Rezension des Romans Ich nun wieder. Story of My Life, von Jay McInerney (1988, engl. Story of My Life) – 7 Sterne

Alison Poole ist eine 20jährige Schauspielschülerin im New York der 1980er. Bis jetzt war sie mit 36 Männern im Bett, sie nimmt Kokain und fliegt fast aus der Wohnung. Als Ich-Erzählerin in Jay McInerneys zweitem Roman – nach Ein starker Abgang/Bright Lights, Big City – redet Alison sehr trocken, cool, zynisch, unsentimental. Vor allem: Sie produziert ein Bonmot nach dem anderen. So eine sollte lieber Schreib-Lehrerin als Schauspiel-Schülerin sein.

Poole schildert ein anstrengendes Leben: Sie und ihre Freundinnen machen sich immer wieder schön für die Männer, die sie doch großteils verachten; sie investieren in Klamotten und Kokain, so dass Miete und Studiengebühren nicht mehr stattfinden; sie versuchen dem Papi Überweisungen und Ehrenplätze im Testament abzuringen; sie belügen sich; Schwestern spannen sich die Lover aus.

Derber Ton:

Mir ist unbehaglich, wenn Männer aus Frauensicht erzählen, aber hier geht es meist. Der Tonfall ist rauh und umgangssprachlich, aber scheinbar sehr authentisch (ich hatte das englische Original und kann die deutsche Fassung nicht beurteilen); er erinnert fast an den Slang aus Miles Davis’ rauh erzählter Autobiographie.

Jay McInerney müht sich auch sichtbar, seine Hauptfigur als nicht zu dumpf darzustellen: Sie kokst weniger als die anderen, hat echte Gefühle, findet (theoretisch) Wahrheit wichtig – damit steht sie schon weit über dem sonstigen Bestiarium. Der Autor spielt überdies mit wiederkehrenden Leitmotiven und vielen scharfen Beobachtungen aus einer herzlosen Welt.

Teils mit offenem Mund:

Obwohl mich das Milieu anwiderte, habe ich Alisons Geschichte über knapp 190 luftig bedruckte Seiten gern gelesen, teils mit offenem Mund. 200 Seiten wären aber zu viel.

Assoziation:

  • Die unpersönlichen, kühlen Akteure erinnern an Naoise Dolans Aufregende Zeiten
  • McInerneys spätere Belletristik spielt in gepflegteren Milieus, und in einer Kurzgeschichte im Band The Last Bachelor kehrt Alison Poole sogar zurück – inzwischen gutsituiert (Bret Easton Ellis hat sie auch ausgeliehen).
  • Vage denkt man bei Ich nun wieder auch an McInerneys Fotomodell aus Letzter Schrei (1998, engl. Model Behavior).

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