Autobiografie: Memoirs of a Mendicant Professor, von D. J. Enright (1969) – 5 Sterne

Die Erinnerungen umfassen den Zeitraum von 1954 bis 1969. In dieser Phase  dichtete und unterrichtete D.J. Enright in Hiroshima, Berlin, Bangkok und Singapur und verbrachte zwischendurch immer einige Monate in London. Aus Japan und Thailand hören wir heitere Anekdoten über fremde Kulturen und Sichtweisen, Berlin und Berliner wirken kalt und unsympathisch.

Immer wieder Probleme mit den Behörden:

Enright (1920 – 2002) war ein Liberaler, ein Freigeist, der sich manchmal eine Prise Opium genehmigte, und so rappelte er mehrfach mit den Autoritäten zusammen. In Thailand bezog Enright gar Prügel von der Polizei und verbrachte ein paar Stunden im Gefängnis; in Singapur reagierten die Oberen allergisch auf Enrights Kritik an einer staatlich gelenkten Nationalkultur. Dieser Teil ist vielleicht am interessantesten, vor allem der wörtlich zitierte Briefwechsel Enright/Regierung mit sehr bemerkenswerter Wortwahl.

Allerdings: Memoirs of a Mendicant Professor erschien 1969, und da lebte Enright noch in Singapur. Anders als bei Japan, Deutschland und Thailand kann er sich von Singapur nicht recht distanzieren: Dem Stadtstaat widmet Enright fast die Hälfte seines Buchs, und nachdem er die bereits erwähnte Enright-Affäre abgespult hat, zerfasert der Text – Enright liefert zusammenhaltlose Splitter über Staatskunde, Studenten im Vergleich zu Japan und Thailand, Bildungspolitik, Ausflüge nach Australien, Hongkong, China, Ägypten. Ein spätes Kapitel heißt gar Loose Ends, weil es dies und das ohne rechten Zusammenhang zusammenbringt.

Das Buch verliert an Zusammenhalt:

Bis zur Enright-Affäre erzählt Enright im milden Plauderton mit heiteren Anekdoten, etwas wortreich, leicht selbstironisch, dabei gut lesbar ohne zuviel Bildungshuberei. Die letzten allgemeinen, zerfransenden Singapur-Kapitel fand ich jedoch schwer verdaulich. Generell kommt Enright den Menschen nie nah, die Begegnungen gehen über Anekdoten und Vergleiche studentischen Verhaltens nicht hinaus. Wir treffen vor allem Wissenschaftler, Diplomaten, Beamte; Frau und Tochter waren immer dabei, spielen aber im Text kaum eine Rolle.

Offenbar war es Enright, der Mitte der 60er-Jahre Paul Theroux zu einer Dozentur in Singapur verhalf, und sie arbeiteten ein paar Jahre in der englischen Fakultät zusammen. Theroux schreibt über Enrights Memoirs:

“The book baffled me; it was so discreet, so impersonal, such a tiptoeing account of a life I knew to be much richer”.

Erinnerungen an andere Bücher:

Theroux schrieb dann zwei lesenswerte Bücher über die Region, Saint Jack und The Consul’s File. Enrights Memoirs erinnerten mich auch Anthony Burgess, der in den 50ern in Malaysia und Brunei unterrichtete und in seiner Trilogy The Long Day Wanes sowie in der Autobiographie Little Wilson and Big God amüsant darüber berichete.

Es gibt ein paar völlig identische Motive, so die Überseereisen auf dem P&O-Schiff oder die Diskussionen mit den Gremien in London, die Lehrer auf Auslandsposten besetzen; Burgess wie Enright beziehen sich auch immer wieder auf deutsche Sprache und Autoren.


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