Romankritik: Junger Mann, von Wolf Haas (2018) – 8 Sterne

Wird das fette Riesenbaby, 13 J., 93 – 78 kg, von der obwohl verheirateten sehr schönen Elsa entjungfert? Wer den Klappentext liest, muss das erwarten, und stürzt sich lüstern in den Roman von Wolf Haas. Und Elsa ist ja auch zu oft allein und nicht gerade un-proaktiv in Richtung Riesenbaby. Das seinerseits liegt der Elsa platonisch zu Füßen.

Klimaxkrise:

Doch Brenner-Erfinder Haas kredenzt kalt lächelnd einen Interruptus nach dem andern. Vor allem eine Balkanfahrt mit dem ruppigen Elsagatten Tscho. Der will auch noch in einen Jugopuff – auweia.

Der Roman hat viel für sich: ein österreichisches Kleinbürgermilieu mit Tankstellen- und Fernfahrerjobs, peppige Dialoge mit unaufdringlichen Wortspielen auch in Englisch, kernige Einzeiler direkt vom Ich-Erzähler, gewitzte Konstruktion und, ja, die Spannung vorm womöglichen Höhepunkt.

Siedepunkt:

Diese Spannung kocht Wolf Haas allerdings etwas aufdringlich fast bis zum Siedepunkt. Die cleveren Bemerkungen des Riesenbaby-Ich-Erzählers klingen teils eher originell witzig als realistisch für sein Alter und seinen Typ, haben nie wirklich Tiefenschärfe und Relevanz, sondern nur liebenswerte Originalität, und die angepeilte Schöne ist zu aufdringlich interessiert an unbeobachteter Zweisamkeit.

Unpassend wirken auch die Knochenbrüche des Ich-Erzählers in jüngsten Jahren, die angeblich übermäßigen Schokonsum und Übergewicht herbeiführen. Wie konsequent der Ich-Erzähler dann zwecks schlanker Linie auf Essen verzichtet, erscheint unrealistisch. War in der ersten Buchhälfte der Ich-Erzähler die Hauptfigur, schwenkt der Scheinwerfer in Teil 2 auf Tscho und dessen überraschende Züge – nicht ganz stimmig, und teils mit Schmalzalarm. Auf Seite 78f erscheint das Hilfsverb “war” viermal in fünf Zeilen.

Freie Assoziation:

  • Ein mild isolierter Jugendlicher als Hauptfigur, der dann auf große Autofahrt geht, das lässt an Herrndorfs Tschick denken
  • Junge und alte Pubertiere düsen ex DE übern Autoput, das gab’s auch in den Romanen Europastraße 5 und Im Juli
  • Marken und Produkte, die ein Jugendlicher in den 1970ern gern auspackte, erscheinen auch (noch bewusster, aufdringlicher) in Arno Franks So, und jetzt kommst Du (und auch dort gibt’s Roadnovel-Elemente)
  • Notizen zum eigenen Gewicht am Kapitelanfang, das erinnert an Bridget Jones (dort systematischer als bei Haas)
  • Haas baut hier etwas aufdringlich gleich zu Romanbeginn eine gespannte Erwartung auf, die dann erst gegen Ende verpufft – wie in seinem eigenen Roman Das Wetter vor 15 Jahren

Bücher bei HansBlog.de:

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

 

Nach oben scrollen