Rezension Kurzgeschichten: Verbrechen, von Ferdinand von Schirach (2009) – 7 Sterne

Von Schirach erzählt knapp, nüchtern, mild lakonisch, das Gegenteil von geschwätzig. Das liest sich leicht konsumierbar und klingt wohltuend anders als deutsche Prosa sonst. Eine Geschichte dauert nicht länger als 20 Minuten, dann folgt der nächste Mord.

Nebenbei liefert von Schirach interessante Blicke hinter die Kulissen von Verbrechen und Verbrechensbekämpfung, die man sonst nur von einem investigativen Reporter bekommt, so etwa die Atmosphäre und die Überlegungen bei einem stets nicht-öffentlichen Haftprüfungstermin. Ganz gelegentlich fließen zwei Sätze Rechtskunde ein, von mir aus könnten es auch drei sein.

Ein paar Dinge allerdings stören mich:

  • Oft erzählt von Schirach nicht chronologisch. Er führt die Handlung bis zu einem spannenden Punkt; dann bricht er ab und setzt an einer anderen Stelle neu an. Cliffhanger erzeugen so künstliche Spannung. Für eine einzelne Zeitungsreportage passt das noch (Schirach schreibt auch für große Publikationen); doch liest man die Geschichten am Stück, ermüdet das Stilmittel bald.
  • Von Schirach weidet sich offenkundig an grausamen Morden und entstellten Körpern, sonst würde er sie nicht so detailliert (und betont nüchtern) beschreiben. Ein Zugeständnis ans Bild- und Krimipublikum?
  • Es gibt keine intelligenten oder unterhaltsamen Verbrechen hier, zum Beispiel einen klug geplanten Geldraub, den ein kluger Komissar aufdeckt, oder einen lebensfrohen Hochstapler und Betrüger. Täter und Opfer sind meist Prolls, psychisch Gestörte, kleine gegelte Mafiosi: kaum interessante Typen (der smarte Geschäftsmann vom Titelbild taucht in keiner Geschichte als Täter auf).
  • Von Schirach betreibt offenkundig Eigenwerbung: sein Eintreten für die Mandanten wirkt stets klug, wagemutig und äußerst engagiert; seine Vermutungen erweisen sich als zutreffend.
  • Der Wahrheitsgehalt ist unklar. Alles klingt so authentisch, doch verkauft wird Fiktion, nicht Bericht. Der Autor liefert wie gesagt sehr interessante Einblicke in ein wenig öffentliches Metier, doch manchmal erzählt von Schirach die letzten Gedanken eines Mordopfers vor dessen Tod. Das weiß er nicht aus der Zeugenvernehmung, es ist kalkuliert sadistische Fiktion und stört den Eindruck nüchternen Realismus’.

Darum denke ich abschließend:

Manchmal fragt man sich: Wie stark hat von Schirach die Geschichten anonymisiert? Zahlt er seinen Mandanten, Tätern, Opfern Prozente? Finde ich die richtigen Fälle via Google?

Ich habe das gern gelesen, muss aber nicht die weiteren von Schirach-Bände bestellen – der Stil ist monoton, das Personal randständig.

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