Isabella Nadolny schreibt mit milder Ironie und leicht impressionistisch: Die Jahre (etwa 1930 bis 1950) huschen so dahin, nie geht es richtig in die Tiefe, es gibt kaum Dialoge, nur Bonmots des stets gutgelaunten Bruders Leo. Auch keine tiefergehenden Portraits außerhalb ihrer Familie. Nadolny und ihre Familie leben schon lange in Deutschland; sie haben jedoch niederländische Pässe und teils russische Wurzeln; man sieht das oberbayerische Dorfleben – und Deutschland – und sich selbst – mit freundlich bis liebevoll distanziertem Spott. Der schreckt auch nicht ganz vor der eigenen Familie zurück, den engen Zusammenhalt schildert Nadolny sehr schön.
Isabella Nadolny (1917 – 2004) schreibt klangvolles Deutsch ohne falsche Noten (anders als in der Fortsetzung Seehamer Tagebuch); selbst das häufige Dativ-e störte mich nicht. Sehr liebenswert und treffend zwischendurch die oberbayerischen Zitate. Die Autorin nennt das in der ersten Person geschriebene Buch einen Roman, es wird aber allgemein als Autobiografie betrachtet.
Kurz vor Kriegsbeginn arbeitet Nadolny geb. Peltzer in Berliner Behörden und Firmen. Auch diese Seiten sind interessant. Hier lernt sie auch ihren zukünftigen Ehemann kennen, den sie wie alle anderen Figuren nicht genauer beschreibt. Später veröffentlicht er Belletristisches, aber wir erfahren seinen richtigen Namen Burkhard Nadolny nicht.
Die großbürgerliche, kultivierte Familie kaufte das “Häusl” am See zunächst als Sommerbleibe, muss dann aber harte Kriegswinter ganz dort verbringen. Das vormals fast sorglose Leben ist vorbei, selbst wenn Nadolny auch über die Kriegsjahre zunächst anhaltend freundlich ironisch plaudert – seitenlang über mühselige Brennholz- und Lebensmittelbeschaffung, und das mit einem Baby (Sten Nadolny, hier Dicki genannt) im Haus. Später wird es mild dramatisch, die Kargheit zehrt an den Nerven, man möchte das Buch nicht mehr weglegen. Dabei nennt Nadolny weder Jahreszahlen noch den Namen Hitler.
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Assoziationen:
- Nadolny, die auch Erich Segals Love Story und Han Suyins Alle Herrlichkeit auf Erden eindeutschte, Mutter von Sten Nadolny, schreibt ihre Geschichte in Seehamer Tagebuch sowie Providence und zurück fort. (Vermutlich fiktionalisiert auch Sten Nadolny in Weitlings Sommerfrische dieselbe Gegend und Zeit.)
- Die Berliner Kapitel erinnerten mich in Atmosphäre und Ton an Erich Kästner.
- In den oberbayerischen Kapiteln dachte ich momentweise an Oskar Maria Graf (der natürlich aus ganz anderer Perspektive schreibt).
- Das oberbayerische Kriegsende bei Nadolny erinnert deutlich an das oberbayerische Kriegsende in Peter Schneiders Lieben meiner Mutter.
…ein bezauberndes Buch… Dieses Buch erhebt keine literarischen Ansprüche. Es ist dahergeplaudert in einer sehr bewußt eingehaltenen Umgangssprache, hinter der jedoch der geübte Leser zuweilen ahnt, daß die Autorin – Frau des Schriftstellers Burkhard Nadolny – auch „anspruchsvoll“ schreiben kann. Die Geschichte ihres Hauses erzählt sie mit je ner Sensibilität, die scharfe und feine Beobachtungsgabe verrät und die mit den Formeln Bescheid weiß, welche Melancholie in Heiterkeit, Sentimentalität in Attitüde verwandeln… ((das Buch habe)) das gewisse Etwas zwischen den Zeilen, nämlich eine allem Pathos ferne, aber selbstverständliche Haltung, die man Anmut nennen könnte
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