Lese-Eindruck Sachbuch. Elisabeth Binder: Im Prinzip Liebe. Goethe, Marianne von Willemer und der West-östliche Divan (2019)

Die Journalistin und Belletristin Elisabeth Binder schreibt sehr eigenwillig. Kenntnisreich zitiert sie andere Künstler, Werke und Zeiten. So referenziert sie Johann Sebastian Bach, Heinrich Heine, Napoleon, Hamlet, Thomas Manns Lotte in Weimar, Goethes Urpflanze/Römische Elegien/Sizilien-Erlebnisse/Farblehre/Wahlverwandtschaften/Liebesgedichte des 22jährigen – Nichtprofessoren schwirrt der Kopf.

Etwas spöttisch tönt Binder auf Seite 102:

Dass ohne die Erläuterungen eines Kommentars dem Leser manches merkwürdig oder rätselhaft bleibt ((…)), tut im Grunde nichts zur Sache. Und wissen muss man auch nicht, welche ((…))

Aber warum kaufen wir Binders Buch denn?

Im Flow:

Von der Beziehung Goethe-Marianne berichtet Elisabeth Binder (*1951) nur in etwa einem Viertel des Buchs. Wichtiger sind ihr einzelne Gedichte aus dem West-Östlichen Divan, die sie ausführlich zitiert und analysiert.

Zum eigenwilligen Stil Binders gehören Formulierungen wie (S. 143 über Goethe):

((…)) und wieder gerät er, einmal unterwegs, in einen Flow.

Wiederholt bringt sie verb- und/oder subjekt- und auch sonst fast wortlose Ganzsätze wie:

((S. 98:)) Offenbar.

((ebf. S. 98:)) Von Liebe nicht die geringste Spur.

((S. 166:)) Um die man stets so viel Aufhebens machte.

((S. 191:)) Falls es nicht im Innersten denn doch die Liebe war. Und dieses spezifische Eins-und-doppelt-Sein.

((S. 211:)) Und zum Gedicht.

((S. 216:)) Im Gegenteil.

Vergleich der Goethe-Marianne-Bücher von Dagmar von Gersdorff (2003) und Elisabeth Binder (2019):

Dagmar von Gersdorff schreibt eher die Biografie einer historischen Beziehung. Elisabeth Binder betreibt eher Literaturwissenschaft und Lyrikexegese und geht weniger auf Marianne von Willemer ein, zitiert dafür mehr aus dem West-Östlichen Divan.

Binder schreibt lyrischer oder eigenwilliger als von Gersdorff und zieht mehr verblüffende Parallelen zu ganz anderen Werken, Künstlern oder Zeiten. Keins der Bücher ist sehr übersichtlich und einsteigerfreundlich; etwas mehr allgemeine Orientierung liefert von Gersdorff.

Beide Bücher haben einige Farbbilder, von Gersdorff zusätzlich SW-Abbildungen. Von Gersdorff bringt genaue Quellenbelege nur manchmal, Binder gar nicht. Jeweils keine Zeittafel, kein Stammbaum. Mir als Literaturendverbraucher gefiel keins der Bücher sonderlich, keine Autorin erzählt das packende Material wie einen (Sachbuch-)Roman.

Assoziation:

    *ich hatte das Reclam-Hardcover 2019

    Bücher bei HansBlog.de:

    Kommentar verfassen

    Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

     

    Nach oben scrollen