Musikfilm
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Doku-Kritik: Remember My Name (2019, über David Crosby, mit Cameron Crowe) – 5 Sterne – mit Video
Eine typische Musiker-Doku: Der Star, hier David Crosby, wird angebetet; Kritik wäre unfein, ja Majestätsbeleidigung. Der renommierte Filmemacher und Musikjournalist Cameron Crowe (auch beteiligt am fast Doku-artigen Rockspielfilm Almost Famous) ist hier nicht Regisseur, sondern Produzent und unsichtbarer Interviewer (Regie A.J. Eaton). Crowe ist offenbar auch seit Jahrzehnten mit Crosby befreundet oder zumindest bekannt. Na klar. Die Crosby-Doku walzt die Trauer über eine früh gestorbene Jugendfreundin viel zu weit aus. Crosby darf sich an seine Zeit mit Joni Mitchell erinnern, aber die Anbetungswürdige selbst erscheint nicht vor der Kamera. Crosby klagt, dass keiner seiner berühmten Musikkollegen heute auch nur mit ihm spreche, geschweige denn musiziere, und liefert ein paar diffuse…
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Rezension Musikfilm: Whitney Houston – Close Up/Can I Be Me? (2017, von Rudi Dolezal, Nick Broomfield) – 3 Sterne – mit Video
Ein Gutes hat die Doku ja doch: Die US-Stimmen werden nicht durch deutsche Stimmen übertönt, stattdessen gibt es deutsche Untertitel (die nicht immer ganz sauber übersetzen). Allerdings sieht man die Untertitel meist zu kurz, man kann sie gar nicht so schnell verarbeiten; schließlich erscheint die Doku bei Red Bull Media House auf Servus TV, und da darf keine Szene länger als zwei Sekunden dauern. Manchmal stehen die Untertitel auch länger, doch über den Schirm flimmern derweil drei verschiedene Szenen – zum Beispiel erst ein Interviewpartner, dann Whitney Houston auf der Bühne, dann Houston müde in der Garderobe. Dann fällt das Lesen der Untertitel fällt schwer, und das gesprochene Englisch ist…
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Filmkritik: Im weißen Rössl – Wehe, Du singst (2013, mit Diana Amft, Armin Rohde) – 6 Sterne – mit Trailer & Links
Grelles Comedy-Musical, das mit viel Produktionsaufwand auf trashige Kitsch-Parodie getrimmt wurde. Zwar wirkt vordergründig alles billig: die Plastikmusik, die grellen Farben und billigen CGI-Tricks, die banal absurde Story, die vulgären Figuren; doch tatsächlich steckt viel Arbeit und Idee darin. Gleichwohl: Wer das Hirn nicht im Schirmständer lässt, könnte leiden (ähnlich wie bei vielen Bollywoodfilmen). Ansonsten macht es vorübergehend Laune, Malle-Ballermann am Wolfgangsee. Momentweise erinnert Rössl – Wehe, Du singst an eine andere Musical-Parodie mit blonder, mild liederlicher Hauptakteurin, an Dörtes Dancing. Doch Rössl bietet viel mehr Augenschmaus, nicht nur bei den komplex choreografierten und gefilmten Gruppentänzen vor dem Seeuferhotel, sondern auch bei einem grotesk archaischen Schuhplattler-Faustkampf im Ring. Wikipedia ᛫ IMDB ᛫…
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Rezension Musik-Doku: Sing It Loud – Luthers Erben in Tansania (2017) – 7 Sterne – mit Video & Presse-Links
Die fast 90minütige Doku über tansanische Laien-Kirchenchöre hat lange, ruhige Einstellungen. Immer wieder hört man minutenlang nur den Gesang bei fast unbewegter Kamera – und sieht dazu die Chöre nicht nur in Kirchen und Sälen; sie singen auch auf dem Feld und in semiprofessionell selbstgedrehten Musikvideos. Schön: Über den Stimmen der Interviewpartner liegt keine deutsche Stimme aus dem Off, Untertitel übersetzen die Auskünfte. Dazu kommen sparsame Erklärungen einer Sprecherin mit naiver Stimme. Die Chorsänger stammen aus der tansanischen Mittelschicht. Sie sind sicher nicht reich, aber es geht ihnen nicht so schlecht. Sie arbeiten hart daran, beim landesweiten Chorwettbewerb ganz vorn zu landen – Jugendliche ebenso wie ältere Erwachsene, zum Beispiel…
