Buchkritik: Auf dem schwarzen Berg, von Bruce Chatwin, (1982, engl. On the Black Hill) – 7/10 

Bruce Chatwin schreibt schlankes, uneitles Englisch ohne Effekthascherei oder Blabla, aber dekoriert mit vielen Wortantiquitäten. Chatwin kredenzt nur wenige Rückblenden, diese teils unübersichtlich. Es gibt nur eine dräuende Ankündigung kommenden Unheils am Kapitelende:

…during the summer of ‘27, there was a very disagreeable incident.

Chatwin streut faszinierende Details aus dem historischen Landleben ins Buch – manchmal dachte ich, er will damit angeben, aber mir gefallen diese Passagen immer; nur die kleinstädtische Siegesfeier nach dem ersten Weltkrieg geriet zu ausführlich, hier stockt die Handlung.

Dabei verwendet Bruce Chatwin mit Lust seltene Vokabeln, Tiere und Pflanzen (ich kenne nur das engl. Original, Details s.u.). Chatwin verlustiert sich auch an walisischen Ortsnamen – Cefn Wood, Cwm Cringlyn, Craig-y-Fedw, Abbey Cwmhir – und genießt grob geschnitzten Landsprech:

Be not I as stinks… I was woke in the night, an the dogs was yelpin’, and Jim was out-a-bed…

So meisterlich der Erstlingsroman oft komponiert ist, zeitweise schwenkt Chatwin zu stark auf den Hof The Rock der Familie Watkins – das wirkt unfokussiert. Auch ein paar andere Figuren erhalten zu viel Platz, als hätte Chatwin bei seinen Recherchen und Landpartien zu viele originelle Bauernkäuze, Bauernhäuser, Bauernmöbel und Bauerngärten angetroffen, die er einfach nicht nicht ins Buch packen kann.

Zu abrupt bricht auf Seite 223 von 245 die Neuzeit ein. Da gibt es überraschend ein “computergame, and it’s electronic warblings”, “the barman’s girlfriend” und einen Walkman – unerhörte Exotika in der Black-Hill-Welt. Gleitschirmflieger, Kletterer und Hippies kommen hinzu.

Dass Chatwin die lebenden Vorbilder seiner zwei Hauptdarsteller wohl einst als Antiquitätenbeschaffer kennenlernte, erhellt aus Bezügen auf handgefertigte Bilderrahmen und dem Hinweis auf eine Flinte neben der alten Uhr:

both the brothers were terrified of thieves and antique-dealers

Diese Furcht vor Antiquitätenhändlern erklärt der Autor auf den letzten Seiten.

Die erste Buchhälfte behandelt weitgehend Kindheit und Jugend der Zwillinge. Als uralte Eigenbrötler auf dem Hof trifft man sie nur auf den ersten Seiten und wieder in der zweiten Buchhälfte

Assoziation:

Seltene Wörter:

Der einstige Antiquitätensucher Bruce Chatwin verwendet im englischen Original u.a. diese Sprachantiquitäten:

elevenses, sweet-williams, spinney, fritillary, runt, elder, alder, scree, pleach, rick, daddy-long-legs, mares’-tails, stud-book, jackdaw, thrush, palliasse, mulligatawny, calf’s-foot jelly, white-feathering, Mangel, fetlocks, pulled the self-starter, bloater paste, abattoir, celandines

Ich bat drei KIs um Übersetzung und Einstufung der Gebräuchlichkeit damals und heute:

Chat GPT:

