Die Mehrzahl der Geschichten wurde auf Deutsch geschrieben, dazwischen sind auch Übersetzungen aus dem amerikanischen Englisch und aus dem Japanischen. Das wirkt heterogen, und die Qualität schwankt enorm; speziell die letzten beiden Geschichten – von berühmten Autoren – wirken wie Ausschuss. Im Durchschnitt erhalten die sieben Texte 4,57 von zehn Sternlein.
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Joseph von Westfalen: Die Geschäfte der Liebe – 7,5/10
Amüsanter Bericht über über die leidenschaftliche Affäre eines Ethnologen mit einer verheirateten Architektin, die plötzlich ein Jahr Pause braucht, so dass er sich fremdtrösten muss.
Viele originelle Ideen und verblüffende Parallelen zwischen Liebe und Völkerkunde (womöglich frei erfunden), dazu Joseph von Westphalens bekannt geistreiches wie ralliges Machoparlando und sein Jiepern nach Lederröcken.
Birgit Vanderbeke: Alberta empfängt einen Liebhaber – 4,5/10
Dieser kurze Romanauszug wirkt banal und unvollständig, wenn auch mit interessanten Momenten. Der Ausschnitt scheint nichts mit dem Titel des Gesamtbuchs von Birgit Vanderbeke, der auch Titel dieses Auszugs ist, zu tun zu haben.
Eine Frau berichtet, wie sie als Teenagerin nachts allein mit ihrem Schwarm im Wald war und nicht genau wusste, ob und wie sie das Küssen initiieren soll. Auch wenn es eh nichts zu berichten gibt, verrate ich die Handlung nicht.
Alissa Walser: die Luft auf meinem Rücken – 3/10
Diese Geschichte wollte ich immer wieder abbrechen, weil ich keinen Zugang fand. Wegen einzelner interessanter Nebensätze und offener Fragen zu den Hauptfiguren verschob ich das Abbrechen ein paar Mal, und dann war die Story auch schon aus.
Judith Hermann: Rote Korallen – 5/10
Was Fades aus Judith Hermanns Erfolgsband Sommerhaus, später.
Nach mehreren auf Deutsch geschriebenen Geschichten geht es mit zwei übersetzten Texten weiter. Übersetzer werden nicht genannt:
Melissa Bank: Im besten Licht – 7,5/10
Allein lebende Frau erhält Besuch von ihrem erwachsenen Sohn und dessen neuer Partnerin. Bald wird daraus ein Familienabend mit zwei weiteren Töchtern und einem weiteren Partner.
Sehr lebendige, realistische Familienszene, in die genre-typisch eine faustdicke, sogar eine doppelte Überraschung platzt. Die sechs fast gleich wichtigen Personen auf wenigen Seiten lassen sich gut auseinanderhalten, selbst wenn weitere Figuren gesprächsweise erwähnt werden. Zwar handelt die Geschichte von der Liebe zwischen Mann und Frau(en), aber auch zwischen Angehörigen.
Würde man die inhaltlich verbundenen, weiteren Kurzgeschichten aus Melissa Banks Band Wie Frauen fischen und jagen kennen, erschiene die Handlung vielleicht in einem anderen Licht, zumindest verstünde man die Akteure besser.
Haruki Murakami: Wie ich eines schönen Morgens im April das 100&tige Mädchen sah – 2/10
Der Text hat praktisch keine Handlung, sondern nur Sinnieren darüber, wie man das hundertprozentige Mädchen hätte ansprechen sollen und warum diese und jene Eröffnung doch nichts gebracht hätte. Haruki Murakami endet mit:
Ich weiß, so hätte ich sie ansprechen müssen.
Solch hypothetisches Geschwafel ohne Handlung, mit freiem Spekulieren in beliebige Richtungen, ärgert mich hochgradig. Zum Glück macht genau diese Kurzgeschichte ihrer Gattungsbezeichnung Ehre.
Johannes Mario Simmel: Die Melodie – 2,5/10
Petermann hat ein mausgraues Etui und darin eine Melodie. Die bringt er auch seiner Freundin Andrea zu Ohren. Dann geht’s angenehm geplaudert irgendwie auch um “magische Kraft”, und Petermann zeigt die Melodie in einer Partyrunde herum. Manche vermuten, Petermann habe den Verstand verloren. Dem stimmt der Ich-Erzähler nicht zu, aber der Rezensent.
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