Schreiben kann Peter Moss, Anekdoten, wenn sie denn kommen, sitzen punktgenau, ich habe auf den ersten Seiten mehrfach laut gelacht.
”Naturellement,” i cautiously replied.
Peter Moss liefert einige köstliche Anekdoten aus dem Filmgeschäft, er beschreibt außerdem: US-Soldaten, Antiquitätenhändler, Stadtplanung, Hongkong auf zwei Expos, Naturkatastrophen, seine Wochenenddimizile auf dem Inselchen Ma Wan, unbotmäßige Hongkong-Regenten verflossener Jahrhunderte, Hongkongs Belastung durch vietnamesische Bootsflüchtlinge, Schwulsein in Hongkong, die Auswirkung des Falklandkonflikts auf private britisch-argentinische Verbindungen in Hongkong, ausführlich die Unruhen von 1967 etc. und seine Rolle als städtischer PR-Angestellter einschließlich möglicher Konflikte mit Rotarmisten; dass er sich bei den Unruhen in Lebensgefahr begab, wie andere Quellen berichten, erwähnt Moss nicht; er redet im ganzen Buch bevorzugt leicht bis nüchtern.
Anderes klingt teils zu anekdotisch, endet läppisch kurios (Mynah umflattert Flugzeugpassagiere). Dazu kommt ausführlich Moss’ PR-Arbeit in der Hongkong-Verwaltung, wo er auch zahlreiche Stadtfeste, zwei Expo-Beteiligungen und Königinbesuche organisierte und dem Leser immer neue Personaltableaus referiert à la
Sir John Bremridge had succeeded Sir Philip Haddon-Cave as Financial Secretary, and in October 1983… after having served as a political advisor to Sir Murray MacLehose. Like Sir Murray, Sir David cut a patrician figure in his formal attire…
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Allerdings: Peter Moss kam zufällig 1965 als junger Kolonialbeamter nach Hongkong. Er blieb, und er beendete diese Hongkong-Erinnerungen erst 2005 – 40 Jahre nach der Ankunft. Zwangsläufig liefert er zu viel Verallgemeinerungen, Details sind entfallen:
I find myself straining to recall just how… keeping a journal (which has not survived)…
Peter Moss (1935 – 2019) ist Hongkong zu vertraut, als dass er es allzeit nachvollziehbar für schlichte Nicht-Hongkonger schildern könnte, er schwelgt teils wie ein Heimatdichter. In seiner amtlichen Position hatte Moss wenig mit einfachen Leuten zu tun – Hongkongs “untold thousands”, die er erst im Nachwort besingt -, sein Buch handelt vor allem von britischen Kolonialbeamten, reisenden Fotografen und Promis sowie seiner indonesisch-philippinischen Dienstbotenfamilie. Zu den wenigen Schilderungen aus dem einfachen Volk gehören die zwei Seiten über philippinische Haushaltshelfer (OFWs), die sich jeden Sonntag Gitarre spielend am Statue Square versammeln – so dass die Polizei eine Fußgängerzone daraus macht (Moss starb auf den Philippinen, wo er zuletzt zeitweise lebte).
Aber wie üblich gibt es auch hier keine persönliche Begegnung, sondern nur Verallgemeinerung (Ausnahmen Jonathan To Siu-kwong und seine indonesisch-philippinischen Hausangestellten, quasi seine Famile). Mit Namen lernen wir sonst nur Dutzende Kolonialbeamte und höher gestellte Besucher kennen, interkulturelle Spezialitäten gibt es im Buch nicht.
Manchmal fühlte ich mich wie in einer Galerie verstaubter Ölgemälde britischer Hongkonghonoratioren, dazwischen ein paar asiatische Tycoons; vielleicht stammen solche drögen Abschnitte aus einem Hongkongbuch, das Moss für die South China Morning Post schrieb, das diese aber laut Moss wegen inhaltlicher Auseinandersetzungen nicht druckte.
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Und: Moss plustert sich vor allem in den frühen Kapiteln sprachlich auf, verwendet pompöse Fremdwörter oder überflüssig viele Wörter:
Superficially it looked like a Dickensian nightmare translated from the stygian darkness of nineteenth-century industrial England into this twentieth-century orient.
She was unable to resist patting my knee in a gesture of appreciation.
((Hong Kong)) was their very quintessence, a laboratory effectively on their home turf, in which the bunsen burners of a wider, ongoing Chinese experiment were kept ablaze long after those on the adjoining continent were switched to a different flame. Here flagrant capitalism continued to flourish on the doorstep of unbridled communism…
((Über Hongkongs Lage:)) a crowded little belly button of a colony appended to the rotund coastline of communist China
Eine bekannte Schauspielerin mit Hollywooderfahrung ist “the delectable Nancy Kwan”. 1982 in China gelingt es Maggie Thatcher nicht, die englische Herrschaft über Hongkong über 1997 hinaus zu verlängern, der Hongkong-Dollar fällt, und Hongkongbürokrat Peter Moss, der in Kanada ein teures Grundstück abzahlen muss, will Thatchers Foto auf seine Dartscheibe pinnen. Meine Ausgabe hat allerlei Tippfehler. Moss über sich mit 50:
I was on the cusp of male menopause, poised in a brief interlude between delayed adolescence and premature senility.
Bescheiden lässt Peter Moss uns gleichwohl wissen, dass die Verlegerin seines ersten Romans zuvor Salman Rushdie, Anita Brookner und Julian Barnes entdeckt hatte. Drei- oder fünfmal betont er, dass er die Katastrophe auf dem Tianamnen-Platz im Gegensatz zu seiner Umgebung vorhersah:
Was I the only one who had seen it coming?
Moss schreibt nicht nur über Hongkong, England und China, sondern auch über banale Reisen: Kambodscha, Macau, eine Borneo-Rundfahrt, Besuch bei Arthur C. Clarke in Ceylon (“but I digress”), Bangkok, Seychellen, Ägypten, Kenia, Kanada, USA, Japan (2x), Indien, nochmal Ceylon – end- und erkenntnislose Leiern:
Japan Airlines upgraded me to first-class… From Cochin I journeyed on to Bombay for… next on the itinerary was Rome, where… San Francisco had greatly changed since…
Bestenfalls ergibt sich eine mittelprächtige Anekdote. Gelegentlich streut er eigene Gedichte mit Hongkongbezug ein; sie berührten mich nicht.
Assoziation:
- Der kauzige, von Peter Moss aus Malaysia importierte javanesische Koch Mukti erinnert an eigenwillige Indonesier in Singapur in den Büchern von John David Morley und Patricia Morley
- Dieser Koch erschien offenbar erstmals im ersten Band der Malayan Trilogy von Anthony Burgess, danach in Peter Moss’ Malaysia-Buch und wird jetzt nach Hongkong verpflanzt, samt Familie (sicher ein Familienersatz für Peter Moss)
- Auch seine Malaysia-Erinnerungen (Teil 2 von 3 seiner Autobiografie) schrieb Peter Moss erst mit mehreren Jahrzehnten Abstand; dennoch scheint er dort, bei allen Mängeln, dem Land näher zu kommen, vielleicht weil er in Malaysia jünger war, weniger selbstgewiss und ein einfacher Nachwuchsjournalist, nicht wie in Hongkong ein hoher Kolonialbürokrat
- Mehr Hongkong-Atmosphäre liefern die Bücher Gweilo von Martin Booth und Kowloon Tong von Paul Theroux
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