Romankritik: The Tortoise and the Hare, von Elizabeth Jenkins (1954) – 7/10

Elizabeth Jenkins textet im ersten Buchdrittel zu blümerant, verwendet gern überflüssig doppelte Negierungen.

Sie schildert im ersten Drittel, um alles zu erklären, ausgiebig Vergangenes, Gedanken und Bezüge, schreibt zu wenig direkte Handlung und Dialog in der erzählten Jetzt-Zeit. Berichtet sie eine Interaktion direkt, klingt das  psychologisch genau und mit stimmigem Dialog – aber dann kommen wieder verallgemeinernde Beschreibungen. Sagen die Engländer nicht „Show, don’t tell“? Später gibt es mehr direkte Handlung.

Die geldigen Stände Englands beschreibt die Autorin zu klischiert – Landsitz, Pferdewetten, Bentley, Sherry, Rolls-Royce, Port, Freakhüte, St Paul Cathedral, Shakespeare-Sonette, Tower Bridge, Wordsworth, Hausbedienstete –, ebenso wie die ergebene Unterwürfigkeit der Hausfrau Imogen:

There was never a doubt in her mind that to meet his demands was the most absorbing and the most valuable end to which her energies could be used. She tried hard to foresee what should be done and to carry out his requests

Die beiläufig verächtlichen Bemerkungen von Imogens Ehemann Evelyn (warum „Evelyn“?) und ihrem Sohn Gavin klingen zu hart bis satirisch. Der sozialistische Gemeindeplaner Leeper und seine bizarre Frau sind drastische Karikaturen und als Gegensatz zu den ländlichen Pseudoaristokraten allzu konstruiert.

Elizabeth Jenkins (1905 – 2010) outet Blanche Silcox zu deutlich als Lügnerin und mögliche Ehebrecherin; Gespräche über die Anziehung zwischen Mann und Frau klingen zu eindeutig mehrdeutig.

All dies störte mich in der ersten Hälfte – ich war kurz vorm Kontaktabbruch. Doch dann konzentrierte sich die Autorin auf die erzählte Jetztzeit, ich gewöhnte mich an die satirischen Übertreibungen und wollte wissen, was aus den Figuren wird. Der Roman entwickelt sich zum fein beobachteten und gut konstruierten Psychodrama.

Dir etwas zu florale Sprache treibt nun aparte Blüten, so etwa bei der puppigen Imogen, die ihre Ehe durch die rustikale Blanche gefährdet sieht:

Unhappiness and lack of self-confidence would reduce her ((Imogen’s)) charms to the condition of some fragile garland, meant to float in mid-air over a festive scene, blown down and lying rain-soaked on the pavement… Instinct told her to be afraid of seeming less desirable to one man because she had become so to another.

Nicht zu toxisch:

Und, ja, es ist passiert, ich habe einen Roman von einer Frau über toxische Männlichkeit gelesen, zu Ende gelesen, und er hat mir gefallen. Zum Glück hat mir das vorher keiner gesagt.

Auch hat mir keiner gesagt, warum der ultramaskuline Protagonist Evelyn heißen muss und das Schulleiter-Ehepaar mit Nachnamen Maude.

Meine englische Virago-Taschenbuchausgabe hat ein Vorwort von Hilary Mantel und ein Nachwort von Carmen Callil; letzteres würde ich nicht sofort nach der letzten Romanseite lesen, denn der Roman endet ebenso überraschend wie stimmig, das sollte man wirken lassen. Callil schreibt von einem Besuch bei der Autorin, die ihr die autobiografischen Hintergründe des Romans erläuterte.

Assoziation:

  • das plüschige englische Landambiente mit Abstechern nach London erinnert an Jane Austen (über die Elizabeth Jenkins eine ihrer Biografien schrieb); Hilary Mantel zieht diese Parallele auch im Vorwort, aus anderen Gründen;
  • und an Eine Handvoll Staub, von Evelyn Waugh, in ähnlich gediegenem Milieu
  • an Jay Gatsby, der seine Besucher mit „old sport“ anredet, was mich an den Jenkins-Protagonisten erinnert, der seine Frau oft mit „my dear girl“ anspricht
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