Tag Archive for Literaturverfilmung

Kritik Kurzgeschichten, Film: Nichts als Gespenster, von Judith Hermann (2003) – 4,71/10 Sterne – mit Video

Nicht nur stilistisch ähneln sich die Geschichten stark, sie bringen auch immer wiederkehrende Motive – als ob Hermann das Immergleiche mit immer neu benannten Figuren aufbereite. Das wirkt sehr repetetiv. Wiederkehrende Motive: Hermanns Akteure blicken glasig unbeteiligt auf die Realität, haben teils keinen Beruf, oft keine klare Beziehung. Eine Ich-Erzählerin moniert „seine abgefuckte Coolness“ –…

Romankritik, Filmkritik: Der Liebesbrief, von Cathleen Schine (1995, 1999, engl. The Love Letter) – 6 Sterne – mit Video

Der Roman (1995, 6 Sterne): Fazit: Cathleen Schine schreibt eine gedruckte romantische Komödie, fluffig, lustig, unrealistisch, etwas belanglos. Die Hauptfigur, Buchhändlerin Helen, ist Ü40, lässig, attraktiv, unliiert und produziert ebenso wie das andere Buchpersonal unentwegt coole Einzeiler – unplausibel, aber vergnüglich. Ein Beispiel (ich kenne nur das engl. Original): You read my mind even when…

Kritik Roman, Film. Zoë Heller: Tagebuch eines Skandals (2003, 2006, engl. Notes on a Scandal) – 7 Sterne – mit Video

42jährige verheiratete Lehrerin beginnt Affäre mit 15jährigem Schüler. Sie fliegen auf, die Presse frohlockt. Die 62jährige Freundin und Kollegin der 42jährigen erzählt die Geschichte im Rückblick – auf Seite 2 wissen wir alles Wichtige. Zoë Heller kreiert eine plausible Erzählstimme, plausible Dialoge, plausible Figuren mit viel Alltagsrealismus. Sie konstruiert sehr durchdacht einen Roman voll Spannung.…

Kritik Roman. W. Somerset Maugham: Theater, ein Schauspieler-Roman bzw. Julia, du bist zauberhaft (1937, engl. Theatre) – 7 Sterne – mit Videos

W. Somerset Maugham erzählt routiniert, gefällig und sehr ironisch von einem Ehepaar in der Theaterbranche in London um die 1930er Jahre herum, meist aus Sicht der Starschauspielerin Julia, 46. Im zweiten Drittel kommt eine betont undramatische Ehebruchiade in Gang. Erfolgs-Stückeschreiber Maugham kennt das Milieu bestens und delektiert sich an Karrieristen, Schleimern, Statusgockeln, Selbstdarstellern, Edelmännern und…

Filmkritik: Der Verdammte der Inseln (1951, Regie Carol Reed, mit Trevor Howard, engl. Outcast of the Islands) – 7 Sterne – mit Video

In diesem Film ist immer was los, herrscht immer Bewegung: exotischer Trubel, Mensch und Tier im Kolonialhafen und im Flussdorf, lachende nackte Kinder, die schöne Aissa im nassen Leinenkleid, dramatischer Streit, dramatische Bambusbauten, Tanz, ein rätselhaftes Büblein mit dito Haarschnitt im Kinderkanu, prächtige Zweimaster in aufgewühlter See, Krokodile, Elefanten (gab’s die in Makassar oder Ostborneo?).…

Filmkritik: La folie Almayer bzw. Almayer’s Folly (2011, Regie Chantal Akerman) – mit 2 Videos & weiteren Verfilmungen

Über lange, quälende Strecken zeigt Akermans Film narzisstische Männer beim wonnigen Ansichselbstleiden. Zur Abwechslung schifft eine Teenagerin in einen Durchgang, sie erhält dafür alle Zeit der Welt. Die meisten Szenen spielen im Halbdunkel, dauern sehr lang, haben kaum Worte oder Kamerabewegung und teils bizarr entrückte Anmutung. Der Film soll in Ostborneo mit malaiischer Sprache spielen;…

Kritik Memoiren: Jenseits von Afrika, von Isak Dinesen/Tania Blixen (1937); Schatten wandern übers Gras (1960) – 7 Sterne – mit Video

Das Buch ist nicht chronologisch, sondern eher thematisch angeordnet. Dabei geht es geht kaum um Mann+Frau, um Liebe – die bekannte Verfilmung von 1985 weckt völlig falsche Erwartungen. Im ersten Teil redet die Autorin nur allgemein über Land, Leute und einzelne Figuren auf ihrer ostafrikanischen Kaffeefarm. Es gibt keinen Dialog und keine durchgehende Handlung –…