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Rezension: Alle sagen: I Love You (Musical von Woody Allen, 1996) – 7 Sterne – mit Video & Presse-Links
Die meisten Hauptfiguren sind angeblich linksliberal, doch sie leben begütert in einer plüschigen, hochkonservativ ausgestatteten New Yorker Welt, in der man partout nur helle, gedeckte Farben sieht. Die Szenen in Paris und Venedig wirken wie touristische Kulissen (Buch, Regie, Darsteller Woody Allen, weitere Darsteller Julia Roberts, Goldie Hawn, Drew Barrymore, Natalie Portman, Edward Norton, Tim Roth, Alan Alda). Dazu erklingen swingende Song-Klassiker der 30er und 40er Jahre, neu in sehr guter Tonqualität aufgenommen. Die meisten Hauptdarsteller singen ihre Stücke selbst. Viele Gesangssoli klingen darum viel zu dünn – doch Allen wollte offenbar dezidiert unprofessionelle Stimmen hören. Umso angenehmer der mehrstimmige Chorgesang eines Profiensembles. Die verschiedenen Liebesgeschichten haben ein paar witzige…
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Rezension TV-Doku: 50 Jahre Montreux Jazz Festival – 7 Sterne – mit Links
Die Arte-Doku über 50 Jahre Jazzfest in Montreux ist unnötig, aber unvermeidlich hektisch und effektheischend geschnitten. Sie enthält immerhin auch viele sehr lebendige und vergnügliche Konzertausschnitte u.a. mit Marvin Gaye, Nina Simone, Chick Corea und Herbie Hancock sowie Monty Alexander. Das macht weit mehr Spaß als die statischen Jazz-Aufnahmen aus alpha-Jazz oder Jazz oder nie, beide auf ARD-alpha. Zu sehen ist die vollständige Montreux-Doku hier. Ein umfassendes Montreux-Videoarchiv gibt es hier.
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Kritik Musikdoku: Marley (2012) – 6 Sterne – mit Video & Links
Die Atmosphäre ist so dicht wie der Qualm aus einem fetten Joint, die Information allerdings nicht. Allein Bob Marley (1945 – 1981) und seine Entourage kommen hier zu Wort – vor allem Musiker, Manager und seine vielen Geliebten – aber keine kritischen Beobachter, keine Stimme aus dem Off, nur ein paar knappe Texttafeln. Die englischen Stimmen erhalten deutsche Untertitel, kein Voice-over – so soll es sein. Der Film wurde von der gesamten Marley-Familie freigegeben, und vielleicht kam Regisseur Kevin MacDonald nur so an die vielen unveröffentlichten Aufnahmen von frühen Konzerten und Proben. Doch keine einzige Interviewbehauptung wird nachgeprüft oder auch nur eingeordnet. Selbst in den verschwommensten Konzertaufnahmen wirkt Bob Marley…
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Rezension Tanzfilm: Strictly Ballroom – Die gegen alle Regeln tanzen (1992, Regie Baz Luhrmann) – 7 Sterne – mit Trailer
In der australischen Provinz streiten sich zwei Generationen von Tanzenthusiasten um die richtigen Tanzschritte, um den Sieg beim Amateurtanzwettbewerb und um Dunkles aus der Vergangenheit. Das ist aber fast egal: In seiner ersten Filmregie produziert Baz Luhrmann (Moulin Rouge, Der große Gatsby) ein kunterbuntes Tanzspektakel, bei dem nur selten keine Musik erklingt, mit betont schrillen, stark überzeichneten Witz-Figuren: Drogerieartikelvertreterinnen in Rosa, Tanzverbandsfunktionäre mit Toupet, Hinterhofflamencoartisten, junge Rebellen mit einem Hauch von James Dean. Vergnügliches Geschehen: Die Kamera ist exzellent bei den Tanzszenen, Profitänzer Paul Mercurio produziert eine eminent elastische Hüfte und das vergnügliche, aber zunächst sehr künstliche Geschehen weckt gegen Ende sogar ein paar Gefühle. Das vormalige Bühnen-Musical aus Luhrmanns…
