W. Somerset Maugham erzählt routiniert, gefällig und sehr ironisch von einem Ehepaar in der Theaterbranche in London um die 1930er Jahre herum, meist aus Sicht der Starschauspielerin Julia, 46. Im zweiten Drittel kommt eine betont undramatische Ehebruchiade in Gang. Erfolgs-Stückeschreiber Maugham kennt das Milieu bestens und delektiert sich an Karrieristen, Schleimern, Statusgockeln, Selbstdarstellern, Edelmännern und gesellschaftlichen Zwängen.
Show, don’t tell:
Der kurze Roman wechselt zwischen gut gezeichneten Szenen mit markanten Dialogen und längeren Passagen, in denen Maugham über ganze Jahre flüchtig hinwegerzählt – die überzeugen nicht so. W. Somerset Maugham macht es sich zu leicht, behauptet zuviel, statt Handlung und Dialog zu präsentieren. Er schreibt seinen Protagonisten fast willkürlich Eigenschaften zu, die in seine Erzählung passen, aber nicht konkret ausgemalt werden. Show, don’t tell.
Auch die Sprünge zwischen den Zeitebenen zu Beginn wirken nicht immer rund, eher gewollt. Aber selbst hier lässt Maughams gut geölter Erzählton den Leser kaum vom Haken.
Hintergedanken:
Witzig bei diesem Roman: Maugham bringt erst in Gänsefüßen die wörtliche Rede seiner Protagonistin und danach in Klammern ihre wirklichen Gedanken. So sagt (denkt) die Hauptfigur zum Beispiel:
“Oh, thoroughly.” (“Bloody fool, bloody fool.”)
Sie spielt “Theatre” auf der Bühne und an der Dinnertafel. Maugham hält diese Form aber nicht konsequent durch.
Zwei Figuren reden dagegen betont ehrlich, teils richtig hart: der Sohn und die Kammerfrau der Hauptfigur. Das wirkt schon zu aufdringlich als Gegensatz konstruiert.
Zwar behagt es mir nie ganz, wenn Männer sich tief in Frauenfiguren hineinversetzen, erst recht nicht in libertinäre, doch hier funktioniert es und die Gedanken der Starschauspielerin fließen stimmig und unterhaltsam. Schön auch, wie sie in einem privaten Drama gezielt professionell die Tränendrüsen anwirft – gelernt ist gelernt.
Assoziationen:
- Nicht die Theater-, sondern die Literatenszene Londons in ähnlicher Zeit karikiert süffig Maughams Roman Cakes and Ale; auch hier wechselt Maugham nicht ganz überzeugend zwischen genau ausgemalten Szenen und stärker verallgemeinernden Passagen; auch hier schildert er eine relativ freizügige weibliche Hauptfigur
- Auch die Kurzgeschichte Three Fat Women of Antibes (Collected Short Stories Volume 1) endet mit weiblicher Schlemmerei nach langer Abstinenz.
- In der Novelle Up at the Villa (1941), die nichts mit der Theaterbranche zu tun hat, sprechen die Akteure Sätze, die in Theatre zu aufdringlich klingen würden: “Think of yourself as an actress playing a part… He is a great man posing as a great man… like Charlie Chaplin impersonating Charlie Chaplin”. Auch die Kurzgeschichte “The Alien Corn” thematisiert u.a. das Rollenspiel auf gesellschaftlicher Bühne (Collected Short Stories Volume 2).
- Das Motiv “Mittelaltes Ehepaar freundet sich mit jungem Mann an, der die darob geschmeichelte Frau (44-46) verführt” gibt’s 1:1 auch in der Maugham-Kurzgeschichte Virtue, eine ältere Ehefrau mit jüngerem Mann auch in der Kurzgeschichte The Colonel’s Lady (jew. Collected Shorties Vol 2). Ähnlich auch im Roman Südsee-Romanze/The Narrow Corner, dort sogar 2x.
- Eine ältere Ehefrau mit langjährigem externen Bewunderer gibt’s auch in der Maugham-Kurzgeschichte The Social Sense (Collected Short Stories Volume 2).
- Entfernt der Spielfilm Die schönen Tage mit Fanny Ardant als verheiratete 62jährige Ärztin mit viel jüngerem Bettschatz
- Mehrfach verfilmt, u.a. 1962 mit Lilli Palmer (Julia, du bist zauberhaft) und 2004 als Being Julia mit einer flamboyanten Annette Bening und einem verschärften Ende auf der Bühne; die deutsche DVD dazu hat sehr schlechten englischen und besseren deutschen Ton und ausschließlich deutsche Untertitel
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