Filmkritik: Taxi (2015) – 6 Sterne – mit Video

Rosalie Thomass spielt eine bestechend gutaussehende junge blonde Taxifahrerin, die gelegentlich mit Männern ins Bett geht, aber Beziehungen eigentlich ablehnt – obwohl sie zeitweise eine Beziehung hat und zugleich einen anderen Gelegenheitsmann stalkt. Thomass zeigt die dauergenervte, supercoole Alex sehr sehenswert, und die Kamera von Sonja Rom liefert elegante nächtliche Bilder. Ausdrucksvoll auch Peter Dinklage…

Filmkritik: Crazy Rich (2018, engl. Crazy Rich Asians) – 7 Sterne

Ungewöhnlich für eine *Hollywood*-Produktion: Der Erfolgsfilm auf Basis des Erfolgsbuchs von Kevin Kwan zeigt nur chinesische Gesichter unter chinesischer Regie an asiatischen Schauplätzen. Die Mittelschicht-US-Chinesin Rachel erlebt in Crazy Rich Asians die Welt der chinesisch-stämmigen Superreichen in Singapur, mit atemberaubendem Luxus und schockierenden Intrigen. Die romantische Komödie läuft flockig durch, hat Schwung, die richtige Menge…

Filmkritik: Unser Mann in Havanna, mit Alec Guiness (1958) – 6 Sterne – mit Video & Links

Die Romanverfilmung unterhält gepflegt und liefert ein paar interessante Variationen zum zugrunde liegenden Buch von Graham Greene, aber auch viele dicke Kuba-Klischees. Die Schwarzweiß-Bilder wirken teils gefällig, aber nie auffällig gut. Die Hauptfigur Wormold (Alec Guiness) erscheint deutlich lässig-ironischer und weniger sauertöpfisch als im Buch. Seine schon im Roman bizarre, 17jährige devot materialistisch-katholische Tochter Milly…

Filmkritik: Spuren (Australien 2013, engl. Tracks) – 6 Sterne – mit Video

Die spröd-schöne Mia Wasikowska wandert durchs spröd-schöne australische Outback, ertränkt in nie endender, elegischer Musiktunke und edel abgetönter Cinematografie. Die 2,4:1-Breitwandschaft mit Dame erinnert momentweise an Paris, Texas; und sie ruft aufdringlich: „Ich bin SO kino“. Ein paar Kamele und ein schwarzer Labrador begleiten die Hauptfigur, dazu gibt es karge Kindheitserinnerungen, Aborigines und eine Romanze…

Filmkritik: Der Vorleser (2008, mit Kate Winslet) – 7 Sterne – mit Video

Was für eine Story: Zeitgeschichte, Drama, Moral, ein Gerichtsfall, mehrere Jahrzehnte, unterschiedliche Gesellschaftsschichten, Liebe, Sex und Weltliteratur als Teil der Handlung. Großes Kino. Aber dann: Aufdringlich herb-schöne Menschen in aufdringlich historisch schöner Kulisse aufdringlich apart-schön eingekleidet; aufdringlich schön gefilmt und farblich nachbearbeitet; in melo-schöner Streichertunke ertränkt, die unschön aufdringlich nie verstummt (mit Kate Winslet, Ralph…

Filmkritik: Jenseits von Afrika (1985, mit Meryl Streep, Robert Redford) – 7 Sterne – mit Video

Robert Redford spielt einen gutaussehenden Kleiderständer, auch Meryl Streep agiert eher unterkühlt – die meisten Gefühle schienen in ihrer deutschen Synchronstimme zu liegen. Mehr Ausstrahlung zeigt Klaus Maria Brandauer. Immerhin drückt hier niemand auf die Tränendrüse, weder Schauspieler, Autor noch Komponist. Es gibt viele coole Dialoge und einige fast zusammenhanglos gesprochene Sätze, die deswegen besonders…

Filmkritik: Das blaue Zimmer (Frankreich 2014) – 6 Sterne – mit Video

Die Simenon-Verfilmung wirkt optisch sehr edel, die beträchtliche Erotik nicht viel zu schwülstig, und nach 71 Minuten im Format 4:3 ist alles vorbei. Doch der Streifen wechselt fast im Sekundentakt die Zeitebene – mal vor, mal nach der Tat, ganz klar wird das Geschehen bis zum Schluss nicht. Die meisten Figuren außer Hauptdarsteller, Ko-Autor und…

Filmkritik: Barney’s Version (2010) – 5 Sterne – mit Video

Gut gespielt, solide gefilmt, spießig plüschig ausgestattet, die Alterung der Hauptfiguren über Jahrzehnte nicht völlig unglaubhaft, die Handlung oft zuckrig, melodramatisch und manchmal vulgär, gänzlich frei vom ätzenden Humor der Romanvorlage Mordecai Richlers, mit weniger Rückblenden und Schwenks, konventionell ohne Ich-Erzähler. Der Film zeigt eine schmalzige Liebesgeschichte mit dem Handlungsgerüst aus Richlers Buch, doch völlig…

