Rezension US-Indien-Spielfilm: Namesake/Namensvetter (2006, Regie Mira Nair) – mit Trailer – 8 Sterne

Wunderschön gefilmt, voll zauberhafter Blicke und Gesten in Nahaufnahmen. Insbesondere Kal Penn als Gogol geht in seiner Rolle auf und es verblüfft, wie er zeitweise seinem Filmvater Irrfan Khan gleicht. Khan und Tabu überzeugen als Ehepaar, das sich nach arrangierter Hochzeit erst langsam aneinander gewöhnt, dann aber eindrucksvoll und ohne viel Reden harmoniert.

Kalkutta erscheint als malerisches Gomorrha, auch wenn ich selbst die Stadt bei weitem nicht so verfallen erlebt habe. Einige Filmpassagen erscheinen attraktiv in leicht verfremdeten Farben in Bleach-Bypass-Technik.

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Das zugrunde liegende Buch Der Namensvetter von Jhumpa Lahiri hatte ich zuerst gelesen und normalerweise gefällt mir eine anschließend gesehene Verfilmung dann nicht mehr so gut. Diesmal hat mich allerdings der Film ebenfalls beeindruckt, auch wenn er im Vergleich zum Buch vielleicht etwas romantisiert (alle Literaturverfilmungen auf HansBlog.de).

Regisseurin Mira Nair hat einige Buchpassagen stark gekürzt oder ganz entfernt. Doch wo der Roman manchmal zu flüchtig, zusammenfassend, detail- und dialogarm wirkt, da lädt Nair ihren Film mit zahlreichen vielsagenden Details und Emotionen auf.

Kleinere Schwächen:

  • nicht immer wird deutlich, warum eine bestimmte Szene nun in natürlichen oder in nachbearbeiteten Farbtönen erscheint (nicht ausschließlich die Rückblenden werden verfremdet)
  • Tabu als Filmmutter hat für mein Empfinden schon eine zu starke Präsenz und physische Ausstrahlung; die ursprünglich vorgesehene tatsächliche Bengalin Rani Mukherjee, fragiler als Tabu, hätte vielleicht besser gepasst
  • einige Bilder wirken manchmal zu kunsthandwerklich aufgehübscht und durch säuselnde Orientmusik zusätzlich verkitscht
  • gelegentlich werden kulturelle Dinge nicht so klar wie im Roman, zum Beispiel warum Sonia als Baby in einer Zeremonie nach Geld, Stift oder Lineal greifen soll
  • Zuleikha Robinson erscheint allzu aufdringlich vamp-haft, fast schon bollywoodesk, eine besonders schwüle Szene flog zum Glück noch aus dem Film
  • mitunter zu abrupte Zeitsprünge, u.a. Gogols Wandlung zum Architekten
  • wie im Buch: dass ein indischstämmiger Amerikaner einen russischen Vornamen erhält, der eigentlich ein Nachname ist, hat für den Film nicht die ganz große Bedeutung und könnte eventuell komplett wegfallen

Ich wollte den Film mit englischem O-Ton und englischen Untertiteln sehen. Dies war mit der damals für Deutschland produzierten DVD laut Beschreibung nicht möglich (jetzt ist die Beschreibung geändert); ich bestellte darum via Amazon.de eine gebrauchte DVD aus Italien; sie bot englischen OT und englische UT, die Bildqualität enttäuschte.

Meine DVD enthält jedoch einen 30minütigen Auftritt von Mira Nair vor amerikanischen Filmstudenten, in dem Nair – aber auch Kameramann, Produzentin, Ausstatterin, Casterin und Schnitttechnikerin – hochinteressant aus dem Produktionsprozess erzählen und die Kalkulation offenlegen. Dazu liefert die DVD einen Tonkommentar Nairs in voller Filmlänge sowie drei Minuten entfernter Szenen.

Zwei studierte Bengalen, die sich in der Fremde niederlassen und ungeplant lange dort bleiben, das erinnert auch an die TV-Dokumentation über die Chatterjees und ihren Hamburger Teehandel.

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