Anne Tyler schreibt hochatmosphärisch, mit packenden Details und kleinen, intimen Konflikten. Sie schildert kleine Leute aus den Vororten. Sie schreibt meist hochgradig realistisch und nüchtern, ohne bizarre Zufälle, nur bei der Suche nach dem verschwundenen Kind wunderte mich zeitweise etwas.
Sie verzichtet auf dräuende Andeutungen oder Symbole und vorahnungsvolle Träume. Sie verallgemeinert nicht und fasst nicht zusammen, sondern liefert plastisches Szenen. Der englische Buchtitel erscheint paraphrasiert, aber nicht wortwörtlich auf den letzten Seiten der englischen Ausgabe – perfekt. Der Roman rundet sich gefällig, aber nicht aufdringlich gefällig.
Die Hauptfiguren reden allerdings gelegentlich zu clever geschriftstellert – unterhaltsam, aber nicht so realistisch wie das biedere Mittelschicht-Milieu im Roman erwarten lässt.
Von Kapitel zu Kapitel überspringt Anne Tyler mehrere Jahre und Kindsgeburten, ich vermisste Jahreszahlen als lebende Kolumnentitel wie in einer Churchill-Biografie. Gelegentlich blendet sie zurück in frühere Kapitel, die eigentlich auserzählt schienen, und liefert interessante Details nach.
Hier passiert nicht viel. Die Dramen köcheln unterm Deckel. Spannend bleibt es aber wegen Fragen wie: Kriegt sie ihn? Kriegt er sie? Verlässt sie ihn? (Diese Fragen gelten mehrfach im Lauf eines Lebens.) Explodiert der Konflikt mit der Schwiegermutter? Was wird aus dem abtrünnigen Kind?
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Kleinere Beschwerden:
- Ungefähr zur Buchmitte gibt es etwa ein Kapitel lang einen gefährlichen Flirt, von dem später nichts mehr zu hören ist.
- Fast am Buchende gibt es ein Date, bei dem die Akteure zu deutlich konstruiert aneinander vorbei reden
- Auf der Suche nach dem verschwundenen Kind scheinen die Akteure nicht energisch genug
- Die Erzählerin verwendet mal die Perspektive von Pauline, mal von Michael. Speziell aus Paulines Sicht erzählt sie in sehr lebendigem Ton und man möchte mehr über die Erzählerin wissen, aber sie hat keine eigene Rolle in der Handlung
- Vielleicht beschreibt sie die wechselnden Produkte, Moden und Geisteshaltungen beim Gang durch die Jahrzehnte etwas zu aufdringlich
Assoziation:
- auf den englischen Buchtitel Amateur Marriage spielt Tyler mehrfach an in ihrem Roman Im Krieg und in der Liebe, der ebenfalls eine Familie über mehrere Generationen verfolgt
- In den 40ern die US-Ostküste im zweiten Weltkrieg, wie bei Easter Parade von Richard Yates (dort New York)
- In den 50ern die US-Vorort-Puppigkeit von John Cheever
- In den 60ern Rabbit von John Updike
- In den 1990ern ganz entfernt Frank Bascombe von Richard Ford
- geerdeter als Die Reisen des Mister Leary von Ann Tyler mit seinen wenigen, aber sehr exzentrischen Figuren
- die nüchterne Anna in diesem Buch, zweite Partnerin der Hauptfigur, erinnert deutlich an die nüchterne Cass, Partnerin der Hauptfigur im Tyler-Roman Redhead by the Side of the Road (keine dt. Version), und beide sind Lehrerinnen
- empfohlen von zwei anderen HansBlog-Helden, John Updike und Nick Hornby
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