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Rezension Musik-Doku: 20 Feet from Stardom (2013, über Hintergrundsängerinnen) – mit 2 Videos – 7 Sterne
Die Doku stellt Background-Sängerinnen der Unterhaltungsmusik ins Rampenlicht. Vorgestellt werden weitgehend schwarze Künstlerinnen. In Interviews und in Musikausschnitten zeigen sie jede Menge Energie und Vitalität. Vor allem schwarze Sängerinnen: Weiße oder Männer als Hintergrundsänger tauchen kaum auf – es bleibt unklar, ob es keine gibt. Stings weiße Sängerin Jo Lawry erscheint vor allem, um Stings schwarze Sängerin Lisa Fischer zu preisen. Die Musik im Film ist überwiegend Soul und Rhythm&Blues. Hintergrundsängerinnen von Elvis Presley oder Bruce Springsteen sieht man kaum, auch wenn Springsteen zu den bekanntesten Interviewpartnern im Film zählt. Andere Topstars, die sich über Hintergrundsängerinnen äußern: Ray Charles, Sting, Bette Middler, Stevie Wonder oder Mick Jagger. Zu den Themen…
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Rezension US-Musical-Film: Chicago (2002, mit Renée Zellweger, Catherine Zeta-Jones, Richard Gere, Regie Rob Marshall; mit Trailer & 4 Songs) – 9 Sterne
Bombastisch inszenierte, mitreißende Song&Dance-Revue von 2002 mit Catherine Zeta-Jones, Renée Zellweger, Richard Gere und Queen Latifah. Spielt 1926 in Gefängnismauern, Gerichts- und Cabaretsälen. Viele dunkle Szenen mit dramatischem Show-Licht, mehr Songs als Dialoge. Zeta-Jones und Zellweger spielen die verruchten Diseusen mit Verve und Klasse. Zellweger oszilliert bizarr zwischen naiver Unschuld und dem Hunger nach Ruhm. Zeta-Jones gibt die Rampensau und Richard Gere ist der selbstherrliche, manipulative Rechtsanwalt, der selbst Jesus einen Freispruch verschafft hätte – sagt er. Toll auch Queen Latifah als korrupte Chefin mit diabolischem Charme im Frauengefängnis. Sympathiefiguren fehlen in „Chicago“ gänzlich: der Grundton ist kalt lächelnd mondän, zynisch bös, die Akteure scheinen in der Gier nach Ruhm…
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Rezension US-Tanzfilm: High School Musical 2: Singt alle oder keiner! (2007, mit Zac Efron, Vanessa Hudgens) – Trailer & 3 Songs – 8 Sterne
Sicher ein Disney der besseren Sorte: Spektakulär inszenierte Tänze mit vielen kuriosen, exzellent umgesetzten Ideen, mit Energie und Selbstironie satt, mit sogar ein bisschen Spott und Frechheit, dazu peppig-poppige Ausstattung (die Filmer strichen sogar das Gras an) und ein paar schönen Melodien. Am Ende ist man ein bisschen matt, aber glücklich. Der reiche Paps schwebt im Helikopter ein, der Sohn bespielt einen rosa Flügel direkt im Pool und die Jungs von der Gang tanzen und rocken in der Hotelküche – so muss ein Musical sein. Mein Favorit im Ensemble ist Ashley Tisdale, im Film eine kapriziöse Platin-Zicke mit Herz und rosa Golfbällen, die ihren Namen tragen. Eigentlich habe ich nur…
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Rezension Musiker-Biopic: Ray (2004, über Ray Charles; mit Trailer) – 8 Sterne
Sehr bewegend, sehr subjektiv, sehr suggestiv gefilmt und darum berührender und kitschiger als zum Beispiel Dream Girls oder der Tina-Turner-Film. Manche Entwicklungen und Eingebungen kommen sehr abrupt oder schlicht, vielleicht unvermeidlich in der Kürze der Zeit. Kein Lied läuft ohne Unterbrechungen. Noch mehr könnte gegen den Film sprechen: die Länge allein der Kinoversion (152 Minuten), die traurigen und selbstzerstörerischen Momente, die Auslassungen und Ungenauigkeiten (vgl. Ray-Charles-Biograf David Ritz in Slate). Doch der Film hat einen guten Fluss und langweilt nie. Er ist, wie seine Hauptfigur, ein toller Entertainer.
