Der Roman beginnt genüsslich mit einem gereizten, dutzende Seiten langen Dialog zwischen den Eheleuten Maggie und Ira, unterwegs im Auto zu einer Trauerfeier. Die Rückfahrt am selben Tag glänzt mit weiteren ausgedehnten, mild absurden Dialogen, auch mit Zufallsbekanntschaften, die teils wie eingeschobene Kabarettstücke klingen, die nicht unbedingt zur Hauptgeschichte gehören.
Die Autorin macht uns zunächst glauben, es gehe vor allem um die Fahrt zu und von der Beerdigung und um das Ereignis selbst. Allerdings klemmt Anne Tyler seltsame Rückblenden dazwischen:
- Maggie als Altenpflegerin verliebt sich in einen Heimbewohner
- die Demenz des verstorbenen Max, Ehemann von Maggies Freundin Serena
- während Max’ Trauerfeier eine lange Rückblende in die Jugend der Trauernden
Weitere Rückblenden folgen, die Autofahrt ist nur der Rahmen für immer neue, fast willkürliche Reminiszenzen, teils Dutzende Seiten lang, bis wir schließlich mehrere Generationen der Familien Moran kennen.
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Wortwechsel:
Ann Tyler schreibt stark dialogisch, zweimal erzählen sich die Akteure lang zurückliegende Wortwechsel – nicht in indirekter Rede, sondern mit wörtlicher Rede innerhalb wörtlicher Rede. Alle Dialoge klingen hervorragend, mitunter leicht geschriftstellert, dafür unterhaltsam.
Viele Passagen des 1989 gepulitzerten und bei Berufskritikern sehr erfolgreichen Romans lesen sich hyperrealistisch, nur leicht überdreht, mitunter fast satirisch, selten aufdringlich menschelnd. Doch wiederholt haut Ann Tyler Unglaubwürdiges dazwischen:
- Direkt in der Ausfahrt ihrer Autowerkstatt verursacht Maggie einen Blechschaden und fährt einfach weiter, obwohl man sie dort kennt (der Vorgang bleibt bis zum Ende des Buches ohne Konsequenz)
- Bei der Trauerfeier sollen Gäste unvorbereitet öffentlich Schmalzlieder singen, die sie 30 Jahre zuvor bei der Heirat des Verblichenen sangen
- Die stets manierliche Maggie will auf der Trauerfeier plötzlich ihren Mann verführen, im Schlafzimmer des Verblichenen
Letztlich zeigt Tyler hier über zwei Generationen: Frauen sind anders, Männer auch, und sie passen nicht zusammen.
Kulturelle Aneignung:
Wie viel Diskriminierung, wie viel kulturelle Aneignung steckt in diesem Roman einer weißen Autorin? Ann Tyler zeigt die Familie der männlichen Hauptfigur mit indianischem Blut – und beide Schwestern haben einen an der Waffel; der indianische Vater setzt sich vorzeitig zur Ruhe, ruiniert damit die Uni-Pläne seines Sohnes; es gibt die Plaudertasche Mister Otis, Afroamerikaner, eine Nervensäge; Sohn Jesse bekommt weit mehr Zeilen als Daisy, die allzu eindimensionale und fade Tochter der Hauptfiguren.
Ich kenne nur das englische Original und kann die Eindeutschung von Reinhard Kaiser im Fischer-Verlag nicht beurteilen.
Assoziation:
- im Text gibt es mehrere Anspielungen auf den Titel eines anderen Tyler-Romans, Amateur Marriage, und auch die zwei Ehepaare hier im Roman wirken sehr unvorbereitet auf die Ehereise
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