Biografie-Kritik: Die Wahrheit über Donald Trump, von Michael d’Antonio (2015, 2016, engl. Never Enough bzw. The Truth About Trump) – 7/10

Michael d’Antonio (*1955) verachtet Donald Trump ganz und gar:

he prowled the precincts of greed, deception, and depravity… a walking caricature of greedy self-interest… hormonally blessed

So direkt spricht er indes nur selten, meist berichtet D’Antonio scheinbar nüchtern, wenn auch mit sozialdemokratischen Einschlag etwa bei der Betonung der Einkommensverteilung über die Jahrzehnte. Dass Trump gefährliche Charakterzüge haben könnte, vermittelt D’Antonio nur indirekt: In einem Buch beschreibe Trump

many of his flaws (he selected the ones that were essentially harmless)

D’Antonio mag offenbar “old-fashioned notions of decency” und klingt selbst ziemlich old fashioned dabei. Immer wieder erwähnt er nicht nur harte Zahlen und Fakten, sondern auch

fears, anxieties, and desperation… dignity and respect sought by every human being… public conversation is being continually degraded

Das Buch erschien 2015 zunächst unter dem Titel “Never Enough: Donald Trump and the Pursuit of Success”  und wurde 2016 neu aufgelegt als “The Truth About Trump”, mit einem aktuellen, interessanten Vorwort des Autors.

Meine englische 2016er Taschenbuchausgabe hat gut 460 eng bedruckte Seiten Haupttext, acht schwarz-weiß-Fotoseiten plus rund 50 Seiten hochinformativen Anhang.

Bizarre Randfiguren:

Öfter lässt sich d’Antonio von seinen Recherchen zu weit forttragen, porträtiert bizarre Randfiguren: Bürgermeister, Rechtsanwälte, Dschungelcamp-Erfinder und christliche Motivationsprediger, so wenn er bei Immobiliengeschäften und Intrigen von Trump-Vater Frederik die Entstehung des Begriffs “Public Relations” erklärt und den Sigmund-Freud-Neffen Bernays reminisziert.

Oder D’Antonio extemporiert allgemein überflüssig über Promitum, Narzissmus (mehrfach), Barack Obamas Geburtsort, Selfie-Kultur und die wandelnde Bedeutung des Begriffs “lifestyle” seit 1929, rekurriend auf Alfred Adler. Viel zu ausführlich porträtiert D’Antonio auch die exzentrischen schottischen Widerständler gegen einen Trumpschen Golfplatz, aber dieses Kapitel ist hochatmosphärisch wie ein Roman.

Seltener fasst D’Antonio sich verblüffend knapp: so heißt es, Vater Fred Trump bestrafe seine fünf Kinder jeden Abend für die Vergehen des Tages – Ende des Themas. Wie Fred Trump strafte und wie gefürchtet er war, lesen wir nicht (Endnote 3 in diesem Kapitel listet nonchalant mehrere Bücher zur Trumpschen Häuslichkeit, als ob wir dort schnell  nachlesen könnten). 9-11 spielt keine Rolle.

Sprache:

Der Autor schreibt überaus flüssig und leicht lesbar, es fällt schwer das Buch wegzulegen (er hat freilich ein dankbares Thema). Zudem formuliert er gern feuilletonistisch elegant, etwa: 

…new homes built anywhere near this tony district carried cachet… ((die  Krawallartikel in der New York Post)) delivered a reader’s version of a sugar high, satisfying in the moment and also creating a craving for more… his businesses continued to bob in a pool of red ink

Assoziation:

Die Trump-Biografien von D’Antonio und Kranish/Fisher im Vergleich:

Niedertracht, Pressegeilheit, Marktschreierei, Misogynie, Narzissmus, Lügenwirtschaft, Finanz-Scharlatanerie sowie laute öffentliche Kritik an US-Militärausgaben in Europa und Mittelost – Donald Trump lieferte alles schon Jahrzehnte vor seiner ersten Präsidentschaftskandidatur. Die Bücher belegen es nüchtern und überdeutlich.