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Rezension Musicalfilm: Dreamgirls (2006, mit Beyoncé Knowles, Eddie Murphy) – Trailer & 5 Songs – 8 Sterne
Viele tolle, lebhafte Songs. Vielleicht sogar zu viele, und einige davon zu lang, andere vorzeitig abgebrochen. Geben die Songs nur Dialoge – oder öfter Monologe – wider, scheinen die nicht singenden Akteure einzufrieren. Bei den frühen Titeln auf großen Livebühnen singen die „Dreamettes“ mit Band, aber ohne Mikrophon, das wirkt sehr unrealistisch. Dennoch mischt Dreamgirls Musikaufführungen und Filmhandlung insgesamt flüssig und überzeugend. Insgesamt ein mitreißender Film, auch wenn der zweite Teil zu hochglanzlackiert daherkommt. Überraschend nach Lug, Betrug und bösen Gefühlen das fast rührende Ende. Toll vielseitig Jennifer Hudson, vor allem in den frühen, selbstbewussten Jahren. Wer hätte gedacht, dass die fade Privatsekretärin aus SatC 1 so viel Energie und…
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Rezension Musik-Spielfilm: Tina Turner – What’s Love Got to Do with It? (1993) – 3 Videos – 8 Sterne
Der Film von 1993 hat keinen rechten Fluss, die Szenen gehen nicht schlüssig ineinander über. Es sind isolierte Stationen eines Lebens: Die kleine Tina Turner singt zu laut im Kirchenchor; die größere Tina Turner steigt spontan zu einer Band auf die Bühne; Tina Turner wird in der Raststätte von ihrem Partner verprügelt; Tina Turner nimmt das bombastische „Rivers Deep Mountains High“ mit Phil Spector auf; Tina Turner platzt in ein buddhistisches Gebet und erkennt das Leben neu; Tina Turner kommt mit zerschlagenem Gesicht und 32 Cents in einem teuren Hotel unter; Tina Turner trifft den neuen, Pop-orientierten Produzenten Roger Davies. Verblüffend, wie sie nach ihrer letzten verzweifelten Flucht nur noch…
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Rezension Musikfilm: Saturday Night Fever (1977, mit John Travolta) – 2 Videos – 8 Sterne
Ein paar Unterschicht-Heranwachsende mit öden Jobs leben nur dafür, samstags in der Disco abzuhotten. Saturday Night Fever, Riesenerfolg von 1977, zeigt den Alltag in Brooklyn hart, aber atmosphärisch in schönen, leicht pastellgetönten Bildern – den Stress im Job, das triste Familienleben (das mich etwas an Quadrophenia erinnerte), das Herummackern in der Clique und dann, Höhepunkt der Woche: die elektrisierende Disko-Atmosphäre. Es ist kein Musical, sondern ein Spielfilm mit viel Musik als Thema und als Hintergrund, also ein Musikfilm: Die Schauspieler bewegen nie die Lippen zum Gesang, sie tanzen lediglich zur Musik innerhalb der Handlung, die sich um Tanz dreht. John Travoltas Hüftschwung fasziniert, auch die Kamera überzeugt, die anderen Tänzer…
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Rezension Musik-Doku: Crossing the Bridge – The Sound of Istanbul (2005, Regie Fatih Akin) – mit Trailer – 8 Sterne
Ein packender Streifzug durch die Istanbuler Musikszene: Regisseur Fatih Akin zeigt örtliche Musiker, wie sie in Kellern, Hamams, Parks, Kneipen, Bussen oder Konzertstätten aufspielen – live, speziell für diesen Film, in exzellenter Tonqualität. Dazwischen immer wieder Eindrücke von der Stadt, auch historische. Alle Stile: Einige Künstler sind in Europa kaum bekannt, aber Akin zeigt auch die türkischen Superstars Orhan Gencebay und Sezen Aksu sowie den Weltmusik-Protagonisten Mercan Dede mit seinen elektronisch-esoterischen Sufiklängen. Meist mutet die Musik dezidiert süd-östlich an, es gibt aber auch Rap, Rock und Breakdance. Viele Akteure wirken wie Außenseiter, Straßenrocker, ein Joint kreist auch mal, die frühere Unterdrückung der Kurden und ihrer Musik wird laut angeklagt. Aber…