Rezension Indien-Kolonial-Film: Hitze und Staub (1983, Prod. Merchant-Ivory) – 7 Sterne – mit Rezensionen & Video

Über 133 Minuten entsteht kaum Langeweile, trotz einiger Einwände: Der Film schwelgt allzu malerisch in Nostalgie und Indienromantik; Greta Scacchi agiert unrealistisch sinnlich und verführerisch auf dem strengen englischen Kolonialparkett; Shashi Kapoor spielt den Fürsten nicht unwiderstehlich genug; der Musiker Zakir Hussain wirkt als indischer Kleinstadtbeamter weitaus zu westlich und entspannt. Der Film erzählt die…

Rezension Filmsatire: Thank You For Smoking (2005) – 7 Sterne – mit Video

Schnelle, witzige Komödie um einen amerikanischen Zigaretten-Lobbyisten. Viele bizarre, politisch sehr unkorrekte Dialoge, teils pfiffig gefilmt. Sehr unterhaltsam, auch wenn Hauptdarsteller Aaron Eckhart zu gut aussieht für einen Lobbyisten und im ganzen Film nicht eine Zigarette angezündet wird. Der gleichnamige, zugrundeliegende Roman wurde fürs Drehbuch stark gestrafft, vor allem die absurde Krimihandlung – Medien und…

Filmkritik: Der letzte Tycoon (1976, mit Robert de Niro) – 5 Sterne – mit Video, Presse-Links und Romanvergleich

1935: Der junge Hollywood-Produzent Stahr (Robert de Niro) ist begehrt bei den Damen, vor allem bei der Tochter seines Geschäftspartners. Doch Stahr will nur eine – und die bekommt er nicht so recht, es ist ein Hin und Her. Zwischendurch zeigt der Film Stahr bei der Studio-Arbeit – er beurteilt frisch aufgenommene Szenen, diskutiert mit…

Rezension Kinofilm: Der große Gatsby (1974, mit Robert Redford, Mia Farrow) – 5 Sterne – mit Video & Romanvergleich

Der große Gatsby hat ein Riesenanwesen gebaut, um seine Ex Daisy wiederzugewinnen – obwohl die inzwischen den Millionär Buchanan geheiratet hat. Gatsby darf sie küssen, aber so ganz zu ihm zurück kehrt sie einstweilen nicht. Dann kommt es zum mehrstufigen Showdown. Robert Redford spielt Gatsby wie eine gutaussehende, leicht sedierte Schaufensterpuppe. Gefühle kann er nicht…

Rezension Kinofilm: Der große Gatsby (2013, Regie Baz Luhrmann, mit Leonardo DiCaprio) – 5 Sterne – mit Romanvergleich

Disney goes Roaring Twenties, das Jazz-Age wird mit Rap und Discomucke vertont: Nichts erscheint echt in diesem Erfolgsfilm, ein bonbonbuntes Kirmesspektakel macht Regisseur Baz Luhrmann aus F. Scott Fitzgeralds Romanklassiker, der 1922 bei New York spielt. Alle Farben sind gepoppt, alle Gebäude scheinbar aus Plastik oder Pixeln, viel zu fantastisch und abgehoben sehen sie aus,…

Filmkritik: Zwei an einem Tag (2011, mit Anne Hathaway, Jim Sturgess) – 5 Sterne – mit Video

Nach einer gemeinsamen Nacht nach dem Uni-Abschluss bleiben Emma und Dexter befreundet, haben aber jahrelang jeweils andere Partner. Dexter ist reich, lässig und wird zunächst TV-Moderator; Emma strampelt sich ab, jobbt, wird Lehrerin. Über zwei Jahrzehnte hin zeigt der Film nur einen Tag pro Jahr – immer den 15. Juli. Regisseurin Lone Scherfig (Italienisch für…

Rezension Entdecker-Film: Land der schwarzen Sonne, engl. Mountains of the Moon, 1990, über Richard Burton und John Speke 1857 – 7 Sterne – mit Presse-Links & Hintergründen

Der 1990er Spielfilm zeigt die strapaziöse 1857er Expedition von Richard Francis Burton und John Speke ins Innere Afrikas, auf der Suche nach der Quelle des Nils. Er besticht durch grandiose und stimmungsvoll abgetönte Bilder aus Kenia, die auch beim zweiten Ansehen mitreißen, durch bombastische Herzschlagmusik und einiges Drama in Afrika wie auch in England –…

Rezension Spielfilm: Der talentierte Mr. Ripley (1999, mit Matt Damon, Gwyneth Paltrow) – mit Trailer – 8 Sterne

