Vorstellung Wirtschaftsbuch: “Und dann werde ich das größte Zeitungshaus Europas bauen”. Der Unternehmer Axel Springer, von Tim von Arnim (2012) – mit Presseschau

Von Arnims Springer-Buch ist keine Biografie, sondern konzentriert sich ganz auf die unternehmerische Leistung Axel Springers – sein Firmengeflecht, seine Blätter, sein Top-Personal, den Aufbau gleich ab Kriegsende 1945. Dies ist von Arnims wirtschaftshistorische Doktorarbeit, prall mit Fakten, doch arm an Leben, eine sehr fade Lektüre; ganz anders als Hans-Peter Schwarz’ schwungvolle, empfehlenswerte Springer-BiografieHans-Peter Schwarz’ schwungvolle, empfehlenswerte Springer-Biografie von 2008, auf die von Arnim gelegentlich verweist.

Eine Kostprobe aus von Arnims Einleitung (S. 12):

Auf die gleichzeitig geforderte Anwendung ökonomischer Methoden wird hier allerdings in Ermangelung ganzheitlicher operationalisierbarer Modelle verzichtet. Die Gründe liegen vor allem in der Komplexität des Untersuchungsgegenstandes, der sich einer monodisziplinären Betrachtung sowie reduktionistischer Modellbildung weitgehend entzieht. Stattdessen erfolgt ein systematischer Rückgriff auf betriebswirtschaftliche Begriffswelten und Analyseinstrumente.

Diese Begriffswelten hätte der Verlag systematisch eliminieren oder eindeutschen sollen. Von Arnims Buch Geschichte liest sich deutlich spröder als eine andere als Buch erschienene historische Dissertation, Jürgen Peter Schmieds Sebastian-Haffner-Biografie. Auch wenn von Arnim nicht durchgehend so gestelzt schreibt wie im zitierten Absatz oben: Ich konnte sein Buch nicht vollständig lesen (und kannte ja schon die sehr flüssige Springer-Biografie von Schwarz).

139 von 399 Seiten füllt von Arnim mit Anhang – Anmerkungen, Bibliografie, Verzeichnissen und einem Namensregister, in dem “Wallraff” nicht erscheint. Die 1694 Fußnoten-Anmerkungen erscheinen auf 98 Seiten am Buchende. Sie enthalten teils Quellenverweise, öfter aber interessante weiterführende Kommentare. Wer sich für’s Thema interessiert, muss also laufend hinten nachschlagen – und weiß nie sicher, ob eine Fußnote lediglich zu einer Quellenangabe oder zu einer halben Seite Hintergrundnarrativ führt. (Diese Hintergrund-Informationen gehören gekürzt in den Lauftext; die Fußnoten sollten dagegen nur Bibliographisches nennen, so dass man sie in der Regel nicht nachschlagen muss.)

Anders als Schwarz zeigt von Arnim eine fünfseitige Zeittafel und die Erstausgaben von Bildzeitung, Hörzu und Welt. 22 Organigramme sowie Torten- und Balkengrafiken scheinbar direkt aus Excel geben dem Buch die Anmutung eines Geschäftsberichts – oder eher einer Schülerarbeit, weil sie in schlichter Gestaltung und zu dunklem Schwarzweiß erscheinen; dazu kommen elf Tabellen und 21 wohlbekannte Fotos zumeist aus dem Springer-Archiv.

Ein Blick ins Inhaltsverzeichnis legt die Vermutung nah, dass von Arnim nicht streng chronologisch, sondern teils nach Verlagsobjekten gliedert. So gibt es eigene Kapitel über Bild, Welt und Hör zu. Doch diese Kapitel bringen jeweils nicht die ganze Geschichtes des Blatts, sondern tatsächlich nur die Anfänge in den 40er oder 50er Jahren.

Hans-Peter Schwarz Tim von Arnim
Axel Springer. Die Biographie “Und dann werde ich das größte Zeitungshaus Europas bauen”. Der Unternehmer Axel Springer
erschienen 2008 2012
Jahrgg. Biograf *1934 *1975
meine Ausgabe List-Taschenbuch Campus-Hardcover
Seiten insgesamt ca. 733 399 o. IHV
Seiten Haupttext ca. 653 259
Seiten Apparat ca. 68 139
Abbildungen 32 nicht pag. Seiten SW-Bilder auf Kunstdruckpapier; dazu einige kleine SW-Abbildungen auf Textdruckpapier; keine Grafiken, Zeitungstitel o. Tabellen 21 SW-Abb. auf Textdruckpapier inkl. Zeitungstiteln; 22 Grafiken, 11 Tabellen
Gewicht Gramm 656 788

Die Kritiker:

FAZ (bei Bücher.de):

Sachlich und langweilig… Um den Unternehmer geht es und um sonst niemanden, also um eine Seite dieser schillernden Figur, die von Arnim jedoch mit einer Detailfülle und Akribie zu beschreiben weiß wie niemand vor ihm. Man merkt, dass er unbeschränkten Zugang zum Unternehmensarchiv hatte, aber man merkt leider auch, dass sein Buch zunächst eine Dissertationsschrift war, der wissenschaftliche Apparat ist beeindruckend.