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Rezension Rock-Spielfilm: Almost Famous – Fast berühmt (2000; mit Trailer) – 8 Sterne
Coole Dialoge (besser in der englischen Tonspur). Viele interessante, pfiffige, hintergründige Momente. Witzige Typen ohne Larmoyanz. Kurze, doch ausgesprochen lebendige Bühnenszenen (und ich mag gar keinen Rock). Der ganze Film hat zumeist viel Schwung und zieht mit; meine BD lieferte jedoch nur die lange 155-Minuten-Version, die auch als Untitled kursiert, und da gab es zwischendurch langatmige Stellen. Ich habe schon viele Dokus und Spielfilme aus dem Musikbusiness gesehen, und kaum eine Produktion fühlte sich so echt wie diese an. Immerhin war Regisseur Cameron Crowe einst Teen-Reporter bei großen Rock- und Bluesbands. Allerdings fehlen wilde Exzesse, alles wirkt fast jugendfrei, die Musik ist teils erstaunlich fluffig für einen Rockfilm (Elton John,…
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Rezension US-Tanz-Spielfilm: How She Move (2007) – 2 Videos – 7 Sterne
Nervöse, latent aggressive Atmosphäre in eher armen Verhältnissen, aber kein Ghetto. Die Szenen in der Kleinfamilie werden überraschend sülzig. Viele schöne Kameraeinstellungen, oft im Dunkeln. Vor allem aber: Hochinteressante, ungewöhnliche Tänze voll Akrobatik, Pantomime, Alltagsgesten. Staubtrockene Hiphop-Musik mit erfreulich wenig Gesang. Vielleicht überraschend: Der Film ist nicht zu hektisch geschnitten und zeigt nicht zu viele Nahaufnahmen, so dass sich der Ensemble-Tanz zeitweise gut verfolgen lässt; die Sprache geht nicht in die Gosse. Die Handlung ist reichlich konstruiert, teils unglaubwürdig, Musical halt. Eher schon erstaunt, wie ernst die Akteure zwischen den Tänzen auftreten. Aber auch die Tänze sind nie entspannt, sondern eher militärisch. Die professionelle Kritik war recht angetan; unklar, warum…
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Rezension Jazz-Spielfilm: Um Mitternacht (Round Midnight, Regie Bertrand Tavernier, 1986; mit Trailer) – 7 Sterne
Das ist sehr edel gefilmt, selten zuvor sah ich Musiker so schön in Szene gesetzt – und das ohne Hektik. Aber auch außerhalb des Jazzclubs Blue Note glänzt die Kamera, schwenkt immer wieder langsam und beobachtend horizontal oder diagonal durch den Club und durch komplette Wohnungen – mit langen Einstellungen, wenig Schnitten, ein herrlich träger Film, der sich nur selten den Zwängen einer Handlung unterwirft. Gute Musik: Zudem spielt Dexter Gordon provozierend langsam, teils verschlagen – und er spricht auch so: das Englisch im O-Ton verstehe ich kaum, ich habe die Untertitel mitlaufen lassen. Die selbstzerstörerische Ader der Hauptfigur tritt nicht stark hervor, es gibt kaum Agonie. Der Jazz klingt…
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Rezension US-Tanzfilm: High School Musical (2006, HSM Teil 1, mit Zac Efron, Vanessa Hudgens) – 3 Videos – 7 Sterne
