Ich habe mehrmals laut gelacht, vor allem im ersten Viertel, das gibt’s nicht oft. Die US-Autorin haut ihre neapolitanische Gastfamilie nur ein bisschen in die Pfanne, eher sich selbst, ihre US-Sitten und Italien im allgemeinen.
Trotzdem war mir unbehaglich: Wilson erzählt mit zu viel Dampf. Wie eine Bühnenkomikerin scheint sie eine Anekdoten-Mindestzahl pro Seite rauszuhauen, darunter Sprüche fürs Poesiealbum wie
Goethe said, “See Naples and die.” I saw Naples and started to live.*
Es wunderte mich gar nicht, als Wilson über ihre Jugend schrieb:
What i loved to do was perform… i studied acting… i performed the leading role in nearly thirty plays…
Und mit dieser Energie textet Katherine Wilson auch, oft zu aufdringlich. Sie (“normally a chatterbox”) klingt wie eine Late-Night-Quasselstrippe. Sie erwähnt sogar selbst einen bewunderten Late-Night-Talker (“Such skill at creating dramatic tension. He will not let your mind wander”) – allerdings nicht in Verbindung mit sich, sondern mit theatralischen Gemüseverkäufern.
Dazu passt, dass Katherine Wilson reihenweise kurze Kapitel raushaut, die nicht immer gut aneinander anschließen. Die Geschichte springt immer wieder, Episoden enden abrupt, nichts fließt. Sie eignen sich als Podcast-Episoden, als Blogeinträge oder Kalauer-Auftritte, sie ergeben aber keine schlüssigen Memoiren.
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Wilson verschweigt auch nicht frühere Essstörungen, den Hausdress ihres Salvatore (“undershirt and pajama top are tucked so into the pants tightly so that…”), Entnahme und Transport von Urin- und Stuhlproben, “and i don’t bidet”. Vielleicht will sie damit Komik generieren.
Diese hochtourige Autorin wuchs mir nicht ans Herz, und ihren Mann beschreibt sie als infantilen Doofi. Ich fragte mich wiederholt, wie die echten Protagonisten ihre Darstellung im Buch verarbeiten. Liebenswert indes die zwei Raffaelas im Buch: die Tochter und die Schwiegermutter der Erzählerin (s.a.Link unten; die Schwiegermutter nur gegen Buchende).
Immerhin: Katherine Wilson beschreibt offenbar rund 18 italienische Jahre und zieht interessante Vergleiche zwischen frühen und späteren Jahren. Sie liefert viel interessantes Italienisch* samt Übersetzung (z.B. sich mit Pasta “enthungern”). Allerdings war mir wiederholt nicht klar, ob sie Standard-Italienisch oder Neapolitanisch zitiert.
Doch ingesamt hat sie ihr Material nicht recht im Griff, greift zu willkürlich Momente heraus.
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Freie Assoziation:
- Menschlicher, weniger glatt, aber lustig und nicht doof berichtet Engländerin Annie Hawes von Lieben und Leben in Italien. Interessant in diesem Zusammenhang auch die Bücher von Luigi Brogna wie Spätzle al dente.
- Auch Lauren Collins ist eine US-Amerikanerin, die staunend nach Europa kommt, einem Eingeborenen verfällt und darüber ein Buch raushaut (When in French). Wie Katherine Wilson schreibt auch Collins zu viel über ihre Familie an der US-Ostküste. Beide Autorinnen danken in in mehrseitigen Nachworten scheint’s Gott und der Welt, beide bekommen kein flüssiges Narrativ hin
- Wilson ist etwas besser als Maria-ihm-schmeckt’s-nicht-Scherzkekse wie Stefan Maiwald oder Chris Harrison (Siesta italiana).
- Wolfgang Schmidbauers Haus in der Toskana.
- Neapolitanische Mütter und Schwiegermütter palavern auch in Elena Ferrantes Die Frau im Dunkeln.
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- Webseite der Autorin
- Katherine Wilson: A Letter to my Italian Daughter on Women’s Day (mit Foto)
- Katherine Wilson: Book Titles Never Come Easy (über die Wahl des urspr. Titels Only in Naples)
*Ich kenne nur das englische Original unter dem Titel Only in Naples, das offenbar als The Mother-in-Law Cure erneut herauskam; die deutsche Fassung heißt Amore al dente. (Ich glaube nicht, dass der Ausdruck “al dente” irgendwo im Lauftext vorkommt, aber “al dente” macht sich wohl gut in einem Buchtitel für deutsche Italien-Nostalgiker, siehe Spätzle al dente.)
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