Romankritik: Crazy Rich Asians, von Steven Kwan (2013) – 6/10 – mit Video

Thailand

Crazy Rich Asians (2013, dt. u. engl. Buchtitel) ist der erste Teil einer Trilogie, die Kevin Kwan 2016 mit Crazy Rich Girlfriend (engl. China Rich Girlfriend) und 2018 mit Crazy Rich Problems (engl. Rich People Problems) fortsetzte. Die Verfilmung von Crazy Rich Asians erschien 2018 (dt. Titel Crazy Rich). Die Teile 2 und 3 wurden offenbar 2019 en bloc verfilmt, teils in Shanghai, und sollen wohl 2020 herauskommen.

Was mir gefiel:

Der Roman Crazy Rich Asians hat viele schnelle, witzige Dialoge – ich habe oft gelacht. Der Autor malt auch ein paar amüsante Situationen aus, u.a. Millionärsgattinnen bei der Bibelstunde im Schlafzimmer, die parallel mit Bibel, Essstäbchen und ihrem Börsenmakler am Handy hantieren (diese Szene entstand zunächst als unabhängige Kurzgeschichte, aus der später der Roman hervorging).

Zudem besteht lange Spannung darüber, wie die gutbürgerliche US-Chinesin Rachel Chu auf den Superreichtum der Familie ihres singapureanischen Partners reagiert – und wie vor allem die superreichen Leongs die nicht standesgemäße Rachel Chu erst investigieren und dann aufnehmen. Diese Spannung überdehnt Erfolgsautor Steven Kwan womöglich, ihre gestrenge potentielle Schwiegermutter trifft Rachel nach allerlei Ominösem erst auf Seite 243 von 403 (ich kenne nur die englische TB-Ausgabe von Corvus/Atlantic-Imprint).

Gegen Ende herrscht gewaltig Spannung in drei oder vier parallel laufenden Handlungssträngen, und der Autor wechselt natürlich bei jedem Cliffhanger genüsslich das Sub-Narrativ.

Einige massive Schwächen plagten mich jedoch etwa ab Seite 140 zunehmend:

  • Viel zu oft viel zu lang raunt Kwan kennerhaft von Inneneinrichtung, sündteuren Weinen, Parfüms, Juwelen, Boutiquen, Kleidungsstücken, Speisen, Dienerscharen, burgunderroten Benzen und Privatflugzeugtypen (“the exotic potted palms in massive Quianlong dragon jardinieres…, the scarlet-shaded opaline glass lamps… the lacquered teak surfaces, the silver- and lapis lazu-filigreed walls… a patina of timeless elegance”; S. 134f). Zwar klingt stets ein wenig hochgezogene Ironie mit, dennoch überfrachten die ständigen Luxusaufzählungen den Roman völlig.
  • Mehrfach agieren die Figuren sehr unrealistisch. Manche unerwarteten und unpassenden Szenen lassen fast vermuten, dass der Autor hier noch ein neues Milieu präsentieren wollte, das er sonst nicht im Roman untergebracht hätte (z.B. ein illegales Geschäft für kopierte Designerware im prolligen Shenzhen). – Mindestens zweimal braucht Kwan einen de(tectiv)us-ex-machina, um Unmögliches zu ermöglichen.
  • Außerdem belehrt Kwan etwas aufdringlich; zum Teil durch Dialogsätze, die Singapur im Reiseführerstil erklären. Dazu kommen immer wieder Fußnoten, die vor allem Ausdrücke in Hokkien, Kantonesisch, Mandarin und Malaysisch erklären, mitunter drei oder fünf Fußnoten pro Seite; so etwas gefällt mir eigentlich, aber es ist hier zuviel und unübersichtlich, weil Kwan drei oder fünf Sprachen und Kulturen zugleich vermitteln will. Zudem lässt er seinen Stolz über Singapur zu weit raushängen: Der beste Flughafen, das beste Essen, die teuersten Immobilien, so fortschrittlich, New York ein Hühnerstall dagegen, ja doch.
  • Der Kontrast zwischen Guten und Garstigen ist völlig überzeichnet.
  • Die Akteure haben keinerlei Tiefenschärfe. Kwan schreibt vergnüglich über Pappfiguren in einer Seifenoper.

