Ich-Erzähler Odili Samalu ist zunächst ein kleiner Lehrer in einer privaten Dorfschule – gut gebildet zwar, doch er will mit der korrupten Staatsbürokratie im postkolonialen Nigeria nichts zu tun haben. Dann gerät Odili ins Umfeld des mächtigen, brunzdummen Kulturministers Chief the Honourable M. A. Nanga, M.P.; dessen Umtriebe, Eitelkeiten und hohlen Sprüche schildert der Ich-Erzähler delektabel vollmundig, deftig satirisch – nicht subtil, aber meist auch nicht schrill oder anklagend. Ich-Erzähler Odili verulkt weitere Speichellecker, Karrieristen, weiße Berater, die opportunistische Journaille und nicht zuletzt sich selbst als Schürzenjäger.
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Handlungsbogen:
Einen Handlungsbogen hat das Romänchen bis zur Hälfte nicht: Der Ich-Erzähler zieht in die Hauptstadt zu Chief Nanga, macht Beobachtungen und Eroberungen. Man denkt an den Monolog eines Kabarettisten, der seine Gedanken zur Tagespolitik unterbringen will. Der Ich-Erzähler erinnert dabei deutlich an Chinua Achebe selbst, will er doch einen Roman über die ersten Weißen in seinem Heimatort schreiben – das klingt nach Achebes Okonkwo oder Das Alte stürzt/Things Fall Apart; und Chief Nanga blamiert sich als Kulturminister bei einer Schriftstellerehrung.
In der zweiten Hälfte kommt eine hölzerne Story in Gang: Der zuvor unpolitische Ich-Erzähler will plötzlich
- als Kandidat einen Wahlkreis erobern
- eine Frau erobern, von der er besser die Finger ließe (indes “her back was as perfect as her front – which happens once in a million”)
Dieser Teil wirkt grob konstruiert, besonders wenig plausibel, ist weder lustig noch selbstironisch, sondern zeigefingernd (vielleicht, weil sich während der Niederschrift 1966 die politische Lage in Nigeria zuspitzte). Die letzten etwa drei Seiten haben nur wenige Absätze, keinen Dialog mehr, Achebe leitartikelt.
Deftige Sprache:
In der mündlichen Rede bringt Chinua Achebe Pidgin-Englisch*, das ich nicht immer verstand, man durchschaut es mit der Zeit, z.B.
I no de keep anini for myself, na so so troway.
I done lookam, lookam, lookam sotay I tire.
Dazu kommt leichter verständliches, drolliges Fake-Englisch:
“That is next to impossibility,” he said. Peter liked his words long.
“Me? Put poison for master? Nevertheless!” said the cook
Weisheiten:
Neben allgemein kräftigem, sinnlichem Englisch und plastischen Alltagsszenen im ersten Teil kredenzt Chinua Achebe interessante Weisheiten wie
For what is modesty but inverted pride?
Gemeint ist: Der Bescheidene preise sich nicht selbst, erwarte jedoch Lob von anderen – so auch die pompöse Hauptfigur des Romans. Eine andere Weisheit:
It is better the water is spilled than the pot broken.
Diesen Satz erklärt Achebe dann noch, überflüssig. Oder:
“My son, why don’t you fall where your pieces could be gathered?”
Und schließlich:
“You chop, me self I chop, palaver finish.”
Assoziation:
- Im Roman Heimkehr in ein fremdes Land (1960, engl. No Longer at Ease) beschreibt Chinua Achebe einen korrupten Staatsdiener im unabhängigen Nigeria; in A Man of the People will sich der Ich-Erzähler dagegen zunächst vom korrumpierenden Staatsbetrieb fernhalten. A Man of the People ist deutlich satirischer und mechanischer.
- Die Liebesszene an der Uni erinnerte mich an den hormontriefenden nigerianischen Uni-Schwank Toads for Supper von Vincent Chukwuemeka Ike (1965). Auch im Ton ähneln sich die Bücher etwas.
- Gefälschte Schmalzbriefe gibt’s in Achebes A Man of the People, aber auch im Spammer-Roman Die meerblauen Schuhe meines Onkels Cash Daddy von Adaobi Tricia Nwaubani (2009).
- Achebes Einer von uns/Man of the People wurde hochgelobt von Anthony Burgess, der mit dem Roman Devil of a State ebenfalls eine afrikanische Politsatire lieferte.
- Dubioses postkoloniales Demokratieverständnis und hübsches Pidgin-Englisch äußern auch die Trinidadians in V.S. Naipauls Wahlkampf auf Karibisch/Suffrage of Elvira (1958)
- Die OHMS-Produkte (Our Home Made Stuff) im Roman erinnern an OTOP-Ware in Thailand oder auf den Philippinen.
- Ich war ja ein paarmal in Gambia, und dort könnte Achebes Geschichte auch spielen, jedenfalls zu Zeiten von Präsident Yahya Jammeh.
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*ich kenne nur die englische Ausgabe und kann die 2016er Eindeutschung von Uda Strätling nicht beurteilen
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