Die Kamera schwelgt in Süditalien, Venedig und New York, die 1A-Schauspieler wie Matt Damon, Gwyneth Paltrow, Jude Law und Cate Blanchett sehen gut aus und spielen noch besser. Der böse Bube zeigt keine Reue und entwischt der Polizei ohne viel Schweiß immer wieder. Das Ganze beginnt mit mediterraner Leichtigkeit – ewiger Urlaub ohne Geldsorgen an…

Rezension Spielfilm: Short Cuts (Regie Robert Altman, USA 1994; mit Trailer) – 8 Sterne

Viele verschiedene Geschichten und Akteure, exzellent immer wieder ineinander geflochten. Bevor nur ein bisschen Leerlauf entstehen könnte, geht es weiter zur nächsten Beziehung – kurze Schnitte eben, short cuts. Man kann die drei Stunden durchaus am Stück sehen, wenn man nicht zu spät damit beginnt. Ein paar Elemente ab Filmmitte finde ich zu billig drastisch,…

Rezension US-Indien-Spielfilm: Namesake/Namensvetter (2006, Regie Mira Nair) – mit Trailer – 8 Sterne

Wunderschön gefilmt, voll zauberhafter Blicke und Gesten in Nahaufnahmen. Insbesondere Kal Penn als Gogol geht in seiner Rolle auf und es verblüfft, wie er zeitweise seinem Filmvater Irrfan Khan gleicht. Khan und Tabu überzeugen als Ehepaar, das sich nach arrangierter Hochzeit erst langsam aneinander gewöhnt, dann aber eindrucksvoll und ohne viel Reden harmoniert. Kalkutta erscheint…

Rezension Frankreich-Komödie: Zazie (1960, Regie Louis Malle) – 3 Videos – 8 Sterne

Überbordend mit vergnüglich skurrilen, bizarren und gern auch deftigen Einfällen. Die Akteure bewegen sich oft wie aufgezogen, man denkt an Stummfilme (frz. Titel Zazie dans le métro).  Freches Vergnügen ohne Hollywood-Seife: Regisseur Malle spult seine Kaspereien mit ausgelassener, sinnfreier Freude ab, die mitunter an Bollywoodkracher etwa von Manmohan Desai erinnert. Er serviert mehr Spaß und…

Rezension Spielfilm: Lachsfischen im Jemen (2011; mit Trailer) – 7 Sterne

Im ersten Teil eine brillante, staubtrockene, britische Komödie aus England – die mit dem englischen Ton viel nonchalanter klingt als in der deutschen Synchro. Meine Favoritin ist Kristin Scott Thomas als zynische Pressesprecherin, dann kommen Drehbuchautor Simon Beaufoy und Buchautor Paul Torday (er lieferte die Romanvorlage Lachsfischen im Jemen). Ich habe selten so gelacht. Schwächen…

Rezension Kambodscha-Spielfilm: Das Reisfeld – Les gens de la riziere – Rice People (1994, Regie Rithy Panh) – 3 Videos – 7 Sterne

Thailand

Der Spielfilm ums kambodschanische Dorfleben wirkt sehr nüchtern und dokumentarisch, dabei meist glaubwürdig. Wir folgen dem Leben im Reisbauern-Dorf von der Aussaat bis zur Ernte, lernen Reissorten und Gefahren kennen: Spatzen, Krabben, Schlangen, Stürme, Dornen, Nachbarn, Dorfvorsteher. Hier spielt wirklich alles an Originalschauplätzen, die Darsteller haben keine Schauspielschule besucht, sondern vielmehr zur Vorbereitung im Filmhaus…

Rezension Hollywood-Klassiker: Menschen im Hotel (1932, mit Greta Garbo, Joan Crawford) – mit Videos – 7 Sterne

Reihenweise markante Schauspieler, denen ich sehr gern gefolgt bin (Greta Garbo, John Barrymore, Joan Crawford), dazu gelungen wirbelnde Massenszenen in der Hotellobby. Die Handlung schnurrt flott durch, erst gegen Ende wird es langatmiger. Gute Kamerarbeit und insgesamt eine stimmige Romanverfilmung, welche freilich die Auto- und Flugzeugszenen der Buchvorlage von Vicki Baum auslässt. Die deutsche Neuverfilmung…

Rezension US-Krimi-Spielfilm: Der Fremde im Zug (1951, Regie Alfred Hitchcock) – mit Trailer – 7 Sterne

Ein spannender Film, in dem man ab der ersten Minute fröstelt. Es wird immer beklemmender (darin einer anderen Highsmith-Verfilmung nicht unähnlich). Star des Abends ist Robert Walker als öliger Psychopath, der den schwächlichen Guy (Farley Granger) in ein kriminelles Konstrukt hineinzieht. Lob verdient auch ein meist übersehener Star, Kameramann Robert Burks, der schöne, aber nicht…