Beide Biografien tragen den selben deutschen Titel, erschienen um die US-Präsidentschaftswahl 2016 herum und wurden nach meiner Übersicht bis März 2025 nicht aktualisiert. Für beide Bücher sprach Trump laut Vorwörtern ausführlich 10 oder 20 Stunden mit den Autoren; er drohte jeweils Strafverfolgung bei Unzufriedenheit an. Nur D’Antonio berichtet ausführlicher von diesen Trump-Begegnungen, er wurde schließlich persona non grata.

Flüssige Lektüre:

Beide Bücher lesen sich flüssig (ich kenne jeweils nur die englische Ausgabe). D’Antonio klingt ein wenig feuilletonistischer und teils noch runder; Kranish-Fisher bezeichnen D’Antonios Buch in ihrem eigenen Nachwort als “thoughtful, detailed overview”. D’Antonio faszinieren aber öfter auch Randfiguren und Randthemen, die er ermüdend über Absätze oder Seiten hinweg vorstellt; Kranish/Fishers Trump-Buch liefert mehr kleine Details zu Trump und bleiben enger an der Hauptfigur. Letztlich liefern Kranish/Fisher das bessere Buch, und es bringt auch nichts, beide Bände parallel zu lesen (anders als bei den sich ergänzenden Churchill-Biografien von Gilbert und Jenkins).

Beide Werke klingen halbwegs neutral, keinesfalls kämpferisch; doch D’Antonio verwendet auch eigene, abwertende Adjektive und legt moralische Maßstäbe an. Dagegen werten Kranish/Fisher nur in Zitaten von Beobachtern – auch aus der eigenen Washington Post, aber immer gebremst, und zitieren  gelegentlich auch Lob. (Im Februar 2025 verbot WP- und Amazon-Eigner Jeff Bezos seiner Zeitung faktisch, Trump zu kritisieren. Vielleicht schmeißt er ja auch diese Trump-Biografie aus seinem B a uchladen.)

Inhaltliche Unterschiede:

Inhaltlich gibt es Unterschiede. So liest man nur bei Kranish/Fisher, dass Großvater Friedrich Trumpf gar nicht in den USA bleiben, sondern sich nach ein paar US-Jahren wieder in der Pfalz niederlassen wollte, dies aber nicht durfte und notgedrungen in die USA zurückkehrte – erst dort kam Trump-Vater Frederik Trump zur Welt. Nur dieses Buch berichtet auch über Trumps Lizenzsystem mit Trump-Steaks, Trump-Matratzen, Trump-Businesskleidung und Trump-Mineralwasser und über seine Geschäfte in Russland Aserbaidschan, Schottland und Panama. Insgesamt finden sich hier deutlich mehr Fakten zu Trump, der Name Putin fällt schon 2013.

Nur bei D’Antonio liest man dagegen, dass die Anklage gegen Trump wegen ethnischer Diskriminierung bei Vermietungen Anfang der 70er Jahre letztlich auf die Nixon-Regierung, und nicht nur auf New Yorker Stellen, zurückging. D’Antonio schreibt ausführlicher und sehr atmosphärisch über die störrischen schottischen Nachbarn des geplanten Trump-Golfplatzes auf den Hebriden und zieht eine Parallele zum Film Local Hero. D’Antonio interessiert sich auch mehr für Psychologie.

Insgesamt zitiert D’Antonio mehr Statistiken zu Armut, Einkommensunterschieden oder Bautätigkeit in verflossenen Jahrzehnten, mehr Randthemen und moralische Betrachtungen; Kranish/Fisher kredenzen mehr kleine Fakten zu Donald Trump, die aber nie überflüssig oder “boulevard” wirken.

Verblüffend: 9-11 spielt in keinem Buch eine Rolle (jedoch einige Terror-Attacken aus 2015 bei Kranish-Fisher). Beide Bücher berichten zu atemlos über die Vorwahlen 2015/16, die stattfanden, während die Bücher geschrieben wurden.

Bücher bei HansBlog.de:

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

 

Nach oben scrollen