Handelsblatt:

Das Ergebnis der wissenschaftlichen Arbeit ist spannend. Detailliert seziert von Arnim beispielsweise die Geburt der „Bild“ am 24. Juni 1952… Dankenswerterweise ist in dem Buch auch die Erstausgabe der „Bild“ abgedruckt… Die Dissertation ist eine echte Fleißarbeit. Doch genau darunter leidet die Lesbarkeit. Trotz spannender Kehrtwendungen wird das Unternehmerleben des janusgesichtigen Axel Springer eher langweilig erzählt. Ein Drittel des Buchs besteht zudem aus Fußnoten und Literaturhinweisen. Weniger Wissenschaftlichkeit hätte dem Werk gutgetan… Doch leider bleibt das Bild, das von Arnim vom Sohn eines vermögenden Altonaer Zeitungsverlegers zeichnet, am Ende bruchstückhaft ((weil von Arnim den politischen Springer ausblende)). Wer Axel Springer komplett begreifen will, kommt deshalb auch künftig um die Biografie des Historikers Hans-Peter Schwarz nicht herum… Wichtige Abschnitte beleuchtet von Arnim dagegen kaum: Für die Herkunft und den unternehmerischen Auftakt während der Nazi-Diktatur verwendet er nur knappe sieben Seiten. Das ist ein Fehler.

Deutschlandfunk:

Indessen will Tim von Arnim gar kein Gesamtbild des schillernden Tatmenschen geben. Der Wirtschafts-, Geschichts- und Politikwissenschaftler, der Zugang zum Archiv der Axel Springer AG und zum Privatarchiv des Verlegers hatte, konzentriert sich auf die unternehmerische Seite der Springer-Biografie. Auf der Faktenebene ist das Ergebnis bestechend. Von Arnim beleuchtet jeden Plan, jedes Projekt, jeden Erfolg und Misserfolg… Das Buch wirkt unerhört informativ und unantastbar in jedem Detail, aber gleichzeitig grau vor Seriosität, Sachlichkeit und Ausgewogenheit. Tim von Armin gelingt es nicht, die Erregung zu übertragen, die Springers Medienmacht in den späten 60er-Jahren auslöste, als linke Demonstranten “Enteignet Springer!” riefen… Man giert nach plastischer Darstellung der aufregenden Zeitgeschichte und bekommt: Fakten, Fakten, Fakten. Allzu deutlich merkt man, dass das Buch die gekürzte Fassung von Tim von Armins Dissertationsschrift ist.

hsozkult.de:

Die Ausbildungszeit und die ersten beruflichen Schritte vor 1945 sowie das Privatleben des Verlegers und die zahlreichen Legenden, die sich insbesondere um die verlegerischen Anfangsjahre nach 1945 ranken, streift von Arnim allenfalls am Rande. Da diese Aspekte bereits in anderen Biografien in extenso geschildert werden, ist diese Selbstbeschränkung eine sinnvolle Entscheidung… Problematischer ist von Arnims Entscheidung, zugunsten einer tendenziell verlagsinternen Darstellung auch die historischen Umstände lediglich kursorisch zu behandeln. Zwar hat Hans Peter Schwarz diese bereits ausführlich thematisiert. Springer ist aber nun einmal als Unternehmer ebenso wie als Figur der Zeitgeschichte mit den Bedingungen seiner Zeit eng verflochten. Und ohne diese werden sowohl sein wirtschaftlicher Erfolg als auch das Phänomen, wie er vom angesehenen Unternehmer zum „Buhmann der Nation“ (Springer) werden konnte, nicht erklärbar… Durch den weitgehenden Verzicht auf die Schilderung der historischen Umstände erhält Springers durchaus vorhandenes Gespür für aktuelle Lesebedürfnisse aber ein zu starkes Gewicht. In ähnlicher Weise bleibt auch die zugespitzte Konfrontation zwischen linksorientierten Studenten und Axel Springer ohne die Rückbindung an den politischen und gesellschaftlichen Wandel seit den frühen 1960er-Jahren zu sehr im luftleeren Raum. Da der wirtschaftliche Erfolg der Verlagsblätter eng mit diesen verlagsexternen Entwicklungen verbunden war, wären die Zusammenhänge gerade auch in einer Unternehmerbiografie von Interesse. Demgegenüber versteht sich von Arnims Biografie jedoch eher als wirtschaftshistorisch im engeren Sinne und schildert für die erwähnten Zeitabschnitte anschaulich die Probleme bei den Druck- und Papierkapazitäten nach 1945 oder die Expansion des Verlages in den 1960er-Jahren… Man hätte dem Buch allerdings eine bessere Lektorierung gewünscht, denn zum Teil stimmen die Informationen im Text nicht mit denen überein, die aus den Grafiken hervorgehen (S. 159f.). Auch etliche Doppelungen hätten so vermieden werden können.

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