Heiteres Teenie-Drama um Basketball- und Gesangsambitionen, inszeniert in märchenhaft idealisierten Schulen und Eigenheimen, Erwachsene spielen nur Nebenrollen (2006). Im Vergleich zu HSM 2 (2007) und HSM 3 (2008) wirken die Darsteller jünger und schlichter gekleidet, die Szenenübergänge mitunter holprig, die Tänze weit weniger ausgefeilt und spärlicher verteilt. Die Musik ist weniger prägnant als in Teil 2, die Ausstattung nicht gar so bonbonbunt. Die Geschichte fließt nicht ganz so, ist aber auch nicht so steril und auf Konformitätsmaximierung ausgerichtet wie in Teil 3. Es gibt sogar ein paar freche Dialoge. Viele Szenen spielen in der Basketballhalle oder bei Gesangsproben. Etwas deutlicher als die Nachfolgefilme betont High School Musical 1 eine Botschaft:…
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Deutsche Tanzfilm-Parodie rezensiert: Dörte’s Dancing (2008) – 6 Sterne
Ich habe öfter lauthals gelacht: Ein Trash-Spaß, aber mit viel Selbstironie, Spielfreude und inspirierten Ideen, in manchen Gesichtern und Gesten sehr deutlich an das große Vorbild Dirty Dancing erinnernd (in der Geschichte sowieso). Wer Dirty Dancing nicht kennt, hat an Dörtes Dancing deutlich weniger Vergnügen. Auf die Rocky-Horror-Reminiszenzen hätte ich aber gern verzichtet. Mutter und Schwester agieren zu schrill, aber zum Glück auch nur selten. Außerdem denkt man an eine weitere Musikfilm-Parodie, an Im weißen Rössl – Wehe wenn Du singst.
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Rezension US-Musical: Hello Dolly (1969, mit Barbra Streisand) – mit Trailer – 7 Sterne
Unterhaltsames, sehr aufwändiges Plüschmusical mit fulminanten Tänzen und beeindruckenden Massenszenen. Die fluffig-nostalische, Oskar-prämierte Musik klingt angenehm, aber ein wenig gleichförmig. Die Tänze und Gesangsnummern fügen sich nahtlos ins Geschehen ein und spielen auch mal im Park, in der Küche oder im Hutladen – so muss ein Musical sein. Allerdings betont die Choreografie bizarre Elastizität, Komik, Gymnastik und Kuriositäten. Eleganz spielt weniger eine Rolle. Gute Dialoge und Torten in Gesichtern: Die Handlung? Naja. Das Ende ist noch unwahrscheinlicher als der sonstige Film. Aber wer fragt bei einem Musikfilm schon danach. Das Drehbuch liefert einige vergnügliche Dialoge, jedoch oft in unangenehm gespreiztem Tonfall vorgetragen (ich hab’s mit der englischen Tonspur gesehen, die…
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Rezension Musik-Doku: Standing in the Shadows of Motown (2002) – mit Trailer – 7 Sterne
Interessante, oft sympathische Typen, die hier markig und anekdotenselig aus einem unglaublichen Musikerleben in den Motown-Studios erzählen. Wenn sie kurz einen Takt auf den Tisch klopfen oder einen Rhythmus zischeln, dann blitzt sofort das alte Feuer durch. Interessant, dass von Anfang an auch ein paar Weiße dabei waren, wenn auch nicht in prägenden Rollen. Der Film verzichtet konsequent auf Prominenz. Die Stars in dieser Dokumention sind die einstigen Hintergrundmusiker. Die früheren Frontleute wie Marvin Gaye, Diana Ross usw. werden erwähnt, sind aber höchstens für eine Sekunde zu sehen. Auch das Gesicht von Motown-Chef Berry Gordy erscheint nicht. Der junge Stevie Wonder hat einen Kurzauftritt. Kamera und Schnittwechsel sind ruhig und…
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Rezension Kuba-Musikfilm: Buena Vista Social Club (1999, Regie Wim Wenders) – mit 3 Videos – 7 Sterne
