Buchkritik: Die Leute von Port Madeleine, von Klaus Harpprecht (1989) – 6 Sterne

Das plätschert so ganz nett dahin: 15 einheitlich kurze Geschichtchen aus dem fiktiven Örtchen Port Madeleine an der Côte d’Azur, sicherlich dem südfranzösischen Wohnort des deutschen Autors nachempfunden, aber leider als Fiktion ausgegeben. Wir lernen die ganze Dorfgesellschaft kennen: den Wirt, seine Wirtin, die Postlerin, den Pfaffen, den Bürgermeister, seinen Stellvertreter und ihre Schreibkraft. Nach vier, fünf Geschichten kennt man schon das Personal der folgenden Berichte – trotzdem könnte ein Personenverzeichnis die Übersicht verbessern. Und hat man sich erst an das Figurenkabinett gewöhnt, ist die schmale Fibel auch schon ausgelesen.

Klaus Harpprecht schreibt mild ironisch, mit gehaltvollem Deutsch, aber nie analytisch – fast eher impressionistisch. Viel zu oft betont er weibliche Ober- und Hinterweiten. Eine durchgehende Handlung hat keine der Geschichten: Harpprecht reminisziert hierhin und dorthin, zitiert Diskussionen und Vergangenes. Mit am interessantesten und relativ relevant klingt eine Geschichte, die in die letzten Kriegsjahre zurückblendet. Auch das Gesamtbuch überspannt kein Handlungsbogen: so gilt der stellvertretende Bürgermeister fast in jeder Geschichte als Kandidat für Höheres – doch bis zum Ende geht nichts mit ihm voran.

Von einem Auswandern-Buch kann man nicht reden, denn der Deutsche Harpprecht und seine Ehefrau spielen in den Erzählungen keine Rolle, erst recht geht es nicht um das Einleben im Ort oder den Hausbau. Harpprecht konzentriert sich ganz auf die Franzosen und ein paar italienische Zuwanderer. Touristen und Nordafrikaner erscheinen nur als Komparsen. Ein paar französische Vokabeln und Feiertage sollte man kennen.

Ich persönlich hätte es gern schärfer, analytischer, detailreicher, mehr Gravitas; nicht gar so aufdringlich mediterran lässig hingehaucht.

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