Ich habe beim Lesen öfter laut gegackert, gewiehert und gequakt, wann gibt’s das schon. Der Autor entwirft ein originelles Szenario und bringt einen komischen Satz nach dem anderen.
- Nick Hornby bei Amazon
Gepfefferte Einzeiler:
Freilich zelebriert Roman- und Drehbuchroutinier Nick Hornby (*1957) seine Kunst fast zu lässig-souverän: Wie sich das Ehepaar im Zentrum des Buchs wieder und wieder in Kleinkram verdiskutiert und daraus amüsante Minidramen generiert; wie Randbemerkungen überinterpretiert werden; die kleinen, wunderlichen Aktionen (zum Beispiel ein gefälschter Gipsverband); die originellen Vergleiche zwischen Brexit und Scheidung.
Hornby platziert da einen gepfefferten Einzeiler nach dem anderen. Ist das wirklich tiefschürfend? Oder nur intelligent lustig? Klug oder Spaßgymnastik? Warmherzig ist es auf jeden Fall – trotz verständlichen Grolls hängen Mann und Frau aneinander, das hört man man zwischen den Zeilen, und sie wollen sich nicht wirklich trennen. Das verrät ja auch der deutsche Buchtitel.
Wir erleben das Ehepaar über zehn Wochen nur bei Kneipengeplauder vor den Therapiestunden, am immergleichen Ort, mit immergleichem Ablauf. Was passiert war und was in der erzählten Jetztzeit außerhalb der Kneipe abläuft, erahnen wir nur aus den Dialogen. Zwar tut sich in den zehn Wochen beim Ehepaar einiges – der Mann zieht aus, es gibt eine Teilversöhnung – , doch das erraten wir nur aus reminiszierenden Wortbeiträgen der Akteure, und so hat das Büchlein scheinbar wenig Entwicklung und tritt irgendwie auf der Stelle.
Zumindest im englischsprachigen Fernsehen wird’s eine zweite Staffel geben, diesmal mit einem US-amerikanischen Paar um 60, gespielt von Brendan Gleeson und Patricia Clarkson, Regie wieder Stephen Frears, wieder mit zehn zehnminütigen Episoden (Stand Januar 2021). Ob ein Buch und eine deutsche Fassung herauskommen, wie für die erste Staffel, weiß ich nicht.
Besser als Hörspiel:
Geschrieben hatte Hornby das sehr kurze Stück zunächst als Drehbuch für eine britische TV-Serie (Zumfilmwiki; ARD-Seite); nachträglich lötete er ein paar Nebensätze an (“sagte Louise”) und hatte eine Art Roman. Doch alle zehn Szenen spielen am selben Ort mit wenig Personal – so scheint weniger Film als vielmehr Theater das richtige Genre zu sein, oder sogar Hörspiel (Hornbys gedrucktes Filmdrehbuch An Education hat weit mehr Szenenwechsel).
Als Hörspiel hätte die Geschichte einen weiteren Vorteil: Die Stimmen von Mann und Frau ließen sich dann eindeutig auseinanderhalten. Das geht im gedruckten Buch nicht: Zwar bevorzugen die zwei Hauptfiguren unterschiedliche Themen, doch stilistisch gleichen sie sich. Und weil Hornby zu selten ein “sagte Louise” einflicht, ordnet man die Einzeiler nicht immer auf Anhieb dem richtigen Sprecher zu.
Andererseits: bei so manch witzigem Quasselfilm komme ich nicht recht mit, finde den Text wichtiger als die Schauspieler und denke, das sollte man lieber gedruckt lesen als im Film gucken – das gilt für frühe Woody Allens, für Sex and the City und wohl auch für diese Geschichte eines Ehepaars. So gesehen ist das Buch doch die richtige Form.
Der Film:
Ende Januar 2020 zeigte die ARD die zehn zehnminütigen Szenen aus UK als durchgehenden Spielfilm (R Hornby-Kumpel Stephen Frears, D Rosamund Pike, Chris O’Dowd, in der ARD-Mediathek kpl. nur bis 1.3.2021). Übersetzung und Synchronisation waren dezidiert schlecht, und zumindest auf meinem Receiver gab’s Ton und Untertitel nur auf Deutsch – wie gern hätte ich es auf Englisch mit engl. UT gehabt, aber die engl. Fassung in der BBC-Mediathek lässt sich in Deutschland nicht ohne weiteres abspielen. Rosamund Pike spielt, als ob sie sich über ihren Text leicht amüsiert. Lieber lesen.
Freie Assoziation:
- Auch in Nick Hornbys How to Be Good kriselt die Ehe zwischen einer Ärztin und einem unterbeschäftigten Schreiberling, eine weitere Krise schwelt in Jeder liest Drecksack/Everyones Reading Bastard
- Um Brexit und Beziehungsprobleme geht es auch – etwas ernster – in Hornbys Roman Just Like You (2020)
- Regelmäßige Eheberatung ist kurz auch ein Thema in Hornbys Miss Blackpool/Funny Girl
- Noch ein gelungenes gedrucktes Drehbuch liefert Hornby mit An Education
- Die Engländer können einfach witzig und dialogreich schreiben, nicht nur Nick Hornby, sondern auch Michael Frayn, David Nicholls oder Matt Beaumont (in ihren jeweils besseren Büchern)
- Man denkt auch öfter an Romkoms aus England mit Hugh Grant
- Die ebenso smarten oder smarteren Dialoge bei Lorrie Moore
- Fremdgegangen, “nicht einmal, nicht zwei- oder dreimal, sondern viermal”, und ohne gewaltige Konsequenzen – just wie in Julia Decks Privateigentum
- Einen laschen Akteur der Musikbranche, den die Digitalisierung arbeitslos gemacht hat, gibt es auch im Roman Sweet Sorrow von David Nicholls
- Dialogroman und Filmvorlage Szenen einer Ehe von Ingmar Bergman
Bücher bei HansBlog.de:
- Westliche Länder: Gute Belletristik oder gute Sachbücher oder westliche Bücher insgesamt
- Romane aller Länder: Die guten (7+ Sterne), die annehmbaren (4 – 6 Sterne), oder alle
- Bücher mit Humor: Alle oder nur die guten
- Sachbücher: Alle (oder nur die guten) oder alle aus Europa
- England-Romane: Die guten, die annehmbaren, oder alle
- USA-Romane: Die guten, die annehmbaren, oder alle
- Deutschland-Romane: Die guten, die annehmbaren, oder alle
- Indien-Romane: Die guten oder die annehmbaren oder alle
- Alle Kurzgeschichten-Bände (oder nur die guten)