Englisches Wort

Deutsche Übersetzung

Gebräuch­lichkeit 1900–1920

Heutige Gebräuch­lichkeit

elevenses Vormittagspause Hoch Niedrig
sweet-williams Nelkenart (Dianthus) Hoch Niedrig
spinney Gehölz, Dickicht Hoch Niedrig
fritillary Schachbrettblume Hoch Niedrig
runt Zwerg, Kleinwüchsiger Hoch Niedrig
elder Holunder Hoch Mittel
alder Erle Hoch Mittel
scree Schutthalde Hoch Niedrig
pleach Verflechten (von Zweigen) Mittel Niedrig
rick Heuballen Hoch Niedrig
daddy-long-legs Stelzenläufer (Insekt) Hoch Niedrig
mares’-tails Schachtelhalme Hoch Niedrig
stud-book Zuchtbuch Hoch Niedrig
jackdaw Dohle Hoch Mittel
thrush Drossel Hoch Mittel
palliasse Strohsack, Matratze Hoch Niedrig
mulligatawny Gewürzte Linsensuppe Hoch Niedrig
calf’s-foot jelly Kalbshaxen-Gelee Hoch Niedrig
white-feathering Weißes Gefieder (bei Tieren) Mittel Niedrig
mangel Mangel (Futterpflanze) Hoch Niedrig
fetlocks Behang (bei Pferden) Hoch Niedrig
pulled the self-starter Starter betätigen Mittel Niedrig
bloater paste Fischpaste (geräucherter Fisch) Hoch Niedrig
abattoir Schlachthof Hoch Mittel
celandines Scharbockskraut Hoch Niedrig
Google Gemini Canvas:

Das verwendete Wort

Übersetzung ins Deutsch

Gebräuchlichkeit zwischen 1900 und 1920

Heutige Gebräuch­lichkeit

Anmerkungen/Quantifi­zierungen

elevenses der kleine Imbiss am späten Vormittag (gegen 11 Uhr) Sehr gebräuchlich Mäßig gebräuchlich War eine gängige Mahlzeit, besonders im britischen Landadel und im Dienstpersonal. Wird heute noch verwendet, aber vielleicht nicht mehr so alltäglich.
sweet-williams Bartnelken Gebräuchlich Mäßig gebräuchlich Eine beliebte Gartenblume im frühen 20. Jahrhundert und weiterhin bekannt.
spinney kleines Wäldchen, Gehölz Gebräuchlich Gebräuchlich Ein beschreibendes Wort für eine bestimmte Art von kleinem Wald.
fritillary Schachbrettblume, Kaiserkrone (je nach Kontext) Gebräuchlich (für die Blume) Mäßig gebräuchlich (für die Blume) Bezeichnet eine bestimmte Gattung von Blumen.
runt Kümmerling, Zwerg (bei Tieren) Gebräuchlich Gebräuchlich Bezeichnet das kleinste oder schwächste Tier eines Wurfs.
elder Holunder Gebräuchlich Gebräuchlich Bezeichnet sowohl den Baum als auch seine Beeren.
alder Erle Gebräuchlich Gebräuchlich Bezeichnet einen bestimmten Baum.
scree Geröllhalde, Schutthalde Gebräuchlich Gebräuchlich Ein geologischer Begriff.
pleach verflechten, verschulen (von Bäumen/Hecken) Wahrscheinlich gebräuchlich (im Gartenbau) Mäßig gebräuchlich (im Gartenbau) Eine spezielle Technik im Gartenbau.
rick Schober, Haufen (z.B. Heu, Stroh) Sehr gebräuchlich (in der Land­wirtschaft) Weniger gebräuchlich (da moderne Landwirtschaft anders ist) War eine typische Methode zur Lagerung von Erntegut.
daddy-long-legs Weberknecht Sehr gebräuchlich (umgangs­sprachlich) Sehr gebräuchlich (umgangssprachlich) Ein umgangssprachlicher Name für diese Spinnentiere.
mares’-tails Schachtelhalm (Pflanze) oder Schleierwolken (Cirrus uncinus) Gebräuchlich (beide Bedeutungen) Mäßig gebräuchlich (beide Bedeutungen) Hat sowohl eine botanische als auch eine meteorologische Bedeutung.
stud-book Stutbuch, Zuchtbuch Gebräuchlich (im Zusammenhang mit Zuchttieren) Gebräuchlich (im Zusammen­hang mit Zuchttieren) Ein Register für reinrassige Tiere.
jackdaw Dohle Gebräuchlich Gebräuchlich Eine Vogelart.
thrush Drossel Gebräuchlich Gebräuchlich Eine Vogelart.
palliasse Strohsack, Matratzensack Wahrscheinlich gebräuchlich (einfache Betten) Sehr selten Eine einfache Form der Matratze, heute kaum noch in Gebrauch.
mulliga­tawny Mulligatawny-Suppe (indisch-britische Currysuppe) Wahrscheinlich gebräuchlich (in britischen Haushalten mit Indienbezug) Mäßig bekannt Eine Suppe mit kolonialen Wurzeln.
calf’s-foot jelly Kalbsfußsulz (als Dessert oder Zutat) Wahrscheinlich gebräuchlich Sehr selten Ein traditionelles Gericht, das heute kaum noch gegessen wird.
white-feathering (im Kontext von Hühnern) weiße Federn entwickeln Wahrscheinlich gebräuchlich (in der Geflügelzucht) Wahrschein­lich weniger gebräuchlich (außerhalb der spezia­lisierten Zucht) Ein Begriff aus der Tierzucht.
mangel Mangold (als Tierfutter) Wahrscheinlich gebräuchlich (in der Landwirt­schaft als Tierfutter) Sehr selten (da andere Futtermittel üblicher sind) Eine Futterpflanze für Tiere.
fetlocks Fesselgelenke (bei Pferden) Gebräuchlich (im Zusammen­hang mit Pferden) Gebräuchlich (im Zusammenhang mit Pferden) Ein anatomischer Begriff.
pulled the self-starter den Selbststarter betätigt Gebräuchlich (nach der Einführung des Selbststarters in Autos) Gebräuchlich (in Bezug auf ältere Fahrzeuge oder als Beschreibung einer Handlung) Der Selbststarter für Autos wurde in den frühen 1900ern eingeführt und wurde in den 1910ern und 1920ern immer üblicher.
bloater paste Bloater-Paste (Heringspaste) Wahrscheinlich gebräuchlich Sehr selten Eine Art von Fischaufstrich, der in Großbritannien populär war.
abattoir Schlachthof Gebräuchlich Gebräuchlich Der formelle Begriff für einen Schlachthof.
celandines Schöllkraut (v.a. Chelidonium majus) oder Frühlings-Scharbockskraut (Ranunculus ficaria) Gebräuchlich (für beide Pflanzen) Mäßig gebräuchlich (für beide Pflanzen) Bezeichnet zwei verschiedene Pflanzenarten.
Le Chat Mistral:

