Romankritik: Ein Sommerabend, von Cécile Tlili (2024) – 4/10

Wie in anderen Gesellschaftssatiren auch: die Figuren verhalten sich unrealistisch schroff oder schüchtern, und sie passen von vornherein nicht zusammen: (wörtlich) Heimchen am Herd versus mondäne Industrieschickse versus gutaussehender Juristenpartner.

Das generiert Spannung und Komik. Warum Mauerblümchen Claudia und der smarte Rechtsanwalt Étienne zusammenleben, ist unklar – aber ergiebig für einen Roman.

Die Autorin überfrachtet ihr Buch:

  • eine weibliche Hauptfigur ist schwanger, ohne dass ihr Mann es weiß;
  • die andere weibliche Hauptfigur könnte zur globalen Konzernführerin aufsteigen, ohne dass ihr Mann es weiß;
  • der finanzschwache Jurist braucht dringend einen Auftrag der finanzstarken Konzernlenkerin in spe;
  • das spielt gutteils in gelackt edlem Nobelambiente, noch oberhalb von ARD-Degeto-Niveau, die Dialoge der letzten Seiten klingen sogar nach Groschenheft.

Der Debutroman enthält Feminismus und Migrantismus, beides wirkt aufgesetzt und überflüssig, bringt aber Sympathien im politisch korrekten Feuilleton. Die Männer sind die Fiesen, gefühllos, untreu und intrigant. Ihre unterdrückten, betrogenen Partnerinnen finden zu Frauensolidarität und Selbstbestimmtheit, auch wenn sie dabei ihre Partner vor den Kopf stoßen.

Die Eindeutschung unterwältigt

durch Ausdrücke wie

den von ihren Kleidern unbedeckten Rücken

oder:

 …während auf ihre Konsternierung über das Stehengelassenwerden Wut und ein Gefühl der Demütigung folgten

Substantivierungen beeindruckten mich noch nie, Fehler noch weniger:

Sie fühlt sich nicht in der Lage, um ((sic)) einen ganzen Abend lang Étiennes klebrige Höflichkeit… zu ertragen …

Anderes verwirrt:

Alles andere, was so herumstand, hat sie verschenkt, das Meiste weggeworfen… in klebrigem Staub… Blätterraster der Platanen… durchsucht einen Hängeschrank nach einer Platte ((sic)), groß genug für den Berg von Curry, den sie gekocht hat… mögliche Indiskretionen ihrerseits an Rémis Telefon… nirgends hallte ein spontaner Trip nach Marrakesch so klangvoll nach wie in seinen gutgläubigen Ohren… Heute Abend ist er nicht sicher, die Richtigkeit seiner Annahme auf den Prüfstand stellen zu wollen. …  Einstieg in die offiziösen Verhandlungen, deretwegen er dieses Abendessen organisieren wollte

Im WC-Mülleimer liegen die Papiertücher,

mit denen sie den Küchenfußboden aufgewischt hat

Warum liegen die nicht im Mülleimer in der Küche? Und warum “auf-“, nicht “ab-“?

Der französische Titel

“Un simple dîner” passt besser als der deutsche,  “Ein Sommerabend”. Der englische Titel “Just a little Dinner” betont noch die Tendenz des französischen Titels, untertreibt aber – nicht nur, wenn man die Folgen bedenkt, sondern auch, weil Gastgeberin Claudia sich so viel Mühe gemacht hat und weil ihr Partner Étienne von Anfang an berufliche Pläne mit dem Abendessen verband. Die Figuren reden auch nie von einem “kleinen Abendessen”. Der niederländische Titel: “Een unschuldig diner”.

Assoziation:

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