Kubanische Musiker spielen kubanische Musik 1998: auf großen Bühnen in Amsterdam und New York und in kleinen Studios in Kuba. Die meisten Musiker sind 60 bis 80 Jahre alt. Dazwischen zeigt der Musikfilm (erschienen 1999) ein paar Straßenszenen: Havana wirkt wie ein lebendes Museum mit seinen Oldtimern und verfallenden Kolonialbauten. Außerdem führt der Film in schlichte kubanische Wohnungen und in ein paar sehr großzügige Koloniallofts. Dort erzählen die Musiker – unter ihnen Sänger Ibrahim Ferrer und Pianist Rubén González – über ihr Leben. So kennt man nach 105 Minuten Laufzeit alle Akteure. Die Studioaufnahmen im Film sind nicht gestellt – beim Dreh entstand tatsächlich die zweite Platte. Zeitweise bat Cooder…
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Jazz-Doku: Thelonious Monk – Straight no Chaser (mit Video) – 6 Sterne
Der Film (engl. Straight, No Chaser, dt. Thelonious Monk, Eine Jazzlegende; 1988) zeigt ausgedehnte Live-Aufnahmen Monks in Schwarzweiß 1968, oft nicht vor Publikum, sondern bei Plattenaufnahmen. Alle Monk-Klassiker von ‚Round Midnight bis Epistrophy sind zu hören. Während die Kameraführung oft dilletantisch wirkt, ist die Bildqualität passabel, der Ton exzellent – und es ist Monks frisches, vitalisierendes, einzigartiges Jazzklavier. Viel Jazzgeschichte zu Thelonious Monk liefert Straight, No Chaser nicht. Es gibt ein paar Interviewschnipsel mit dem Manager Harry Colomby, mit dem Sohn und mit Monks langjährigem Saxophonisten Charlie Rouse, dazu anfangs ein paar Sätze aus dem Off. Doch schon Wikipedia liefert mehr Information als dieser Film. Welche Figur macht Monk im…
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US-Tanzfilm: High School Musical 3: Senior Year (2008, mit Zac Efron, Vanessa Hudgens) – Trailer & 4 Songs – 6 Sterne
Wirklich tolle Choreographien, insbesondere das Basketballspiel zu Beginn, bei dem Tanz und Synchronträllern zwischen aktiven Sportlern und Cheerleadern hin und her wechseln. Die geschauspielerten Abschnitte zwischen den Tänzen sind noch zuckerbäckeriger, steriler und „disney“ als nötig, Realität bleibt unter Strafandrohung außen vor, also gibt es auch nur einen Kuss und fast kein Internet, Alkohol, Mobiltelefon, Tattoo, Facebook oder Vulgärsprache. Ein niedliches, hohles Märchen. Die Dialoge haben nur ausnahmsweise mal Witz, klingen ansonsten verblüffend fad. Die deutsche Synchronisation gefällt mir gar nicht, aber selbst die US-Stars synchronisieren ihren eigenen Gesang nicht sauber, speziell Zac Efron. Auch wenn sie beeindruckend tanzen, weckt keiner der Darsteller Begeisterung oder Mitgefühl, echte Charaktere gehören nicht…
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Jazz-Biopic: Bird (1988, über Charlie Parker, Regie Clint Eastwood; mit Trailer) – 6 Sterne
Das erwachsene, kurze Leben des Jazzgenies Charlie Parker (genannt Bird) in New York und Kalifornien. Für mich springt nie so recht der Funke über, es wirkt manchmal wie nachgestellte Szenen in irgendeiner Doku. Große Teile des Films (1988, 2:40 Stunden lang) spielen in dunklen Räumen, Gesichter liegen allzu dramatisch im Halbschatten. Die Handlung läuft zäh; einige Details der Handlung habe ich nicht verstanden, und hätte ich nicht vorher Parkers Biographie im Internet gelesen, wäre mir noch viel mehr unklar geblieben. Das leistet der Hauptdarsteller: Parkers Drogenabsturz erscheint im Film nicht so hart, wie ich befürchtet hatte. Sein Darsteller Forest Whitaker, für die Bird-Arbeit mehrfach ausgezeichnet, behält ohnehin bis zum Schluss…
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Jazz-Doku: The Jazz Baroness (2009, BBC, Regie Hannah Rothschild; mit Trailer) – 6 Sterne
