Rezension Geschichten-Sammlung: India in Mind, Hg. Pankaj Mishra (2005) – 7 Sterne

Auf 330 Seiten erscheinen 25 kurze Textauszüge von Europäern oder Amerikanern, die etwa zwischen 1895 und 1997 über Indien schrieben. Die acht bis gut 20 Seiten langen Exzerpte umfassen Fiktion und Sachbuch, Roman, Kurzgeschichte, Lebens- und Reisebericht.

Bekannte Namen:

Die Anthologie gibt die bekanntesten Indien-Autoren wider, so Rudyard Kipling, E.M. Forster, Hermann Hesse und V.S. Naipaul. Andere prominente Namen verbindet man vielleicht mit heißen Ländern, aber nicht auf Anhieb mit Indien: Mark Twain, Gore Vidal, Pier Paolo Pasolini, Octavio Paz, Claude Lévi-Strauss, Paul Bowles, Allen Ginsberg, George Orwell, André Malraux und W. Somerset Maugham.

Dazu kommen etablierte Reiseautoren wie Pico Iyer, Robyn Davidson, Bruce Chatwin, Peter Mathiessen und Paul Theroux. Die weiteren Verfasser: J.R. Ackerley, Ruth Prawer Jhabvala, Ved Mehta, Jan Morris, Alan Ross und Paul Scott.

Fazit:

Das Buch liefert Kostproben vieler interessanter Autoren – auch solcher, die man bisher nicht mit Indien in Verbindung gebracht hat, die man viellleicht gar nicht kannte. Die Lektüre ist sehr ungleichmäßig, denn die Sammlung enthält nicht nur unterschiedlichste Genres, sondern auch unterschiedlichste Qualitäten einschließlich sehr schwacher Texte, die man nach einer halben Seite überblättern möchte.

Egal: Die Übersicht präsentiert willkommene Anregungen für weitere Lektüren sowie Erkenntnisse über andere Autoren, die man nun getrost ganz vergessen kann.

Mit Ansage:

Herausgeber Pankaj Mishra leitet jeden Auszug eine gute halbe Seite lang ein – stets lesenswerte Zeilen mit Kurzbiographie des Autors, Bezug zu Indien, manchmal mit den Indien-Büchern des Autors und manchmal mit der Stellung des Auszugs innerhalb des Gesamtbuchs. Hier bleibt Mishra mitunter jedoch zu unklar:

So bringt er interessante Auszüge von Paul Bowles und von Bruce Chatwin; in beiden Fällen sagt er aber nicht genau, wie viel diese bekannten Autoren insgesamt über Indien schrieben und wie groß der Gesamttext ist. Chatwins Text über ein von Wölfen aufgezogenes Kind liege “on the borderline of fact and fiction”; doch Mishra verliert kein Wort darüber, wie realistisch die Geschichte wirklich sein könnte.

Im Vorwort gibt Mishra einen Überblick über ältere Indien-Literatur, von der ersten Erwähnung Indiens im vierten vorchristlichen Jahrhundert bis ins 20. Jahrhundert.

Unterschiedliche Qualitäten:

Freilich haben einige Autoren Indien nur einmal besucht und dann abgehakt, so J.R. Ackerley, Pasolini und Allen Ginsberg. Manche Geschichten wirken rund und in sich geschlossen, etwa bei Bruce Chatwin, Paul Bowles, Ruth Prawer Jhabvala, V.S. Naipaul, Pico Iyer und George Orwell (geboren in Indien, aber geschrieben über Myanmar).

Andere Texte sind offenkundig aus einem größeren Zusammenhang gerissen, der Einstieg fehlt, doch Mishra lässt sie an einer passenden Stelle enden – deutlich bei Robyn Davidson und E.M. Forster, die beide über Dorfhochzeiten schreiben, aber auch bei Paul Scott und J.R. Ackerley, der in seinen Hindoo Holidays fast schon frivol den Aufenthalt bei einem skurrilen Maharaja beschreibt.

Unfokussiert, sprunghaft, rein beschreibend:

Alan Ginsbergs Benares-Tagebuch kommt dagegen in halbfertigen Sätzen und rechtfertigt kaum die Lektüre. Auch das anschließende Stück von Hermann Hesse über Kindheitsdinge weckt wenig Interesse, schon gar nicht auf Englisch.

Weitere Texte erscheinen unfokussiert, sprunghaft, teils rein beschreibend ohne Dialog und Handlung, so dass ich sie überblättern musste, etwa Claude Lévi-Strauss, André Malraux, Pasolini, Peter Matthiessen, Octavio Paz (mit Gedichten), W. Somerset Maugham (den ich sonst mag) und Rudyard Kiplings Kim-Auszug. Die englischen Autoren bringen oft Erfahrungen des Kolonial- oder Expatlebens.

Manche Autoren schreiben rein über die Oberfläche und blicken kaum hinter die Dinge, etwa Robyn Davidson, Paul Theroux, Pasolini und Ginsberg; andere zeigen hinter Handlung und Dialog eine tiefere Dimension, zum Beispiel Pico Iyer, Ruth Prawer Jhabvala, Paul Scott, George Orwell oder V.S. Naipaul.

Ich würde hier gern andere Kritiker zitieren, habe aber keine interessanten Stimmen gefunden.


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