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Kritik Kinderbuch: Gans im Gegenteil, von Wolf Haas, Teresa Präauer (2010) – 6 Sterne
Das Gedicht hat man in etwa 13 Minuten gelesen. Ein Teil der Zeit wird dabei zum Umblättern benötigt, denn manchmal erscheint nur eine Zeile pro Doppelseite. Wolf Haas liefert ein paar drollige Reime und kuriose Ideen (ein Fuchs mit Frisurproblem). Das Gedicht hat jedoch wegen uneinheitlichen Stils keinen Fluss, und gelegentlich regiert Reim-dich-oder-ich-fress-dich oder es wird originalitätssüchtig, zum Beispiel bei der „Gans im Gegenteil“: ein Gegenteil spielt keine Rolle für die Handlung. Die Bilder von Teresa Präauer haben etwas grob Expressives, Rot-Blau-Braunes, der Stil und die holzschnittartige Eindringlichkeit erinnern mich vag an Munchs Der Schrei. Ich weiß nicht, ob Kinder Spaß daran haben. Ich würde dieses Buch nicht Kindern geben,…
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Romankritik: Junger Mann, von Wolf Haas (2018) – 8 Sterne
Wird das fette Riesenbaby, 13 J., 93 – 78 kg, von der obwohl verheirateten sehr schönen Elsa entjungfert? Wer den Klappentext liest, muss das erwarten, und stürzt sich lüstern in den Roman von Wolf Haas. Und Elsa ist ja auch zu oft allein und nicht gerade un-proaktiv in Richtung Riesenbaby. Das seinerseits liegt der Elsa platonisch zu Füßen. Klimaxkrise: Doch Brenner-Erfinder Haas kredenzt kalt lächelnd einen Interruptus nach dem andern. Vor allem eine Balkanfahrt mit dem ruppigen Elsagatten Tscho. Der will auch noch in einen Jugopuff – auweia. Der Roman hat viel für sich: ein österreichisches Kleinbürgermilieu mit Tankstellen- und Fernfahrerjobs, peppige Dialoge mit unaufdringlichen Wortspielen auch in Englisch, kernige…
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Romankritik: Das Wetter vor 15 Jahren, von Wolf Haas (2006) – 8 Sterne
Zwei Kulturmenschen, der österreichische Romanautor „Wolf Haas“ und die deutsche Kritikerin „Literaturbeilage“, unterhalten sich in diesem Dialogroman gewitzt, aber realistisch umgangssprachlich über den Roman des Autors. Sie diskutieren den Romaninhalt, platzieren zwischendurch aber auch ein paar Seitenhiebe auf Christoph Ransmayr, den Zauberberg oder dies: Der Teufel der Plötzlichkeit. Das klingt wie ein Titel von Peter Handke. Dabei lernen wir die Sprecher kennen und den im Meta-Roman diskutierten Roman. So, wie sie den Inhalt auseinanderklamüsern, steigt die Spannung fast ins Fiebrige: Wann enthüllen sie das Ende? Und knistert da was zwischen den Diskutanten? Zur Halbzeit des Romans ist die erste große Frage geklärt – und Wolf Haas baut sogleich eine neue…
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Roman-Kritik: Verteidigung der Missionarsstellung, 2012, von Wolf Haas – 7 Sterne
Der Roman schildert einzelne Episoden aus dem Leben Benjamin Lee Baumgartners – wie er 23jährig seine Frau in London kennenlernt, wie er 43jährig einen Ausflug in Peking mit einer netten Übersetzerin macht, was später in Arizona passiert, ein paar Szenen aus Wien. Nebenbei fängt sich die Hauptfigur Rinderseuche, Vogelgrippe und Schweinegrippe ein. Witzig mit (zu?) vielen Special Effects: Mitunter wirkt die rudimentäre Geschichte wie eine bloße Notwendigkeit, denn wesentlich für den Roman sind überbordender Sprachwitz, pfiffige Dialoge und typographische Spielereien: Haas lässt Sätze wortwörtlich um die Ecke biegen, diagonal über die Seite laufen, ringelt sie wie ein Paisley-Muster, um das es gerade geht, flicht Chinesisch ein und freut sich an…