Das Leben der „Jazz Baroness“ Pannonica de Koenigswarter, geb. Rothschild, im Bebop-New York der 50er, 60er und 70er Jahre ist das Hauptthema dieser BBC-Dokumention. Regisseurin Hannah Rothschild, Großnichte Pannonicas, schildert aber auch ausführlich den Lebensweg des Tastengenies Thelonious Monk; von allen Jazzmusikern, die de Koenigswarter unterstützte, war er ihr persönlich und musikalisch am nächsten, er wohnte auch länger bei ihr. Wie so viele Doku-Filmer zeigt Hannah Rothschild zeigt immer wieder sich selbst: sie wandert durch das New York des 21. Jahrhunderts (also Jahrzehnte nach dem Tod der Hauptfiguren), sitzt in der U-Bahn, sichtet mit dreckigen Fingernägeln Archive. Diese Bilder sind genauso überflüssig wie die vielen historischen Autofahrten, Flugzeuglandungen oder vorbeifahrende…
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US-Tanz-Spielfilm: Fame (1980) – Trailer & 2 Szenen – 6 Sterne
Ganz nett. Eine ganze Zeitlang war ich mir nicht mal sicher, „im richtigen Film“ zu sein, denn hier reiht sich nur eine kleine Kunst-Schul-Episode an die nächste: Eine richtige Handlung kommt kaum in Gang, nur ganz allmählich lernt man die Hauptfiguren etwas kennen. Ich fragte mich, ob dies nur Begleitmaterial war. Es ist aber interessant anzusehen. Tänze und Wettkampf: Hier geht es wohlgemerkt um Fame von 1980 mit Irene Cara. Filme mit dem Titel Fame entstanden auch in anderen Jahren. Das Schulklima ist aggressiv und wettbewerbsorientert. Diese Atmosphäre passt nicht gut zu den teils ausgelassenen Tänzen, am bekanntesten wohl die Session in der Mensa und der Tanz auf der 46.…
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US-Tanzfilm: Three Little Words (1950, mit Fred Astaire) – mit Trailer – 6 Sterne
Unterhaltsame, schmucke, oft gesteppte, wenn auch nie atemberaubende Tänze, dazu passable (Oscar-nominierte) Melodien. Die Handlung ist holzschnittartig und ohne Tiefgang inszeniert, erinnert teils an Dick und Doof. Die Tänze sind jedoch sehr flüssig in die Handlung integriert. Die Geschichte orientiert sich an der wechselhaften Karriere eines Songschreiber-Duos und ist offenbar teilweise mehr auf historische Genauigkeit als auf unterhaltsame, aber dennoch nachvollziehbare Wendungen aus. Das Musical spielt meist in Innenräumen, abgesehen von ein paar Szenen auf dem Sportplatz, dort wird aber nicht gesungen. Dass Astaire 50 Jahre alt ist, sieht man seinem Gesicht sehr deutlich an, aber nicht seinem Tanz. Seine Film-Partnerin Vera-Ellen war bei den Aufnahmen etwa 30 und scheint…
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Rolling-Stones-Doku: Shine a Light (2008) – 6 Sterne
Die Großmeister des Stadionrocks spielen hier in einem schnuckeligen, historischen Sälchen, das keine 3000 Zuschauer fasst und mal sakral, mal wie eine Klosterbibliothek oder ein Kuschelpub anmutet. Dabei wirkt jedes Lächeln, jedes Schulterklopfen auf der Bühne einstudiert (außer bei Bühnengast Buddy Guy). Keine Doku, eher ein Musiktheaterfilm: Der Auftritt erscheint so echt wie die schwarzen Haare der Rockopas auf der Bühne – Perücke oder gefärbt?; so inszeniert und unrealistisch, dass man nicht von einer Doku sprechen möchte. Kein „Konzertmitschnitt“: Shine a Light (aufgezeichnet 2006, erschienen 2008) ist eher ein Theaterfilm mit musikalischen Hauptdarstellern, festgehalten von den besten Kameramännern der Branche mit Riesenaufwand. Auch der Sound klingt nicht realistisch für einen…