Kritik Erzählung: The Siege of London, von Henry James (1883) – 5/10

Eine vulgäre Amitussi – mehrfach geschieden, schlampiges Englisch (“it ain’t”), und sträflich nicht aus New York, sondern aus dem wilden US-Westen – möchte Teil der feinen englischen Gesellschaft werden. Und das, obwohl die Dame primitiv Nancy Beck heißt – oder hieß, je nach unübersichtlichem Beziehungsstatus.

Die Aufstrebende wird von mehreren distinguierten Herren beobachtet, Engländern und Amerikanern, die sie einerseits vulgär, andererseits doch knusprig finden, angezogen wie Motten vom Licht durch diesen Hauch von Liederlichkeit, den Henry James süffisant andeutet:

She was a genuine product of the wild West – a flower of the Pacific slope; ignorant, crude, but full of pluck and spirit, of natural intelligence

Henry James gießt seinen üblichen Spott auch über die feinen Pinkel der europäischen Gesellschaft – aufdringlich und weniger amüsant als in anderen Texten. Um Nancy Beck herum streichen diskret sabbernd gleich drei Herren – aus dem US-Hinterland, aus dem Nabel der Zivilisation = New York, und aus London; zwei hätten auch gereicht. Wie die Herrschaften einerseits von der Nichtsnutzigkeit der Nancy Beck überzeugt sind, aber dennoch in endlosen Palavern kaum von ihrem Rockzipfel lassen können, amüsiert zunächst und ermüdet bald.

Assoziation:

  • viele motivische Parallelen mit Lady Barbarina von Henry James: unter anderem das Herumreiten auf englisch-amerikanischen sowie Stadt-Land-Gegensätzen und eine aparte Schwiegermütter in spe und Hyde-Park-Details. The Siege of London ist übersichtlicher und leichter lesbar, doch die Dialoge funkeln durchgängig weniger als die besten Gespräche in Lady Barbarina
  • die einsam strampelnde, ständig etwas vorgebende Nancy Beck erinnerte mich momentweise an Lola Montez

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