Hans Jürgen Kuhl fälschte die besten Dollarscheine Europas (sagt er) und saß mehrfach ein. Christoph Gottwald schrieb Kuhls Geschichte auf und präsentiert Kuhl dabei als Ich-Erzähler mit Schnodderschnauze.
Nur ein Drittel der rund 330 Seiten behandeln jedoch das Geldfälschen, die Strafprozesse und die Gefängniszeit. Der Rest ist Kuhls bewegtes Leben: Vorstadtstrizzi in Köln mit Porsche; Erfolg mit Grafik und verkäuflicher Hippiemode; mild kriminell aus Versehen; übel abgezockt von den besten Freunden; Polizisten und Gefängniswärter immer in Ordnung.
Gottwald nennt Hans Jürgen Kuhl nur Jürgen Kuhl. Gottwald blendet mehrfach zwischen der aktuellen Gefängniszeit und 60 Jahre Vorleben hin und her. Im letzten Buchdrittel rutschen mehrere Rückblenden durcheinander. Hier gibt es auch einige Sprachfehler. Kuhl hatte Erfolg mit Mode und Grafiken – aber das Taschenbuch zeigt kein einziges Bild (Grafik sieht man auf seiner Webseite).
Männlich herb:
Immer und immer soll das Buch lässig männlich-herb tönen, zumal beim Palaver mit Co-Kriminellen, anstrengenden Komissaren, beim Plausch mit oder über ständig wechselnde Frauen. Blondieren geht über Studieren, haha. Doch dieser Ton trägt nicht, klingt nur verschwitzt hinformuliert, nicht wie Wolf Haas’ Brenner-Jargon, sondern wie ein Regionalkrimi nach Rezept B – in dem Genre arbeitet Autor Christoph Gottwald schon länger, und hier legt er einen besonders regionalen Krimi vor: Kölner schreibt über kriminellen Kölner bei Kölner Verlag.
Gottwald tut dies jede Zeile glatt lesbar, auch weil er vieles per Dialog vermittelt. Aber Gottwald fasziniert nie. Sein Kuhl ist eigentlich ein interessanter, unkonventioneller Typ. Schon die Nachkriegsjugend hat was. Doch bei Gottwald redet Kuhl unentwegt wie ein Halbstarker, mandelt sich Seite um Seite halbstark auf, monoton, nur immer dieses Imponiergehabe, man kommt ihm nicht näher.
Wenig Belege:
Außerdem hätte man gern eine distanzierte, kritische Biografie und keine geghostete Autobiografie. Dem Buch zufolge hat das BKA Kuhl mehr oder weniger zum Betrug getrieben – und es gibt keine Darstellung von außen, auch keine richterliche Begründung für Kuhls Gefängnisstrafe.
Der Wahrheitsgehalt und Kuhls Mitwirkung am Buch bleiben unklar – Autor Gottwald bedankt sich am Ende nur beim Interneterfinder, der die Recherchezeit verkürzt habe, nicht aber bei Kuhl. Der zeigt das Buch zwar auf seiner Internetseite, geht aber nicht darauf ein.
Größere Einblicke fehlen also, größere Gags auch. Sogar manche Verbrechergeschichten von Schirachs sind besser. Wäre dies ein Roman, hätte ich ihn nach zehn Seiten und drei weiteren Stichproben weggelegt.
Freie Assoziation:
- Die teils kölsche Karriere des Kunstfälschers Wolfgang Beltracchi
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- Jürgen Kuhl in der Wikipedia, auf seiner Webseite
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