Romankritik: Božena, von Marie von Ebner-Eschenbach (1876) – 7/10

Marie von Ebner-Eschenbach schreibt kraftvolles, einfühlsames Deutsch, gelegentlich mit triefendem Spott, etwa bei speichelleckerischen Briefen und enttäuschten Liebesgockeln, mal auch schwülstig pathetisch. Ihre Dialoge und Begegnungen haben Spannung und Zwischentöne, auch wenn die Autorin gelegentlich zu deutlich erklärt. Etwa bei einer unliebsamen Besucherin, die man gleichwohl freudig anheucheln muss:

Sie bezeigte eine überschwengliche, mit einem gewissen Entsetzen vermischte Freude über den unerwarteten Besuch

Oder eine andere heikle Situation:

Er brachte es sogar einmal dahin, mit einem Grinsen, das um alles in der Welt freundlich sein sollte, aber einfach – gräßlich war, zu sagen: „Sehr kalt heute?… Belieben zu frieren?”

Manche gefühlvollen Szenen wirken zu schmalzig, momentweise wie Groschenroman. Und schmerzlich: die in jungen Jahren selbstbewusste Magd Božena deklamiert eine “mit Kraftworten gewürzte Kritik” – aus der die durchaus wortmächtige Verfasserin zimperlich nicht eine Zeile zitiert.

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(Melo-)drama:

Das Buch beginnt melodramatisch: Flott nacheinander versterben ohne Erklärung der vielversprechende Sohn des Hauses und seine Mutter. Praktisch für die Autorin: Sie bringt störendes Personal leichthändig um die Ecke und bereitet das Tableau für den Konflikt der Verbleibenden: Vater, Tochter, Dienerin Božena, bald eine neue Frau des Hauses und nach neun Monaten Töchterchen Regula – als Erwachsene Gegenspielerin Boženas.

80 Seiten später meuchelt Marie von Ebner-Eschenbach (1830 – 1916) noch zwei Protagonisten – ein paar Zeilen, Klappe zu, Affe tot, und ein neues Personaltableau steht da. Daraus konstruiert Marie von Ebner-Eschenbach viele Jahre und Seiten später ein verwickeltes, dramatisches Finale, in dem sich gegensätzliche Wünsche, Wissensstände, Liebe, Geld und Adel dramatisch kreuzen, unterschiedlichste auch mickrige Handlungsfäden zusammenlaufen und ich nicht alles verstanden habe.

Wenig Božena in Božena:

Die Titelfigur verschwindet freilich über ganze Kapitel hinweg aus der Handlung. Vom Textanteil her ist sie wohl nicht die Hauptfigur – vielleicht aber im Herzen ihrer Erfinderin.

Auch anderes kommt kurz: der Herr des Hauses heiratet also „Frau Heißenstein II.“, so die Verfasserin, doch kein Wort von Hochzeit oder Reaktion der Umwelt. Sogar die Lebensjahre von Hochzeiter und Hochzeiterin bleiben unklar.

Dativ-e-Gräuel:

Stattdessen zelebriert Marie von Ebner-Eschenbach schrilles Dativ-e:

dem Ausgange zu… auf dem letzten Jahrmarkte gekauft… aus dem Schranke… in dem Verhältnisse zwischen… vom Kriegsschauplatze… Verehrer gaben ihr das Geleite ((ein Akkusativ-e 😠))

Im Kapitel 3 beginnt ein Absatz mit „Auf dem Platze” und liefert innerhalb von fünf Zeilen diese Dativ-e-Gräuel:

Auf dem Platze… dem heißen Sommertage… am Hause… dem Vertrauensmanne…

Assoziation:

  • Eine Frau erbt Vermögen und wird darob von Männern umschwärmt – wie im Roman Lotti, die Uhrmacherin, von Marie von Ebner-Eschenbach
  • eine Frau gesteht ohne zwingende Notwendigkeit einen außerehelichen „Fehltritt”– wie in von Ebner-Eschenbachs Roman Unsühnbar
  • ferne Anklänge an Jane Austen bis hin zu landadeligen Großgrundbesitzern, traulichem Lustwandeln im Schlosspark und in hügeliger Landschaft (auch wenn Ebner-Eschenbach überwiegend  andere soziale Sphären als La Austen beschreibt)
  • gelegentlich wünscht man sich auch Anmerkungen wie in den Jane-Austen-Ausgaben von David Shapard – zur 48er Revolution wie auch zu Ausdrücken wie “Progenitur“, “zum Cicerone machen“, „als Hebe gezeichnet“, “dithyrambisch“, Französisches, das Motiv Rose aus dem Fenster / Sängers Fluch etc. etc.;
  • deutlich flapsiger und flockiger als Božena klingt Marie von Ebner-Eschenbachs Theaterstück („dialogisierte Novelle“) Ohne Liebe
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