Wort

Übersetzung ins Deutsche

Gebräuch­lich zwi­schen 1900 und 1920

Gebräuchlichkeit heute

elevenses Zweites Frühstück, Pause um 11 Uhr Ja Weniger gebräuchlich, aber bekannt
sweet-williams Levkojen (Blumenart) Ja Weniger gebräuchlich
spinney Kleines Wäldchen Ja Selten gebräuchlich
fritillary Schachbrettblume Ja Selten gebräuchlich
runt Kümmerling (kleines, schwaches Tier) Ja Gebräuchlich
elder Holunder Ja Gebräuchlich
alder Erle (Baumart) Ja Gebräuchlich
scree Geröllhalde Ja Gebräuchlich in geologischen Kontexten
pleach Flechten (von Pflanzen) Ja Selten gebräuchlich
rick Heuhaufen, Getreidehaufen Ja Selten gebräuchlich
daddy-long-legs Weberknecht (Spinne) Ja Gebräuchlich
mares’-tails Zirruswolken Ja Selten gebräuchlich
stud-book Zuchtbuch (für Pferde) Ja Gebräuchlich in speziellen Kontexten
jackdaw Dohle (Vogelart) Ja Gebräuchlich
thrush Drossel (Vogelart) Ja Gebräuchlich
palliasse Strohsack Ja Sehr selten gebräuchlich
mulligatawny Mulligatawny-Suppe (indische Suppe) Ja Selten gebräuchlich
calf’s-foot jelly Kalbsfußsülze Ja Sehr selten gebräuchlich
white-feathering Weiße Feder (Symbol für Feigheit) Ja Historisch, selten gebräuchlich
mangel Runkelrübe Ja Selten gebräuchlich
fetlocks Fesseln (bei Pferden) Ja Gebräuchlich in Pferdekontexten
pulled the self-starter Anlasser ziehen (bei Autos) Ja Historisch, selten gebräuchlich
bloater paste Bismarckhering-Paste Ja Sehr selten gebräuchlich
abattoir Schlachthof Ja Gebräuchlich
celandines Schöllkraut Ja Selten gebräuchlich

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