Rezension Kinofilm: Der große Gatsby (2013, Regie Baz Luhrmann, mit Leonardo DiCaprio) – 5 Sterne – mit Romanvergleich

Disney goes Roaring Twenties, das Jazz-Age wird mit Rap und Discomucke vertont: Nichts erscheint echt in diesem Erfolgsfilm, ein bonbonbuntes Kirmesspektakel macht Regisseur Baz Luhrmann aus F. Scott Fitzgeralds Romanklassiker, der 1922 bei New York spielt. Alle Farben sind gepoppt, alle Gebäude scheinbar aus Plastik oder Pixeln, viel zu fantastisch und abgehoben sehen sie aus, und der Himmel stets gemalt himmlisch. Ansonsten wurde in Australien gedreht, mit überwiegend britischen und australischen Schauspielern.

Schwindelerregend:

Die übertriebenen (und virtuellen) Kameraflüge wirken krasser als bei Google Earth. Manches ist lächerlich, wenn man es nicht mit 3D-Brille sieht, so die fliegenden Buchstaben. Größer könnte der Unterschied zur steifen 1974er-Verfilmung mit Robert Redford nicht sein (Trailer beider Verfilmungen unten, Besprechung und Pressestimmen zur 74er-Version bei HansBlog.de).

Und nebenbei, Hauptakteur Leonardo DiCaprio erscheint wie immer zu milchbubihaft für eine männlich-herbe Rolle (ebenso wie in Zeiten des Aufruhrs, der Verfilmung eines anderen Bei-New-York-Romans von Fitzgerald-Bewunderer Richard Yates). In weiteren Rollen: Tobey Maguire, Carey Mulligan, Joel Edgerton und ganz kurz Bollywood-Superstar Amitabh Bachchan als Mafioso in seiner Hollywood-Premiere (obwohl er doch einst in Westproduktionen nicht mitspielen wollte, weil er da nur Pizzabäcker oder Ganove sein dürfe (Bachchan über seine Rolle in Gatsby)).

Daisy am anderen Ende der Bucht:

Die Handlung: Der superreiche Gatsby, 32, trauert seit fünf Jahren seiner Daisy nach, die jedoch inzwischen einen anderen Millionär geheiratet hat und am anderen Ende der Bucht wohnt. Gatsby will sie aus ihrer Ehe herauseisen. Spät im Film entsteht noch ein Kriminalfall.

Der Film wurde zum Kassenerfolg, während Kritiker standesgemäß kritisch urteilten (s.u.): Die Stimmung des Romans werde verfehlt, Kostüme und Interieurs seien nicht zeitgerecht (besorgt von Luhrmanns Frau Catherine Martin, die dafür zwei Oscars erhielt).

Vergleich mit dem Roman:

Luhrmann konzentriert seinen Erfolgsfilm auf das Verhältnis zwischen Ich-Erzähler Nick und Hauptfigur Gatsby. Darum kommt die von F. Scott Fitzgerald beschriebene Beziehung zwischen Nick und Jordan kaum vor, ebenso fehlt vieles am Ende: Gatsbys Vater, die Beerdigung, Wolfsheims Absage und die Szene, in der sich Nick und Tom zufällig auf der Straße treffen. Diese Episoden hatte Luhrmann gedreht und im Rohschnitt eingesetzt (man sieht sie auch in den Extras meiner DVD); sie wurden aber letztlich zugunsten einer kompakteren Story entfernt und auf meiner DVD nicht in einer Langfassung angeboten. (Die 74er-Verfilmung zeigt diese letzten Szenen dagegen, verzichtet aber anders als Luhrmann ausgerechnet auf den berühmten Schlusssatz des Romans und auf einige markante Details der Handlung, so auf die originelle erste Begegnung von Ich-Erzähler und Gatsby.)

Der Weg des Automechanikers Wilson zu Gatsby ist im Film viel kürzer und klarer als im Buch. Auch andere Szenen im Film sind direkter und teils vulgärer als der Roman. Manche Nebenfiguren wirken eindrucksvoller und/oder exzentrischer, vor allem Wilson, der Fotograf McKee und Katherine (alle Literaturverfilmungen auf HansBlog.de).

Ich-Erzähler Carraway schreibt seine Geschichte – anders als im Original – in einem Sanatorium auf Anregung des Arztes nieder. Luhrmanns überdrehte, künstliche Sause trifft keinen Moment die Stimmung von Fitzgeralds großartiger und sehr ruhigen Erzählung, und das, obwohl der Film die Vorlage ausgiebig zitiert – einschließlich der beschreibenden Sätze des Ich-Erzählers, die er hier aus dem Off spricht. (Ich verlange auch nicht, dass er die Stimmung oder die Handlung präzise wiedergeben muss; der Film gefällt mir unabhängig vom Buch nicht recht.)

Zur DVD:

Ich hatte eine DVD (nicht BD) aus der Reihe Star Collection oder ähnlich mit 2D-Wiedergabe. Sie liefert Ton und Untertitel jeweils auf Deutsch und Englisch. Die Schärfe ist mittel, die Farben wirken oft falsch und teils zu kontrastreich – aber ob das ein Fehler der DVD oder Absicht der Künstler ist, kann ich nicht sagen. Bei diesem Film ist eh nichts echt.

An Extras gibt es hier nur vier entfernte Szenen, die Luhrmann jeweils anmoderiert. Sie zeigen Episoden aus dem Roman, die im Film nicht verwendet wurden.

  • IMDB: Publikumszustimmung 7,3 von 10 (324.000 Stimmen, nur Frauen 7,6 von 10)
  • Amazon.com: Publikumszustimmung 3,7 von 5 (2085 Stimmen)
  • Amazon.de: Publikumszustimmung 4,0 von 5 (325 Stimmen)
  • Rotten Tomatoes: Kritikerzustimmung 48%, durchschn. Bewertung 5,8 von 10 bei 258 Kritiken (mit englischen Kritikerzitaten)
  • Metacritic: Kritikerzustimmung 55 von 100 (45 Kritiken), Publikumszustimmung 7,2 (705 Stimmen) (mit englischen Kritikerzitaten)



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