Roman-Kritik: Roman d’Amour, von Sylvie Schenk – 6/10

Die Frage im Roman ist nicht, wie viel vom Leben der fiktiven Autorin Charlotte im Leben ihrer Figur Klara steckt, sondern wie viel die unangenehm fragende Journalistin herausfindet. Womit noch nichts über das Liebesleben der wahren Autorin Sylvie Schenk gesagt ist. Oder doch? (Ich sag’ nur – )

Obwohl alles Wichtige schon frühzeitig bekannt wird, entwickelt die 120-Seiten-Fibel gegen Ende einen Sog – vielleicht auch, weil man jetzt die Figuren sauber auseinander hält; man mag kaum ablegen.

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Sylvie = Charlotte = Karla?

Sylvie Schenk schreibt über die fiktive Autorin Charlotte und deren Roman über die Schulleiterin Klara, die heimlich mit dem Kollegen Lew schläft, Ehemann der kranken Marie. Die fiktive Autorin Charlotte, seit zwei Jahren getrennt lebend, unterhielt vor 25 Jahren eine sehr ähnliche Beziehung zu Ludo, verheiratet mit der kranken Marlies, offenbar Vorbilder für Lew und Marie.

Für ihren Roman erhält die Figur Charlotte einen Buchpreis auf einer Nordseeinsel, und eine Journalistin will im Interview herausfinden, wie viel wahres Charlotte-Leben in der Ehebruchiade von Klara, Lew und Maria steckt. Dabei wendet sie den fiesen Lakritzkätzchentrick an.

Verräterrische Syndactylie:

Sylvie Schenk könnte ruhig kurze, kompakte Sätze schreiben. Gelegentlich klingt es auch nach Fremdwörterhuberei:

Konjunktivform… Syndactylie… Assonanz… ontologisch… Xanthippe… mimetisch…

Dazu allerlei Französisch, Englisch und “Blablabla” in griechischen Lettern. Très cultivé. Noch stärker heraus sticht aber ein anderes Trend-Fremdwort: die betrogene Ehefrau Marlies in der Rahmenhandlung hat französische Wurzeln, ebenso wie die Betrogene im Roman-im-Roman (ebenso wie Buchautorin Schenk); und dazu sagt die fiktive Ich-Erzählerin der Journalistin gänzlich ungegendert:

Jeder muss seine Erwartungen zurückschrauben und Kompromisse schließen, ein Migrant noch stärker als ein hier Geborener.

Schliesslich fällt gar mehrfach, horribile dictu, das Modewort der Litbranche, Entschuldigung,

Autofiktion

Gesprochen wird es natürlich von der unsympathischen Kulturjournalistin. Die sexpositive Autorin Charlotte exklamiert lieber phonetisch Ähnliches, wie (S. 59)

… Wenn man mit jemandem fickt, den man auch liebt. Liebt. Fickt. Liebt…

Nur auf, Entschuldigung, “Narrativ” verzichtet die Autorin gnädig. Vielleicht war das Wort 2021 schon wieder out.

Löblich: Bei diesem Roman über einen Roman gibt es tatsächlich längere Zitate und Nacherzählungen aus dem fiktiven Opus, ebenso wie Rezensionen dazu. Diese Mühe geben sich nicht alle Meta-Autoren.

Zeitlos, ortlos:

Sylvie Schenks Roman kippelt hin und her zwischen der Geschichte der Autorin Charlotte und dem Roman im Roman um Klara; der Überblick fiel mir zunächst schwer. Zumal auch noch die interviewende Journalistin eigene Agenda mitzubringen scheint. Zu einem Organigramm hätte ich nicht Nein gesagt.

Schwach, beide Amouren spielen gefühlt im selben Zeit-Raum-Kontinuum:

  • Die Affäre der erfundenen Autorin Charlotte und die Affäre ihrer Romanfigur Klara liegen etwa 25 Jahre auseinander. Aber das ist kaum zu erkennen: Es gibt keine Zeitumstände, technische, soziale, mentale Entwicklungen.
  • Sylvie Schenk liefert auch keine Ortsangaben aus Deutschland. Der Roman ist seltsam ortlos. Die Hauptschauplätze der Beziehungen zwischen Autorin und Geliebtem sowie zwischen den Roman-im-Roman-Figuren Klara und Geliebtem/Kollegen erfährt man nicht, ebenso wenig Details über die Nordseeinsel, auf der die fiktive Autorin das Interview gibt. Ortsnamen hört man – seltsam – nur von Aufenthalten in Frankreich und Irland.

Assoziation:

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