Biografie-Kritik: Margaret Mead, von Jane Howard (1984) – 8/10

Die erfolgreiche Journalistin Jane Howard schreibt flüssig und leicht lesbar, nur ganz gelegentlich mit unpassenden Details irritierend. Natürlich hat Howard eine ergiebige Hauptfigur mit ergiebigem Umfeld: schon die Kindheit ist originell und nicht ohne witzige Momente, welche die Autorin gern wiedergibt.

Die brillante, stets aktive, ambitioniert denkende, viel und gewitzt schreibende Margaret Mead (1901 – 1979) liefert prima Material, nicht nur exotische Reisen, sondern auch ein abwechslungsreiches Liebesleben, und sammelte netterweise alle Korrespondenz. Ihre interessanten Männer und Bekannten bieten weiteren guten Lesestoff.

Jane Howard (1935 – 1996) interessiert sich mehr für die private Margaret Mead und weniger für ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse. Nach meiner Übersicht liefert Howard kein längeres Zitat aus Meads Ethnographien (nur aus Autobiografien und Briefen sowie jedoch ausführliche, banale Listen aus einem Testament, das Mead mit 27 machte, gynäkologischen Details bei der Geburt der Meadtochter, und witzige Bemerkungen ihres ersten Ehemannes).

Howard sagt auch nichts über Meads Methode, mit tonnenweise Tabak, Zeichenpapier und Murmeln in entlegenste Dörfer einzurücken und damit die Einheimischen zu bespaßen, so unaufdringlich wie möglich. Was hält die heutige Wissenschaft von diesem Vorgehen?

Gut: Jane Howard lässt die abgelegten Ehemänner der rastlosen Margaret Mead nicht aus den Augen und berichtet deren Lebensweg noch Jahrzehnte nach der Trennung von Mead. Zu wenig hören wir von Meads eigener Tochter.

Generell schreibt Harald verblüffend wenig über Meads Aufenthalte vor Ort, es gibt kaum Interkulturelles – mehr erfahren wir über Entstehung, Vermarktung und Rezeption der Bücher, über Forschungsmethoden und Geldbeschaffung.

Eigene lange Abschnitte befassen sich mit Meads Religiosität, Netzwerken und Öffentlichkeitsarbeit. Zu diskret ist der Teil über Sexualität, zu ausführlich der Verfall am Ende. Während Jane Howard ihre Hauptfigur überwiegend zu bewundern scheint, schildert sie in den letzten Kapiteln weniger liebenswerte Seiten Margaret Meads – fast scheint es um eine andere Frau zu gehen. Die Biografin beantwortet auf den letzten Seiten selbst die Frage, “welche” Margaret Mead sie mag – offenbar allein auf Basis der Persönlichkeit, nicht der wissenschaftlichen Bedeutung.

Jane Howard sprach mit rund 300 Wegbegleitern (ich gendere nicht), unter ihnen zwei Ex-Ehemänner und Mitglieder der Schwagerfamilien – sie liefern teils unterhaltsame Statements. Weil Jane Howard auf hochgestellte Ziffern und zeilengenau Endnoten verzichtet, lassen sich nicht alle Zitate sofort akkurat zuordnen.

Einige Meadbriefe waren erst ab 1999 einsehbar, also rund 15 Jahre nach Erscheinen der Howard-Biografie; es gibt neuere Meadbiografien von 2010 und 2020, welche die erst später einsehbaren Briefe mutmaßlich berücksichtigen.

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