Kwan textet zudem Sülzschmalz allerhöchsten Fettgehalts, z.B.S. 133:

Nick… could sense her trepidation and tried to reassure her, placing his hand on the small of her back… Rachel felt the warm, radiating energy from his muscled arm and instantly felt better. Her knight in shining armor was at her side, and everything would be just fine.

Assoziationen:

  • Der angeberisch raunende Sound über das famose Leben der Superreichen erinnert an Fegefeuer der Eitelkeiten/Bonfire of Vanities von Tom Wolfe.
  • Die gewaltigen Familienclans samt Stammbaum auf der ersten Doppelseite erinnern an Eine gute Partie/A Suitable Boy von Vikram Seth (das in Nordindien anfangs der 1950er Jahre spielt) (den Stammbaum bei Kwan verstehe ich nicht recht). In beiden Büchern geht’s zudem um Ehepartnerfindung und die Rolle der Familie dabei.
  • Wegen der schlichten Gut-Böse-Zeichnung dachte ich an Hera Lind, wegen des Brand-name-droppings und Mr Bigs Reichtum an Sex and the City.
  • Einige Beobachter sehen Parallelen zum Hongkong-Roman Aufregende Zeiten, aber das ist Unfug: Naosie Dolan schreibt weit geerdeter, weniger luxusgeil als Steven Kwan, und mit überwiegend weißen Akteuren
  • Das Buch erinnert in vielem an teure, hohle Bollywood-Filme: lauter super aussehende Superreiche in Supervillen, die natürlich nie arbeiten, sondern immer über Kleidung, Reisen, bella figura und vielleicht Herzschmerz sinnieren, und das ungeniert over the top. Vor 30 oder 40 Jahren hätte Bollywood den Stoff sicher ungefragt in Mumbai nachverfilmt.
  • Eine mild exzentrische asiatische Familie in London – wie zu Beginn von Crazy Rich Asians – agiert auch in Salman Rushdies Kurzgeschichte Der Courter aus dem Band East, West.
  • Der Roman So wirst du stinkreich im boomenden Asien/How to Get Filthy Rich in Rising Asia, 2013, von Mohsin Hamid hat mit der Crazy-Rich-Reihe nichts zu tun und spielt in Pakistan.
  • Die Privatflugzeuge erinnerten mich vage an ein Provence-Buch von Peter Mayle, in dem der Protagonist einmal per Privatflugzeug reist und ebenfalls einen Landstrich und eine Kultur so über den grünen Klee lobt, dass alle andere Gegenden sich unterlegen fühlen.

Vergleich mit der Verfilmung:

Was es nur selten gibt: Ich hatte zuerst das Buch gelesen, dennoch gefiel mir später die Verfilmung besser. Die Filmfiguren hatten zumeist etwas mehr Fleisch und Blut als die flachen Pappgestalten des Romans, die endlosen Luxusbeschreibungen entfallen im Film ebenso wie das aufdringliche Singapur-Lob (ein deftiger Seitenhieb auf New York blieb aber im Film).

Wie üblich bei Literaturverfilmungen wurden einige Handlungsstränge und Figuren gestrichen, einige Personen wirken leicht verändert, neue Gags kamen hinzu. Das Film-Ende hat eine etwas andere Note als das Buch-Ende, und die Astrid-Nebenhandlung erhielt einen Dreh. Einige derbe Vulgaritäten des Buchs mildert der Film deutlich ab. Anders als viele anderen Literaturverfilmungen bringt Crazy Rich Asians keine verkürzten, unverständlichen Stränge aus dem Buch, die nur Leser des Romans verstehen. Grundhandlung und Charakter des Buchs bleiben unverändert.

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