs Erinnerungen einer Überflüssigen. Amazon-Werbelinks: Bayern-Bücher | Gerhard Polt | Oskar Maria Graf | Ludwig Thoma | Lena Christ „In‘ Roa‘ einig’ackert“: Ich habe fast alles von Lena Christ gelesen, und nur hier bei den Lausdirndlgeschichten passierte mir dies:…

  • Annehmbar,  Bayern,  Belletristik,  Buch,  Historisches Buch,  Kurzgeschichten,  Lustig

    Buchkritik: Lausbubengeschichten, von Ludwig Thoma (1905) – 5 Sterne – mit Links

    Ludwig Thoma (1867 – 1921) schreibt kurze nüchterne Geschichten. Es gibt keine deftigen Schenkelklopfer und kaum deftiges Bairisch, auch kein deutlich bayerisches Ambiente. Ich-Erzähler Ludwig ist immer wieder verwickelt in: Steine durch Fensterscheiben; hinterhältige Beleidigung; Prügelei; Pulverfrosch an Katzenschwanz; Pulver in Modellboot; kaputte Goldfische; Senf an Türschnalle; Farbe auf Lehrerpult; Pech auf Lehrerstuhl; Blindschleichen im Mädchenbett; Brause im Nachttopf. Attackiert werden v.a. Lehrer, Pfarrer und blasierte Verwandte oder Nachbarn, seltener Gleichaltrige. Amazon-Werbelinks: Bayern-Bücher | Gerhard Polt | Oskar Maria Graf | Ludwig Thoma | Lena Christ Kühle Streiche, Pointen und Bekenntnisse: Thoma erzählt so dezidiert unbeteiligt, dass es nach vier, fünf Geschichten wie eine Leier klingt. Der kühle Ton passt…

  • Annehmbar,  Biographie,  Buch,  Frankreich,  Historisches Buch,  Hot Country Entertainment,  Mediterran,  Sachbuch,  Spanien

    Kritik Biografie: Pablo Picasso. Eine Biographie, von Patrick O’Brian (1976) – 5 Sterne

    Biograf Patrick O’Brian schrieb viele erfolgreiche historische Romane. Auch seine Picasso-Biografie liest sich wie eine genüssliche, geruhsame Erzählung – recht lebendig, sprachlich solid, nie dramatisierend. Zwar berichtet O’Brian chronologisch, doch gern schweift er auch ab, greift voraus und verallgemeinert ein bisschen: Being a father is generally acknowledged to be an ungrateful trade; being a son is another…“, S. 68 The she-bear is often held up as the type of possessive affection; but neither the she-bear nor yet the tigress can compare with the average artist protecting his patron. S. 211 …just as celibates often dream of the marriage state, imagining strange joys, so some part of the outsider longs at…