Romankritik: Welcome to Lagos, von Chibundu Onuzo (2016) – 4/10 Sterne

Fünf Nigerianer aus allen Regionen und Gesellschaftsschichten machen sich nach Lagos auf – Deserteure, Minister, Journalisten, Dörfler. Doch im ersten Drittel verbindet Chibundu Onuzo (*1991) ihre Geschichten zu wenig und beleuchtet sogar noch Nebenfigurenschicksale. Später leben alle gemeinsam in einer absurden, unterirdischen WG.

Die hochgelehrte Autorin überfrachtet ihren Roman mit zu viel Material. Sie schreibt selbst im Nachwort:

It takes a dossier of interviews to write a second book.

Dem folgen zweieinhalb Seiten Danksagung.

Und sie hatte ursprünglich noch mehr Protagonisten, die sie dann wieder herauskegelte (Quelle):

at one point I had eighteen characters and the story had kind of lost all shape and momentum, so I had to kill some people off. So I ended up with seven.

Biblisch:

Außerdem ist Onuzo zu biblisch. Einige Akteure wollen unverhofften Geldzuwachs tatsächlich für gute Zwecke verwenden; einer ist zudem tiefgläubig und liest seinen Mitbewohnern allabendlich aus der Bibel vor, wie Onuzo wiederholt ergriffen schildert:

One day, a sermon on the mount. The next a parable from Luke… the book of John… verse by verse, chapter by chapter… the book of Ecclesiastes… The rich man roasting in a lake of fire and poor Lazarus, held in the bosom of Abraham… they would all listen, rapt as children…

Gegen Ende häufen sich die Bibelanspielungen in der sonstigen Handlung:

…back to Egypt… the Chief had given his freedom for theirs, the messianic story subverted… or if he had gone stoically to his cross…

Bibelfeste Leser entdecken sicher mehr Parallelen als ich.

Onuzu selbst ist scheint’s auch tiefgläubig, Ihr Buch beginnt mit der Widmung

To God be the glory

und die Danksagung am Ende inkludiert

the HTB School of Theology for reintroducing me to the Bible and in particular, the book of John

Auch irdische Götter wie “Kenzo” und “Jean Paul Gaultier” figurieren gelegentlich.

Atmosphäre:

Das Lagos-Leben wird nicht lebendig – selbst wenn ein Protagonist als Verkehrsregler arbeitet, die Gruppe mal unter der Brücke, mal in Luxusvillen schläft und den IT-Markt besucht:

Men hawked monitors as you would fresh fish, thrusting the blank screens at you for inspection.

Das peppigste am Buch ist das Cover. Einen Kurzbesuch in der “water city” flicht Onuzo sehr unmotiviert ein, wie touristisches Pflichtprogramm für europäische Leser. Die Gegend spielt am Ende noch eine Kurzrolle, ebenfalls seltsam angeklebt.

Gelegentlich schien mir die Geschichte gar nicht zu funktionieren, das Zusammenspiel der Akteure nicht zu passen, ich erwartete in bestimmten Situationen andere Namen; aber vermutlich habe ich nur die Übersicht verloren.

Manche Schicksale wirken auch sehr konstruiert, so wie einige überaus altruistische Akteure oder der Dorfjunge mit US-Akzent, der Radiosprecher werden will und natürlich die ganze Souterrain-WG mit Ex-Ministern, Top-Journalisten und Hilfs-Verkehrspolizisten.

Mann-Frau-Liebe spielt kaum eine Rolle, abgesehen von schwülstigen Wünschen, Erinnerungen an Verstorbene und einer heißen Massage in der Dunkelheit des Stromausfalls.

Sprachlich:

Das Buch ist sehr leicht zu lesen, es gibt kurze Kapitel und Unterkapitel, viele Dialoge, aber gar nichts prickelt. Gelegentlich erklingen seltene Ausdrücke wie:

People were already amove

Natürlich bringt die wörtliche Rede noch mehr  Kuriositäten, etwa “talkless” im Sinn von “erst recht nicht”:

I wouldn’t give him a job as a cleaner, talkless of a presenter.

Teils verstehe ich das Pidgin der wörtlichen Rede nicht:

‘Nah so he talk? He no sabi better thing.’

Ebensowenig wie das Yoruba (?):

Irú oré wo l’omo Yorùbá nṣe pèlú omo Íbò?’

Gelegentlich scheinen mir die Bilder nicht zu stimmen:

…this hermetically sealed compound, where electricity burned twenty-four hours like the sun.

The lacy B cup:

Gern beschreibt Onuzo männliche und weibliche Oberweiten:

  • The uncle… fat with adolescent breasts that showed through his worn singlet

  •  She had big breasts that ballooned out of her school uniform

  • The lacy B cup, still pitifully small after two children

Gelegentlich wird Onuzo verboten unwoke, wer druckt so etwas, sind die noch nicht gecancelt? Über eine Ministerin:

Who had she slept with to get her job?

Assoziation:

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